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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Schwarz, Heinrich: Renoirs Baigneuses
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0120
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HEINRICH SCHWARZ

Werk. Allmählich nimmt die Vorstellung festere Formen an. Es ist zunächst noch nicht
das Themaundseine zahllosen Variationen, das erst viel später an Bedeutung gewinnt. Was
dem Künstler wichtig erscheint, ist das Licht im Freiraum, in der freien Natur und seine Ein-
wirkung auf die farbige Erscheinung. Und deshalb war damals die Baigneuse nicht mehr als
Modell, dem der Künstler gewissermaßen neutral und improvisierend gegenübersteht. Es
fehlt jede Festlichkeit, jedes Pathos, jede Lyrik oder Dramatik: ruhigund unbewegt, in unge-
zwungener Haltung sitzt die Frau am Ufer. Der Blick schweift in die Ferne, die Arme hängen
untätig herab. Der Vorwurf ist einfacher kaum zu denken. Er bedeutete dem Künstler
damals nicht viel. Fesselnd wird die Erscheinung erst durch die Malerei. In hellen,
duftigen Tönen erscheint die Gestalt, in Tönen, die sich nur nach ihrem Helligkeitswert
steigern. Die Landschaft, strahlender und festlicher in den Farben, umhüllt die Gestalt
und klingt mit wie die Akkorde einer Begleitung, sie fester umschließend. Alle Töne
sind verschwimmend und in schwebenden Übergängen, nirgends eine feste Abgrenzung.
Nur unbeschreiblich kühn in dieser Symphonie hauchartiger Helligkeiten das tiefe Schwarz
der Haare und der Augen. Renoir ist es nur um die malerische Verewigung des optischen
Phänomens und der farbigen Erscheinung zu tun, nicht aber um die materielle Stoff-
lichkeit. Sie ist doch gegeben: wenn auch nicht im Sinne täuschender Naturnachahmung
und Wiedergabe, sondern als Folge der optischen Vision. Farbflecken sind neben Farb-
flecken gesetzt, und erst das Auge schließt sie synthetisch wieder zur Form, die das Licht
zerstört und aufgelöst hat, und rundet den Körper. Die Ferne bleibt ungewiß, die Landschaft
verschwimmt in grünen und gelben, roten und blauen Tönen, die nur raumschaffende
Folie sind für die lichteren Farben des Körpers. Die Hände versinken im Badetuch, die
gelben und rosafarbigen Töne werden von dem Weiß umschlossen, tauchen zwischen
Armen und Schenkeln auf und dieser hellen Basis entsteigt hell und licht in strahlender
Sonne der Körper bis zum krönenden Schwarz der Haare.
In den achtziger Jahren greift Renoir das alte Thema wieder auf. Zu Ende des Jahres 1881
entstehtin Neapel die wundervolle blonde Badende und vierJahre später die Rückenfigur der
Badenden der Sammlung Durand-Ruel. Die blonde Baigneuse steht dem Wiener Früh-
bilde noch nahe. Das Motiv hat sich kaum geändert, nur die linke Hand stützt nicht mehr
den Körper, sondern liegt ruhig auf dem Oberschenkel. Auch die Stellung in der Landschaft
ist dieselbe geblieben. Aber der Naturalismus der Darstellung hat sich gemildert: die Frau
hat sich verjüngt, sie ist schöner und jugendlicher geworden, die Einmaligkeit der per-
sönlichen Erscheinung ist einem Typus nähergebracht und die Landschaft — nicht klarer als
auf dem Wiener Bild — wird durch die Badende zu Arkadien. Renoir steht der Welt
egalement pour Renoir ä la meine epoque. II a fait, notamment, d'apres elle, un magnifique torse, acquis d'abord par
Emmanuel Chabrier et qui appartient actuellement, je crois, a un amateur de Moscou. Abbildungen des Moskauer Bildes bei
Riviere nach S. 28 und bei Meier-Graefe, Renoir, München 1920, S. 79.

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