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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 9. Jahrgang: Heft 7/​8.1930

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Demmler, Theodor: Die deutschen Skulpturen der Sammlung Albert Figdor
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https://doi.org/10.11588/diglit.69561#0133

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Die deutschen Skulpturen der Sammlung Albert Figdor
Bildung der Köpfe sich ohne weiteres ergibt, und sie macht, namentlich in den Gewändern,
den Eindruck, noch älter zu sein als diese. Das Material (Nußholz) könnte auf westliche
Herkunft deuten. Die Arkadenreihe als architektonischer Unterbau der Krippe, die klare,
aber keineswegs starr durchgeführte Symmetrie der Hirten und Tierfiguren, die feine
Belebung der Hirtengestalten weisen auf einen Künstler, der in einer reichen Tradition
gestanden hat. Bei der Rekonstruktion der ersten, fast verschütteten Epoche des Schnitz-
altars mit Gruppen, die wir von der Zukunft erwarten dürfen, wird die Figdorsche Krippe
als ein besonders altes und hervorragendes Beispiel eine wichtige Rolle spielen.
Der hl. Georg, der ritterliche Drachenbezwinger, ist im späten Mittelalter als einer
der beliebtesten Schutzpatrone unzähligemal dargestellt worden. Von den Holzfiguren, die
um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert entstanden, hat Figdor sich zwei der aller-
besten zu sichern verstanden. Beide sind Standfiguren. Der eine, der aus der Lütticher
Gegend stammt (Taf. 46), besonders merkwürdig durch die wohlerhaltenen Einzelheiten
seiner reichen Rüstung, scheint über den Drachen wegzuschreiten; in Wahrheit steht er,
aber mit einer Verschränkung der Beine, die an die letzte Entwicklung des mittelalter-
lichen Geschmacks gemahnt. Der andere, aus Brixen (Taf. 47), eines der besterhaltenen
und frühesten Beispiele aus dem Süden, bildet mit dem ruhigen Standmotiv der fast par-
allelen Beine und auch in der Tracht einen merkwürdigen Gegensatz zu ihm. Dennoch
werden beide etwa gleichzeitig entstanden sein. Daß der Tiroler noch ins 14. Jahrhundert
gehört, erkennt man nicht nur an der genauen Übereinstimmung der Rüstung etwa mit
der Nürnberger Königsfigur um 1590 im Berliner Museum, sondern ebenso beim Vergleich
mit den zwanzig bis dreißig Jahre jüngeren Beispielen, die in den Museen von München,
Berlin und anderwärts nicht selten sind. Besondere Beachtung verdient der Lindwurm.
Nicht nur weil er hier einmal in ganzer Gestalt erhalten ist, sondern weil er mit seiner
breit ausladenden Bewegung einen überaus wirksamen Gegensatz zu dem steif und still
wie eine Wappenfigur stehenden Heiligen bildet: eine prachtvoll erfundene geflügelte
Eidechse von riesigem Ausmaß; der im Schmerz emporzüngelnde Hals und der geöffnete
Rachen von verblüffender Natürlichkeit.
Liegt das Charaktervolle der beiden Ritterfiguren in ihrem Reichtum an Einzelzügen,
die sich selten so unberührt erhalten haben, so überrascht bei den späteren Werken, die
vor und nach 1500 entstanden sind, immer wieder die Sicherheit, mit der Figdor mensch-
lich Interessantes in künstlerischer Form zu finden wußte. Die rheinische Frauenbüste
(Taf. 48), ebenso lebendig im Ausdruck wie in der Bewegung der Schultern, ist nur das Frag-
ment einer Statue. Aber sie gehört zu den im Rheinland nicht häufigen Stücken mit köstlich
erhaltener alter Bemalung, und eben diese verbindet sie mit einer Gruppe anderer, die seit
längerer Zeit in Museen Aufnahme gefunden haben. Die sitzende Maria der Berliner
Sammlung, die Bode schon 1886 in seiner Geschichte der deutschen Plastik farbig ab-
bildete (er hielt sie damals für schwäbisch), ist der Figdorschen ähnlich wie eine ältere
Schwester und augenscheinlich von derselben Hand. Zwei weitere Stücke in der Samm-
lung Schnütgen und in der ins Deutsche Museum in Berlin gelangten Sammlung J. Simon

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