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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 9. Jahrgang: Heft 7/​8.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.69561#0298

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Ausstellungen

DAS NEUE FRANKFURT
INTERNATIONALE MONATSSCHRIFT FÜR DIE PROBLEME KULTURELLER NEUGESTALTUNG
Herausgeber: Stadtbaurat Ernst May und Prof. Dr. Fritz Wichert, Schriftleiter: Dr. Joseph Gantner
Jeder, der sich beruflich oder aus Neigung mit den Problemen moderner
Neugestaltung befaßt, ist begeistert von der neu- und eigenartigen text-
lichen und bildlichen Behandlung des Stoffes in dieser Monatsschrift.
Der künstlerische Gestaltungswille unserer Zeit, insbesondere die zentralen
Fragen der Neuen Baukunst werden hier in fesselnder Weise an aktuellen
Beispielen behandelt.
Bezugspreis M 3.— vierteljäkrlick (3 Hegte) • Probenummer für M 1.— franko
Verlag Das Neue Frankfurt (Englert & Schlosser) Frankfurt a. M.

Vor allem aber interessiert das kunstgeschicht-
liche Moment. Wohl wußten alle, die sich je mit
der Wiener Malerei des Vormärz beschäftigten,
wie hoch in ihr speziell die Bildniskunst sich ent-
faltete, man sprach aber dabei zugleich von star-
ken englischen und französischen Einflüssen und
überging die bodenständige, aus dem Barock kom-
mende Entwicklung mit kühner Geste. Man nannte
ferner einige Namen als die Schöpfer von Spitzen-
leistungen und achtete nicht darauf, wie hoch die
Durchschnittsleistung in der Bildnis- wie in der
Landschaftsmalerei stand. Diese Residuen einer
materialistisch eingestellten Betrachtung beseitigt
diese Ausstellung aber schon sehr gründlich. Der
englische sicher vorhandene Einfluß wird hier in
jener Stärke gezeigt, wie er in allen anderen wich-
tigen gleichzeitigen europäischen Malerschulen
vorhanden war; die französische Beeinflussung er-
scheint bei dieser fast lückenlosen Darstellung der
Altwiener Bildniskunst viel schwächer, wie all-
gemein angenommen wurde, und ist auch für die
Miniaturmalerei auf ein geringes Maß beschränkt
geführt. Stark aber ist der vom österreichischen
Spätbarockherüberleitende Blutstrom. Wohl wurde
er im allgemeinen klassizistisch durchsiebt, aber
schon bald vergißt er Tendenzen und malt vor
der Natur wieder lebendige Existenz, freudige
Stofflichkeit, und dies alles mit ausgesprochen
malerischem Temperament.
Und das ist dieser Ausstellung erste Über-

raschung, zu sehen, wie die im komponierten
Bild wenig erfreulichen Klassizisten Agricola,
Grassi und Lampi vor der Natur porträtieren.
Das phänomenalste ist das kleine Bildnis, das
Agricola von seiner Frau malte, eine wunder-
volle Synthese strenger Umrißzeichnung mit blü-
hender Farbe und Stoffmalerei. Grassi ist ver-
treten mit dem sehr weichen und tonigen, for-
mal schön geschlossenen Bildnis einer Fürstin
Lichnowska. Ebenso instruktiv und rein maler-
ische Intuition zeigen die Porträts von Lampi,
besonders jenes der Baronin Perez. Zwei thema-
tisch nahe Genreszenen kontrastieren köstlich: der
innig-harte und eklektische Ludwig Schnorr
von Carolsfeld mit der »schönen Müllerin«
und der wienerich weiche, preziöse und präten-
tiöse Fendi mit der »schönen Marketenderin«.
Dann die führenden Meister mit Ölbildern
und zahlreichenMiniaturen! Daffinger moduliert
im Porträt der Frau von Arthaber das Schwarz
des Kleides in bester, rassigster Tradition, doch
das bestechendste, ein Malwerk ersten Ranges,
ist das kleine Bild seiner Frau, deren Psyche mit
eindringlicher Kraft erfaßt wurde. Hier ist ein
unmittelbarer Anschluß zu den besten Holländern
gefunden. Dies zeigt auch der andere Symphoniker
der Tonwerte, Danhauser, in der in mystisches
Licht getauchten »Frau am Spinett«, einem Bild,
von dem man bedauern muß, daß es nicht in
Paris oder wenigstens in Berlin entstanden ist,

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