FRIEDRICH WIMMER
Aber auch die gemeinsamen Züge, die die Laurentiusfigur und die Kaiser Friedrichs III.
miteinander verbinden, sind mehr als nur allgemeiner Natur (Abb. 1 und 6). Unter sie ist
einmal das starke Durchwirken des Körpers durch die Gewandung zu rechnen, das
aber bei der Kaiserfigur noch bedeutend stärker und durchgängiger entgegentritt, wenn
auch Nikolaus immerhin noch eine verhältnismäßig große Anzahl gliedernder, masse-
lösender Falten unterbringt; auch das Stehen erscheint um einiges deutlicher ausgedrückt.
Der Entwicklung größerer körperlicher Massigkeit in der Figur selbst wird anderseits
stark dadurch entgegengewirkt, daß der Körper in Tiefen stärkster Dunkelheit ein-
gebettet liegt und von den zwei unteren Dritteln des Mantels, der schließlich zum figu-
ralen Gesamtgefüge dazugehört, nur mit seinen steilen, in S-Kurven schwingenden
Rändern zur Geltung kommt, womit eine Hereinziehung des Raumelementes gegeben
ist, die in ihrer Art noch ungleich weitergeht und noch stärker das Moment des
Irrationalen betont, als dies bei der Laurentiusfigur der Fall ist. Damit zusammen geht
die Art, wie das linke Bein ganz rücksichtslos zurückgedrängt und vernachlässigt wird
zugunsten der großen gerade fallenden Linie des rechten Mantelrandes. Große beherr-
schende Linien spielen, zu einem Hauptmotiv sich zusammenfindend, gleichwie bei
der Laurentiusfigur eine große Rolle als ordnendes Prinzip. VVenn auch nicht ausschlag-
gebend, so doch nicht ganz nebensächlich ist das beiden Figuren eigene Motiv des Auf-
raffens des Oberkleides zur Erzielung größeren formalen Reichtums. Sprechender sind
aber verbindende Elemente in der Gesichtsbehandlung (Abb. 5 und 8): der Naturalismus in
den Details, die Konstruktion des Gesichtes, besonders was die Nasenwurzel und die
Führung der Augenbrauen betrifft, die etwas aufgezogen sind und beitragen, dem Antlitz
des alternden, schwergeprüften Monarchen den Ausdruck einer tiefen Resignation zu
verleihen. Noch auf eine verbindende Einzelheit, die nicht ganz unwichtig ist, wäre
hinzuweisen, nämlich auf die zwar an sich nicht gerade unbegründete, wohl aber wenig
überzeugende Falte links von dem rechten Mantelsaum und parallel zu ihm; ihr ent-
spricht bei der Laurentiusfigur die Falte, die von der Halsöffnung der Dalmatika schräg
über die Brust zieht. Eine Verschiedenheit außer den bereits erwähnten stellt die
Einzelbehandlung besonders der Falten, die um die Füße spielen, dar; sie sind, wenn auch
gebrochen, doch weicher als die an der gleichen Stelle bei der Laurentiusstatue.
Die geführten Vergleiche, besonders der mit der Deckplatte des Sierck-Grabmales,
dürften erwiesen haben, daß die Laurentiusfigur in die allernächste Nähe- zu dem für
die deutsche Plastik der Spätgotik so bedeutungsvollen Nikolaus zu stellen ist. Es bleibt
nur die Frage, ob sie nicht etwa von seiner eigenen Hand stammt.
Die Quellen berichten nichts davon, doch lassen sie die Möglichkeit zu. 1462 erfahren
wir von Nikolaus das erstemal: er signiert in diesem Jahre das erste ihm zuschreibbare
VVerk, die Deckplatte des Sierckschen Grabmales in Trier. 1463 ist er in Straßburg
108
Aber auch die gemeinsamen Züge, die die Laurentiusfigur und die Kaiser Friedrichs III.
miteinander verbinden, sind mehr als nur allgemeiner Natur (Abb. 1 und 6). Unter sie ist
einmal das starke Durchwirken des Körpers durch die Gewandung zu rechnen, das
aber bei der Kaiserfigur noch bedeutend stärker und durchgängiger entgegentritt, wenn
auch Nikolaus immerhin noch eine verhältnismäßig große Anzahl gliedernder, masse-
lösender Falten unterbringt; auch das Stehen erscheint um einiges deutlicher ausgedrückt.
Der Entwicklung größerer körperlicher Massigkeit in der Figur selbst wird anderseits
stark dadurch entgegengewirkt, daß der Körper in Tiefen stärkster Dunkelheit ein-
gebettet liegt und von den zwei unteren Dritteln des Mantels, der schließlich zum figu-
ralen Gesamtgefüge dazugehört, nur mit seinen steilen, in S-Kurven schwingenden
Rändern zur Geltung kommt, womit eine Hereinziehung des Raumelementes gegeben
ist, die in ihrer Art noch ungleich weitergeht und noch stärker das Moment des
Irrationalen betont, als dies bei der Laurentiusfigur der Fall ist. Damit zusammen geht
die Art, wie das linke Bein ganz rücksichtslos zurückgedrängt und vernachlässigt wird
zugunsten der großen gerade fallenden Linie des rechten Mantelrandes. Große beherr-
schende Linien spielen, zu einem Hauptmotiv sich zusammenfindend, gleichwie bei
der Laurentiusfigur eine große Rolle als ordnendes Prinzip. VVenn auch nicht ausschlag-
gebend, so doch nicht ganz nebensächlich ist das beiden Figuren eigene Motiv des Auf-
raffens des Oberkleides zur Erzielung größeren formalen Reichtums. Sprechender sind
aber verbindende Elemente in der Gesichtsbehandlung (Abb. 5 und 8): der Naturalismus in
den Details, die Konstruktion des Gesichtes, besonders was die Nasenwurzel und die
Führung der Augenbrauen betrifft, die etwas aufgezogen sind und beitragen, dem Antlitz
des alternden, schwergeprüften Monarchen den Ausdruck einer tiefen Resignation zu
verleihen. Noch auf eine verbindende Einzelheit, die nicht ganz unwichtig ist, wäre
hinzuweisen, nämlich auf die zwar an sich nicht gerade unbegründete, wohl aber wenig
überzeugende Falte links von dem rechten Mantelsaum und parallel zu ihm; ihr ent-
spricht bei der Laurentiusfigur die Falte, die von der Halsöffnung der Dalmatika schräg
über die Brust zieht. Eine Verschiedenheit außer den bereits erwähnten stellt die
Einzelbehandlung besonders der Falten, die um die Füße spielen, dar; sie sind, wenn auch
gebrochen, doch weicher als die an der gleichen Stelle bei der Laurentiusstatue.
Die geführten Vergleiche, besonders der mit der Deckplatte des Sierck-Grabmales,
dürften erwiesen haben, daß die Laurentiusfigur in die allernächste Nähe- zu dem für
die deutsche Plastik der Spätgotik so bedeutungsvollen Nikolaus zu stellen ist. Es bleibt
nur die Frage, ob sie nicht etwa von seiner eigenen Hand stammt.
Die Quellen berichten nichts davon, doch lassen sie die Möglichkeit zu. 1462 erfahren
wir von Nikolaus das erstemal: er signiert in diesem Jahre das erste ihm zuschreibbare
VVerk, die Deckplatte des Sierckschen Grabmales in Trier. 1463 ist er in Straßburg
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