VON DEM
EINFLÜSSE der PFLANZEN auf die ZERSTÖRUNG der RUINEN.
VON
JOSEPH SCHEIGER.
Wenn man die feindselige Vorsicht betrachtet, mit der im gemeinen Leben die Pflanzenwelt beinahe
überall ausgerottet wird, wo sie ungerufen auf Erzeugnissen der menschlichen Arbeit erscheint — so z. B. das
Moos auf Dachrinnen, der Schimmel und Schwamm vom Holzwerke überhaupt, ja sogar das zwischen den
Ritzen des oft ziemlich kunstlosen Pflasters entspriessende Gras — so möchte man glauben, der Vorwurf dieser
Zeilen sei ein ziemlich müssiger und betreffe eine res judicata.
Wenn wir dagegen die Sorgfalt sehen, mit der an manchen Landhäusern, Gartengebäuden u. s. w.
Pflanzen grösserer Art, namentlich Wein und Epheu, so nahe als möglich an der Mauer liebreich gepflegt
werden, so kann wohl ein leiser Zweifel entstehen, ob die gedachte Feindseligkeit auch gerechtfertigt
erscheine.
Wenn wir endlich in unsern älteren, verlassenen Bauten, namentlich in und auf unsern Burg- und Kir-
chenruinen undurchdringliches Gewirre von Sträuchern und Schlingpflanzen, ganze kleine Wäldchen und zum
Theile hochstämmige Bäume finden, und bemerken, dass diese üppige Vegetation selbst bei sogenannten „Er-
haltungs- und Restaurationsarbeiten" sorgfältig geschont werde, so dürfte der Gegenstand um so weniger als
gänzlich ausgemacht, sondern einer kleinen Erörterung werth erscheinen.
Mit den modernen Land- und Gartenhäusern u. s. w. habe ich es hier durchaus nicht zu thun. Es ist
Sache des Besitzers, sich durch Weinhecken oder was immer für Pflanzen Licht und Luft mehr oder weni-
ger rauben zu lassen, allerlei Insecten zum häufigeren Besuch einzuladen, dem Gemäuer mehr oder weniger
gedeihliche Feuchtigkeit zuzuführen, und an die Verbesserung der Gesundheit in so ausgestatteten Wohnungen
zu glauben.
Neueren Gebäuden, welche nicht zu Wohnungen bestimmt sind, namentlich den künstlichen Ruinen
(unschätzbare Erfindung der Neuzeit) gönne ich sogar ganz unbedenklich diesen malerischen Schmuck, beson-
II. Bd.
1
EINFLÜSSE der PFLANZEN auf die ZERSTÖRUNG der RUINEN.
VON
JOSEPH SCHEIGER.
Wenn man die feindselige Vorsicht betrachtet, mit der im gemeinen Leben die Pflanzenwelt beinahe
überall ausgerottet wird, wo sie ungerufen auf Erzeugnissen der menschlichen Arbeit erscheint — so z. B. das
Moos auf Dachrinnen, der Schimmel und Schwamm vom Holzwerke überhaupt, ja sogar das zwischen den
Ritzen des oft ziemlich kunstlosen Pflasters entspriessende Gras — so möchte man glauben, der Vorwurf dieser
Zeilen sei ein ziemlich müssiger und betreffe eine res judicata.
Wenn wir dagegen die Sorgfalt sehen, mit der an manchen Landhäusern, Gartengebäuden u. s. w.
Pflanzen grösserer Art, namentlich Wein und Epheu, so nahe als möglich an der Mauer liebreich gepflegt
werden, so kann wohl ein leiser Zweifel entstehen, ob die gedachte Feindseligkeit auch gerechtfertigt
erscheine.
Wenn wir endlich in unsern älteren, verlassenen Bauten, namentlich in und auf unsern Burg- und Kir-
chenruinen undurchdringliches Gewirre von Sträuchern und Schlingpflanzen, ganze kleine Wäldchen und zum
Theile hochstämmige Bäume finden, und bemerken, dass diese üppige Vegetation selbst bei sogenannten „Er-
haltungs- und Restaurationsarbeiten" sorgfältig geschont werde, so dürfte der Gegenstand um so weniger als
gänzlich ausgemacht, sondern einer kleinen Erörterung werth erscheinen.
Mit den modernen Land- und Gartenhäusern u. s. w. habe ich es hier durchaus nicht zu thun. Es ist
Sache des Besitzers, sich durch Weinhecken oder was immer für Pflanzen Licht und Luft mehr oder weni-
ger rauben zu lassen, allerlei Insecten zum häufigeren Besuch einzuladen, dem Gemäuer mehr oder weniger
gedeihliche Feuchtigkeit zuzuführen, und an die Verbesserung der Gesundheit in so ausgestatteten Wohnungen
zu glauben.
Neueren Gebäuden, welche nicht zu Wohnungen bestimmt sind, namentlich den künstlichen Ruinen
(unschätzbare Erfindung der Neuzeit) gönne ich sogar ganz unbedenklich diesen malerischen Schmuck, beson-
II. Bd.
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