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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 9. Jahrgang: Heft 7/​8.1930

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Pazaurek, Gustav Edmund: Mittelalterlicher Edelsteinschliff [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69561#0344

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Gustav E. Pazaurek

und in der Biedermeierzeit bei der Glasveredlung zu größerer Bedeutung gelangte — bilden
hier einen recht problematischen Schmuck; sie scheinen eher einer Verlegenheit, um einen
Material- oder Arbeitsfehler zu beseitigen, ihre Entstehung zu verdanken. Das zweite, auch
nicht burgundische Stück mit Kugelungen ist ein aus vier Krystallteilen bestehender spät-
gotischer Doppelbecher im Besiz des badischen Herrscherhauses, früher im Zähringer
Museum von Karlsruhe, heute im Schloß von Baden-Baden (Taf. 129/1)1. Der kleinere
obere Teil zeigt glatte Schraubenfacetten; auf den Vertikalfacetten des Hauptteiles sieht
man aber schon zwei Reihen regelmäßiger Kugelungen. Dieses Objekt gilt als eine Schen-
kung des Kaisers Friedrich III. an Johann von Staab von 1487 und dürfte im vorderöster-
reichischen Freiburg gemacht worden sein.
Die regelmäßigen Kugelungen als Facettenschmuck sind in Burgund offenbar recht
lange beliebt gewesen, wie auch verschiedene Gemälde beweisen. In erster Reihe kommt
hier das auch sonst kulturgeschichtlich bedeutsame Louvrebild von Quinten Massys (zirka
1460—1550), der Bankier und seine Frau, in Betracht, wo unter anderen kostbaren Pfändern
links unten ein noch halb gotisch montierter Bergkrystallpokal (Taf. 129/2) zu sehen ist, der
auf jeder Facette des Deckels zwei Kugelungen übereinander und auf jeder Facette des
zylindrischen Körpers je eine Kugelung oben und unten zeigt, also gegenüber dem Bur-
gundischen Hofbecher die beiden mittleren Reihen der Konkavlinsen weggelassen hat.
Drei Reihen von Kugelungen hat dagegen ein nur aus drei Krystallteilen bestehender
kupfermontierter, leicht konischer Facetten-Fußbecher des Museums von Lyon2, der uns —
wenigstens jetzt — in einer Renaissancefassung vorliegt (Taf. 1 29/5).
Nach Deutschland scheinen — abgesehen von den Stücken, die die Habsburger aus
der burgundischen Erbschaft bekamen — nicht viele burgundische Krystallobjekte gelangt
zu sein, zumal hier bereits neben Wien oder Nürnberg schon im 15. Jahrhundert eine
Reihe von Schleifmühlen für Edelsteine im Gang ist, namentlich im vorderösterreichischen
Freiburg i. B., die gerade ihrer Beziehung zum Erzhaus, dem der Breisgau mit geringen
Unterbrechungen bis 1805 gehörte, ihr rasches Aufblühen und ihre bisher in der Kunst-
geschichte der Spätgotik wie der Renaissance noch fast gar nicht gewürdigte Bedeutung
verdankten. Der geradezu staunenswerte Umfang dieser Produktion im späteren Mittel-
alter ist uns bekannt3, aber wie — abgesehen von den zahlreichen Paternosterkugeln und
ähnlichen nur durchbohrten Arbeiten — die Gefäße ausgesehen haben, erfahren wir nur
in den seltensten Fällen, da weitaus die meisten Stücke, nach Zeichnungen auswärtiger
Besteller geschliffen, an anderen Orten ihre Montierung erhalten haben und nur die
wenigsten in Freiburg selbst auch durch dortige Silberarbeiter gefaßt worden sind, die
1 Abgebildet im Werk Alte kunstgewerbliche Arbeiten auf der badischen Kunst- und Kunstgewerbeaus-
stellung zu Karlsrulae, 1881. 2 Abb. in L'art pour tons 1906, Tafel 52, links. 3 Dr. Elsbeth Schragmüller,
Die Bruderschaft der Borer und Balierer von Freiburg und Waldkirch (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der
badischen Hochschule, N. F. Heft 50), Karlsruhe 1914; die Bohrer und Polierer wurden auch schon vorher von
Gothein in der Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes, Straßburg 1892, behandelt, desgleichen die Granat-
schleiferei im Breisgau von 0. von Eisengrein in »Schauinsland« V, 1878, S. 50, wonach Marc Rosenberg XIX,
S. 46 ff. die Freiburger Goldschmiede behandelt.

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