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Altertumsverein zu Wien [Editor]
Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien — 4.1860

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Dritte Abtheilung. Figurale Darstellungen und Erläuterung ihres typologischen Inhaltes
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https://doi.org/10.11588/diglit.70120#0061
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Dritte Abtheilung.

Figurale Darstellungen und Erläuterung ihres typologischen Inhaltes.
Bevor wir an die Beschreibung der einzelnen typologischen Gruppen unseres Altarwerkes schreiten
und den geistigen Zusammenhang derselben an der Hand der Kirchenschriftsteller darzulegen versuchen,
scheint es gebothen zu sein, mit einigen Worten jene leitenden Grundgedanken ins Auge zu fassen, aus
welchen sich diese Bilderreihen entwickelten, und die verschiedenen typologischen Bilderkreise nachzu-
weisen, die im Verlaufe des Mittelalters auf dem Gebiete der Kunst zur Geltung kamen und auf welche
wir zur Erklärung unserer Darstellungen wiederholt werden zurückkommen müssen.
Im Allgemeinen lässt sich behaupten, dass derselbe Gedanke der Vergeistigung des Stoffes und
seiner Dienstbarmachung für die Zwecke der Kirche, welchen wir in der reichen Fülle symbolischer
Schöpfungen des Mittelalters ausgeprägt finden, auch der Auffassung der alttestarnentliehen Bege-
benheiten und ihren Beziehungen zum neuen Bunde zu Grunde gelegt wurde. Wie in den Bildungen
der Natur und in ihren Aeusserungen eine höhere Wahrheit des Glaubens zum Theile verschleiert und
getrübt zur Anschauung kommt, so tritt diess im erhöhten Grade mit den Begebenheiten des alten Testa-
mentes ein. Zwischen diesem und dem neuen Testamente wird ein völliger Parallelismus hergestellt, im
alten Testamente sind die Vorbilder dessen ausgeprägt, was im neuen Bunde als vollendete Wahrheit
auftritt. Neben den prophetischen Aussprüchen, welche auf die Erfüllung in dem neuen Bunde hinweisen,
erscheinen die Begebenheiten des alten Bundes, welche nicht an und für sich von Bedeutung sind, son-
dern nur insoferne, als sie eine Thatsache, eine Wahrheit des neuen Bundes, wenn auch in verschleierter
Weise vorbilden. Dieser typologischen Auffassung begegnen wir schon in den Schriften der Väter der
Kirche aus den ersten Jahrhunderten '), wie auch bereits in den Bildern der Katakomben Roms sich ver-
einzelte Spuren daran nachweisen lassen2). Chrysostomus, der im IV. Jahrhunderte lebte, fasste
das Wesen dieser Gegenüberstellung alt- und neutestamentlicher Begebenheiten bereits in durchdachter

i) Bereits der „Clavis Melitonis" (Pitra: Spieil. Solesm. II und III) enthält die Grundlagen aller späteren Typo-
logien; eine reiche Fülle derselben ergiebt sich aus des Justinus Martyr: Dialogus cum Tryphone (G a11andus
Bibl. vel. Patr. Tom. I.), auch die Schriften der Kirchenväter S. S. Augustinus (de civitate Dei, insbesondere
seine Serimones te tempore), Chrysostomus, Cyprianus, Gregorius M., Tertullianus u. a. m. entwickeln
in sinnvoller Weise die Bezüge des alten Testaments zum neuen — die Scholastiker endlich (XI—XIII. Jahrhun-
dert) gehen in ihren Comentarien zu den Schriften des alten Testaments vorzugsweise von typologischen Grundlagen
aus und entwickeln von diesen aus einen künstlichen Aufbau von Bezügen der reichsten Art.

2) Vergl. Kreuser: Christl. Kirchenbau. II. 234. Anmerkung 3.
IV.4
 
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