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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 9. Jahrgang: Heft 7/​8.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.69561#0161

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Von den Kunstsammlungen Prags

partements zur Folge, der sich auch heute noch
recht ungünstig auswirkt. Die Gemäldegalerie,
die in dem unweit des Rudolfinums errichteten
Neugebäude der Städtischen Zentralbücherei am
Marienplatz untergebracht worden ist, konnte
zum Beispiel deswegen bis heute noch nicht
eröffnet werden, weil die nicht erheblichen Adap-
tierungen der ohnehin für Ausstellungszwecke
geschaffenen Räume im obersten Stockwerk für
den Sonderzweck noch nicht durchgeführt worden
sind. Der »Kunstverein für Böhmen« hat sich,
so gut das eben in einem Privathaus möglich
war, neu eingerichtet (Psstrossgasse 12, nächst
dem tschechischen Nationaltheater). Daß Mängel,
insbesondere der Beleuchtung sich nicht ganz
beseitigen ließen, mußte hingenommen werden.
— Daß diese doch noch erzwungenen Über-
siedlungen vor der Zeit den Charakter eines
Kulturskandals an sich haben, muß betont werden.
Kann man sich doch der Überzeugung nicht er-
wehren, daß es zuletzt nur ein gefährlich all-
gemeiner Mangel an Kunstverständnis bei jenen
Gewaltigen der Politik gewesen ist, die in An-
gelegenheiten des Parlamentes doch das letzte
Wort gehabt haben, der für diese unwürdige Be-
handlung von Kunstwerken verantwortlich ge-
macht werden muß. Von jenen Verantwortlichen,
die Kunstverständnis nun einmal nicht besitzen,
müßte doch wenigstens die Achtung vor Werten
zu erwarten sein, die zu allen Zeiten als die
vornehmsten eines Staates oder einer Nation ge-
golten haben. Wäre wenigstens diese Achtung
da, so hätten sich auch sonst Mittel finden lassen
müssen, um einen rascheren Ausbau der staat-
lichen Kunstsammlungen zu gewährleisten. Von
1919 bis 1930 standen insgesamt sechs Millionen
Kronen, das sind knapp dreiviertel Millionen
Mark für Ankäufe zur Verfügung! Wie sehr ein
rasches und großzügiges Handeln einst als Spar-
samkeit wird gerechtfertigt werden können, ist
Kennern des Kunsthandels nicht besonders zu
begründen. Viele Gelegenheiten werden über-
haupt nicht mehr wiederkehren. — Die Staats-
galerie ist ein Institut, das zur Zeit eigentlich
nur auf dem Papiere besteht. Zum Gebäude auf
dem Südende der Kleinseite (Kampa-Insel) ist der

Grundstein schon vor Jahren gelegt worden. Die
weitgehend durchgearbeiteten Pläne Gocars harren
aber zur Zeit immer noch der Verwirklichung.
Die Erwerbungen der Staatsgalerie im ersten Jahr-
zehnt, welche solange, bis über die Eingliederung
der »Galerie patriotischer Kunstfreunde« nicht
endgültig verfügt ist, die einzigen Bestände des
neuen Institutes darstellen, waren, so weit es
sich um Erwerbungen aus Staatsmitteln handelt,
im Frühjahr 1930 ausgestellt. In einem eigenen
Aufsatz wird über diese Ausstellung berichtet
werden. Die »Gesellschaft patriotischer Kunst-
freunde« war ja schon seit 1914 außerstande,
Neuerwerbungen durchzuführen. Der Direktor
ihrer Galerie, Dr. V. Kramaf, der ehrenamtlich
auch mit der Führung der im Entstehen be-
griffenen Staatsgalerie betraut ist, hat sich durch
den Ausbau nicht nur der Abteilung Altböhmischer
Malerei und derjenigen des Böhmischen Barocks,
sondern auch durch weitgehende Berücksichti-
gung der vorher ganz vernachlässigten Plastik
sehr große Verdienste erworben. Es muß auch
die besondere Qualität und Sorgfalt der unter
seiner Leitung durchgeführten Restaurierungen
hervorgehoben werden. — Dem Gedanken der
Zentralisation folgend, der den Entwürfen zur
Errichtung einer großen Staatsgalerie zugrunde-
liegt, soll auch die »Moderne Galerie« als
örtlich und rechtlich getrenntes Institut zu be-
stehen aufhören. Hervorgegangen aus der »Mo-
dernen Galerie des Königreiches Böhmen«, die
am Anfang des 20. Jahrhunderts auf Grund einer
Stiftung Kaiser Franz Josephs errichtet worden
war, ist diese Galerie mit dem Umsturz des
Jahres 1918 auch vor erweiterte Aufgaben ge-
stellt worden: Sie soll einmal die moderne Kunst
aller Länder des neuen Staates widerspiegeln, zum
andern aber auch die Kunst der Zeit überhaupt
in Hauptwerken vorstellen. Die zeitliche Grenze
wurde auf die Wende des 18. zum 19. Jahr-
hundert vorgeschoben. Daß der Rahmen eines
derartig erweiterten Programmes im vergangenen
Jahrzehnt auch nicht in den gröbsten Zügen aus-
gefüllt werden konnte, würde auch bei wesent-
lich höheren Mitteln, als sie in der Tat zur Ver-
fügung standen, nicht verwunderlich erscheinen.
 
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