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Bernoulli, Johann Jacob
Aphrodite: ein Baustein zur griechischen Kunstmythologie — Leipzig, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.5137#0261

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248 XV. Die das Gewand vor dem Schooss haltende Aphrodite.

in welchem Fall die Venus der' Ermitage sowohl als die mediceische
schon nur bedingter Massen Originale genannt werden könnten, indem
der ihnen eigenthümliche Typus der Hauptsache nach bereits erfunden
war. Aber auch wenn das Original des jugendlichen Typus wirklich
den Delphin hatte, stehen der Ursprünglichkeit der mediceischen und
der Petersburger Statue gewichtige Bedenken entgegen; der medi-
ceischen, weil ihr das Vorbild der Dresdner und wahrscheinlich auch
die Petersburger vorangegangen; der Petersburger aber, weil der um
einen Stamm gewundene Delphin offenbar bloss eine spätere Modifi-
cation des freistehenden ist, wenigstens von einem originellen Künstler
schwerlich an die Stelle des Badegefässes gesetzt worden wäre. ■— Wie dem
sein mag, nachdem einmal beide Zugaben erfunden waren, blieb den
reproducierenden Künstlern sowohl der Grad der Formenentwicklung
als die Wahl des Beiwerks überlassen, und je nach der Liebe und Be-
geisterung, mit der sie sich an ihre Aufgabe machten, war es möglich,
auch das bereits gegebene Motiv mit dem Reiz der Originalität zu be-
kleiden, wie ja Aehnliches in allen Gebieten der Kunst vorkommt. Als
dergleichen secundäre Originale möchten wir die mediceische Venus und,
wenn die zu Grunde gelegten Beurtheilungen richtig sind, die der Er-
mitage und die zu Madrid betrachtet sehen.

XV. CAPITEL.
Die das Gewand vor dem Schooss haltende Aphrodite.

Parallel mit den im vorigen Capitel behandelten nackten läuft nun
eine andere Reihe von Statuen, wo die bei der knidischen im Sinken
begriffene, bei der capitolinischen bereits gesunkene Gewandung wieder
mehr betont und wenn auch nicht als Hülle, doch als Drapierung in
dieser oder jener Weise um den Körper gelegt ist, ohne dass dadurch
der Charakter der badenden und der sich ihrer Nacktheit bewussten,
daher Brust und Schooss deckenden Göttin wesentlich verändert wäre.
Nur insofern erscheint das Grundmotiv modificiert, als erstlich wegen
der theilweisen Verhüllung das Schamgefühl weniger intensiv hervortritt,
und zweitens die linke Hand ebensowohl zum Halten des Gewandes als
zu der bisweilen jetzt fast überflüssigen Deckung der Scham verwen-
det ist.
 
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