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Altertumsverein zu Wien [Editor]
Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien — 2.1857

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Widter, Anton: Über den Zustand der alten Grabdenkmale in Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.70121#0308

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ÜBER DEN

ZUSTAND DER ALTEN GRABDENKMALE IN ÖSTERREICH.
VON
A. WIDTER.

Ich bin nicht der erste, der seine Stimme erhebt über den Zustand der für Kunst und Geschichte so
merkwürdigen alten Grabdenkmale in unserem Vaterlande*), ich möchte auch nicht der letzte sein;
denn es wird noch viel des Ermahnens bedürfen, bis diese alte Schuld nur theilweise in unseren Sünden-
Registern gegen die Vergangenheit getilgt erscheint. Einiges ist zwar für die Erhaltung dieser wichtigen
Monumente schon geschehen, aber viel zu wenig im Vergleiche zu dem, was noch nöthig ist. Es fehlt im
Allgemeinen noch die Achtung, die man diesen Gegenständen schuldig ist, als Denkmalen, welche für Ge•
schichte, Heraldik, Genealogie, Trachtenkunde, Biographie u. s. w. von hoher Wichtigkeit, ja für die
Specialforschung nicht selten die alleinige Quelle sind. Beim grossen Haufen haben sie leider nur zuoft in-
soferne ein Interesse, als sie zu oft wiederholten Märchen passen, die an verschiedenen Orten eine sehr
verdächtige Aehnlichkeit mit einander haben, und in ihrer natürlichen Lösung sich selten so gut ausnehmen,
als in dem phantastischen Kleide des Mysticismns.
Ein Volk, welches die Denkmale seiner Geschichte ehrt und erhält, ehrt und erhält sich dadurch
nur selbst; es gesteht aber seine Unwissenheit und Lauheit an Vaterlanndsliebe offen ein, wenn es die-
selben gleichgültig zerstören oder zu Grunde gehen lässt. Leider ist des letzteren bereits zuviel geschehen;
man zähle zusammen, was seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, so zu sagen vor unseren Augen an
solchen Denkmalen zerschlagen, zertreten, vermauerl und verpflastert wurde, und zumeist so ganz ohne
Noth! Solchem Vandalismus liegt seltener böser Wille zu Grunde, als wie gesagt, Unwissenheit,
Gleichg iltigkeit und eine daraus entspringende üble Gewohnheit einseitiger Abschätzung des Werthes solcher
Monumente. Man würde an vielen Orten einen gewaltigen Lärm schlagen, wenn der Grabstein eines ganz
obscuren, gemeinen, römischen Soldaten als Pflasterstein verwendet würde, während man die marmorne
Grabplatte des Stifters oder Wohlthäters eines Gotteshauses, ja selbst die Tumben fürstlicher Personen,
deren segensreiches Wirken in der Geschichte unseres Vaterlandes verherrlicht ist, unbekümmert zu Grunde
gehen, ohne Bedenken als blosses Materiale verwenden lässt. Es ist dadurch schon soviel zerstört worden,
dass es bereits höchste Zeit ist, dagegen wirksam aufzutreten, wenn nicht das noch Übrige auf eben so
leichtsinnige Art verloren gehen soll. Ich erlaube mir nur auf einiges, zum Theile schon Bekanntes hinzu-

*) So namentlich öfter in diesen „Berichten und Mittheilungen" z. B. I., 214 u. s. w.; insbesondere Bergmann: „Über
den Werth von Grabdenkmalen und ihrer Inschriften" in den „Mittheilungen der k. k. Central-Commission" IL, 141 ff.
 
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