DAS OSEBERGSCHIFF
Das Nebeneinander von Bandgeflecht und Tiergeflecht hat seinen tieferen Grund darin,
daß der Norden Europas ursprünglich hauptsächlich mit dem mehrstreifigen Bande, der
Norden Asiens in erster Reihe mit dem Tiere schmückt. Ich stelle die europäische und
asiatische Art in Abbildung 1 7 bis 1 9 und 21 nebeneinander. Die Schale der Bronzezeit im
Museum zu Stockholm zeigt die europäische Art, den geschwungenen Mäander, von
dem der griechische nur die eckige Abart ist. Die Bänder gleiten in geschwungenen Bogen
aneinander vorüber und sind hier sehr regelmäßig mit der Hand gearbeitet, fünf- und
mehrstreifig. Abbildung 1 7 zeigt die nordasiatische Art (die ich schon »Altai-Iran« S. 140
und 275 mit den Tieren von Kelermes eingeführt und durch die Funde vom Jenisei
S. 212 f. ergänzt hatte) in einigen Stücken, die aus dem nordchinesischen Ordosgebiete
im Knie des Hoangho stammen, das in unmittelbarem Zusammenhange mit der Mongolei
und Sibirien steht. Die Stücke scheinen auf Einfuhr aus den Nordgebieten Asiens zurück-
zugehen. Abbildung 19 gibt zwei Bronzestücke und Abbildung 21 einen Knauf, dessen
Schmuck aufgerollt herausgezeichnet ist, so daß die drei Schlangen in der Nachzeichnung
durch verschiedene Füllung gekennzeichnet sind. Alle diese Bronzen wurden von L.
Wannieck nach Europa gebracht, der Knauf ging an das Wiener Naturhistorische
Staatsmuseum über. Immer ist das Tier in verschlungener Windung die »Gestalt« schlecht-
weg, formal zumeist wie in Abbildung 19 im Schrägschnitt behandelt, dessen Ursprung
eine der Kernfragen meines »Altai-Iran« bildete. Man darf dabei nicht übersehen,
wie sehr besonders der Knauf an die Deichsel des Osebergschiffes erinnert, die ich
»Altai-Iran« S. 209 abgebildet habe. Für die breite Masse des sibirischen Schmuckes
wird man sich an Minns »Skythians and Greeks« 1913 und Rostofzeffs »Iranians
and Greeks« 1922 zu halten haben, worauf ich »Das Erwachen der Nord-
forschung in der Kunstgeschichte«, Acta Academiae Aboensis, Humaniora IV S. 4 £
mit Bezug auf Scheltema und Zimmermann aufmerksam machte.
Die europäische Art war inzwischen vom Mäander zum Bandgellecht übergegangen,
wie es die bekannten Nachbildungen in Stein an den langobardischen und kroatischen
Kirchenmöbeln zeigen. Diese Art muß sich im Norden Europas durchgesetzt haben,
bevor die Langobarden und Kroaten abwanderten. Welches der Beweggrund war, von
dem in geschwungenen Linien sich ausweichenden dreistreifigen Bande zum Geflecht
überzugehen, ist vorläufig nicht deutlich.
Dabei fragt sich, wo das Bandgeflecht ursprünglich zu Hause war. Bekannt ist sein
frühes Auftreten bei den nach Vorderasien eingewanderten indogermanischen und den
kaukasischen Völkern. M. Dimand hat darüber in Band 14 der Arbeiten des Ersten
kunsthistorischen Institutes der Universität Wien, »Die Ornamentik der ägyptischen
Wollwirkereien« S. 42 f. eine Zusammenstellung versucht, die den vorläufigen Stand
der Frage kennzeichnet. Man wird warten müssen, was Ausgrabungen im iranischen
95
Das Nebeneinander von Bandgeflecht und Tiergeflecht hat seinen tieferen Grund darin,
daß der Norden Europas ursprünglich hauptsächlich mit dem mehrstreifigen Bande, der
Norden Asiens in erster Reihe mit dem Tiere schmückt. Ich stelle die europäische und
asiatische Art in Abbildung 1 7 bis 1 9 und 21 nebeneinander. Die Schale der Bronzezeit im
Museum zu Stockholm zeigt die europäische Art, den geschwungenen Mäander, von
dem der griechische nur die eckige Abart ist. Die Bänder gleiten in geschwungenen Bogen
aneinander vorüber und sind hier sehr regelmäßig mit der Hand gearbeitet, fünf- und
mehrstreifig. Abbildung 1 7 zeigt die nordasiatische Art (die ich schon »Altai-Iran« S. 140
und 275 mit den Tieren von Kelermes eingeführt und durch die Funde vom Jenisei
S. 212 f. ergänzt hatte) in einigen Stücken, die aus dem nordchinesischen Ordosgebiete
im Knie des Hoangho stammen, das in unmittelbarem Zusammenhange mit der Mongolei
und Sibirien steht. Die Stücke scheinen auf Einfuhr aus den Nordgebieten Asiens zurück-
zugehen. Abbildung 19 gibt zwei Bronzestücke und Abbildung 21 einen Knauf, dessen
Schmuck aufgerollt herausgezeichnet ist, so daß die drei Schlangen in der Nachzeichnung
durch verschiedene Füllung gekennzeichnet sind. Alle diese Bronzen wurden von L.
Wannieck nach Europa gebracht, der Knauf ging an das Wiener Naturhistorische
Staatsmuseum über. Immer ist das Tier in verschlungener Windung die »Gestalt« schlecht-
weg, formal zumeist wie in Abbildung 19 im Schrägschnitt behandelt, dessen Ursprung
eine der Kernfragen meines »Altai-Iran« bildete. Man darf dabei nicht übersehen,
wie sehr besonders der Knauf an die Deichsel des Osebergschiffes erinnert, die ich
»Altai-Iran« S. 209 abgebildet habe. Für die breite Masse des sibirischen Schmuckes
wird man sich an Minns »Skythians and Greeks« 1913 und Rostofzeffs »Iranians
and Greeks« 1922 zu halten haben, worauf ich »Das Erwachen der Nord-
forschung in der Kunstgeschichte«, Acta Academiae Aboensis, Humaniora IV S. 4 £
mit Bezug auf Scheltema und Zimmermann aufmerksam machte.
Die europäische Art war inzwischen vom Mäander zum Bandgellecht übergegangen,
wie es die bekannten Nachbildungen in Stein an den langobardischen und kroatischen
Kirchenmöbeln zeigen. Diese Art muß sich im Norden Europas durchgesetzt haben,
bevor die Langobarden und Kroaten abwanderten. Welches der Beweggrund war, von
dem in geschwungenen Linien sich ausweichenden dreistreifigen Bande zum Geflecht
überzugehen, ist vorläufig nicht deutlich.
Dabei fragt sich, wo das Bandgeflecht ursprünglich zu Hause war. Bekannt ist sein
frühes Auftreten bei den nach Vorderasien eingewanderten indogermanischen und den
kaukasischen Völkern. M. Dimand hat darüber in Band 14 der Arbeiten des Ersten
kunsthistorischen Institutes der Universität Wien, »Die Ornamentik der ägyptischen
Wollwirkereien« S. 42 f. eine Zusammenstellung versucht, die den vorläufigen Stand
der Frage kennzeichnet. Man wird warten müssen, was Ausgrabungen im iranischen
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