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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 9. Jahrgang: Heft 7/​8.1930

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Alpatoff, M.: Eine byzantinische Reliefikone des hl. Demetrios in Moskau
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https://doi.org/10.11588/diglit.69561#0074

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M. Alpatoß

Körperlinie) wiederholt. Diese eigenartige Gestaltung des Rahmens betont das Emporsteigen
(und nicht die Rechtsbewegung) der Figurengruppe. Diese Vertikalität hat aber nicht den
Wert einer unbegrenzten Kraftanstrengung, die in der Gotik die menschliche Gestalt als
etwas Dazugekommenes durchdringt, sondern den Wert eines innerlich wirkenden Prinzips
eines Gestaltungsprinzips, das das Bild nach den Grundrichtungen eines frontal stehenden
Menschenkörpers umwandelt. Dies letztere kann deswegen behauptet werden, da auch ein
Mensch das Rechte und Linke gleich hat, wogegen das Obere und Untere differenziert sind.
Hat doch dieser Rahmen etwas Anthropomorphes darin, daß er ursprünglich auf einen ein-
tretenden (beziehungsweise einschauenden) Menschen berechnet ist, dessen Kopf in der
Rundheit des Bodens wiederholt wird.
Haben wir soeben die Differenz all der vier Rahmenlinien behandelt, so ist jetzt auf
ihre Verwandtschaft zu verweisen. Sie besteht darin, daß sie nirgends vom Körper berührt
werden und durch einen schmalen Streifen von ihm getrennt sind. Am auffälligsten ist
dies unten, während der obere Rand wegen falscher Anbringung des Rahmens etwas ent-
stellt ist. Ein Blick auf das florentinische Relief erklärt, worum es sich handelt, denn dort
ist die Vertikalität so stark ausgedrückt, daß über dem Haupt des Heiligen viel freier Raum
bleibt, wogegen der hl. Demetrios von allen Seiten luftumweht zu sein scheint. Diese Luft
ist aber von einer ganz besonderen Qualität, was sich schon darin äußert, daß sie die Körper
von dem Boden fernhalten kann. Und dies ist von größter Bedeutung. Denn dadurch wird
der Rahmen (gegenüber dem im Bargello, wo sein unterer Teil den Sinn des Bodens hat)
sowohl wie der heftige Schritt des Pferdes in sonderbarem Sinne spiritualisiert, ein Kunst-
griff, dem in byzantinischen Mosaiken dieser Epoche der Goldgrund entspricht. Den Gang
der Umgestaltung des Bildes, der Darstellung des Reiters könnte man ganz schematisch
(und ohne Anspruch auf zeitliche Folgemäßigkeit) in drei Stufen darstellen, von denen die
zweite das naturalistische Bild zu einem nach Analogie mit dem menschlichen Körper
gestalteten Gebilde umformt, die dritte aber nocli weiter drängt und alles Körperliche, das
an einem stehenden Menschen vorhanden ist, entkräftet und den Schwerpunkt auf eine
solche Komposition verlegt, die nichts mit dem Boden und Senkrechten zu tun hat, sondern
gleich einem Seestern als ein Zentrum mit hervortretenden Gliedern sich entfaltet.
Diese Komposition und diese Räumlichkeit werden durcli den später hinzugefügten
Rahmen bekräftigt. Man sollte eigentlicli diese ziemlicli grobe Arbeit beiseite lassen1. Sie
ist aber trotz ungeschickter Ausführung von rührend intuitivem Verständnis des blindlings
verehrten Bildes erfüllt. Das, was wir mit Hilfe von Begriffen sagen, ist hier in dem »Werk«
ausgesprochen. Denn die Verteilung der Bildchen entfaltet die der mittleren Komposition
innewohnenden Kräfte — die Gleichheit des Rechts und Links, die Differenz von oben
und unten (oben das gebundene Bild der Deisis, unten eine ruhige Reihung dreier Mär-
tyrer) und gleichzeitig die Entwicklung aus dem Zentrum mit drei Bildchen in jeder
Richtung. Die ursprüngliche Idee des Schöpfers lebt weiter wie in manchen Umbildungen
alter Bauten, in denen sich zuweilen der kaum entwickelte Kern zu einer Blüte entfaltet.
1 Ähnliche Rahmen bei Kondakiw, Mazedonien, 1908, und Kunstdenkm. des Athos, S. 115 und Taf. XII.


 
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