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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0376
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Angebl. Statue im Louvre. Büste im Capitol etc. 363

Museum (Rom. Gall. Nr. 13, abg. Anc. Marbles X. 7) vielleicht eine
Wiederholung ist, scheint ihren Namen, obgleich ich es nirgends aus-
gesprochen finde, hauptsächlich der Eigentümlichkeit zu verdanken,
dass sie etwas stärker decolletiert ist, als es bei den römischen Damen
ihrer Zeit Sitte war. Bottari oder wer die Bezeichnung zuerst auf-
brachte, wird dies als eine Andeutung weiblicher Schamlosigkeit be-
trachtet haben, zu welcher Auffassung er sich um so eher berechtigt
glauben konnte, als auch die kunstreiche und kokette Haartracht und,
wenn man will, selbst der Ausdruck des Gesichts etwas Courtisanen-
artiges haben. Die Stirnhaare sind verschnitten und fallen in regel-
mässigen kurzen Spirallocken nach vorn; darüber läuft an der Stelle
des Kranzes eine dreifache Reihe aus Bändern angeordneter Schleifen.
Am Hinterkopf ist das Haar künstlich gewellt, abwärts laufende Hohl-
kehlen bildend, welche in. einen Zopf von Ringellocken endigen. In
Ausdruck und Formen mag ein nach Verwandtschaftszügen spähendes
Auge Anklänge an Marc Anton, den Urgrossvater der Messalina er-
kennen. — Allein bei alle dem entspricht der Kopf den Vorstellungen,
die wir uns von der ihre Reize feil bietenden Kaiserin machen, nicht
besonders. Denn grade die Reize erscheinen massig; das Gesicht ist
breit, die Formen aufgedunsen. Etwas schönere Contoure und einen
anmutigeren Ausdruck zeigt das Exemplar des brit. Museums, das zur
Zeit Bottari's noch unbekannt war. Aber hier hat man überhaupt
keinen Grund mehr, auf eine Person wie Messalina zu raten, da die
Büste mit dem Gewandausschnitt neu, d. h. nach der capitolinischen
ergänzt, und die Schleifenkrone bei sonst gleichem.Schema weniger
pomphaft behandelt ist. In Bezug auf den Kopfputz ist zu bemerken,
dass nichts Positives vorliegt, was uns veranlassen könnte, ihn als
eine specielle Mode der elaudischen Zeit anzusehen. Wohl aber
treffen wir ihn in Verbindung mit einer in flavischer Zeit aufkom-
menden Frisur, z. B. bei der Schleierbüste des vaticanischen Büsten-
zimmers Nr. 306 (früher 290); ein Umstand, der mir in viel stärkerem
Masse gegen Messalina, als die Decolletierung für sie zu sprechen
scheint.

Die sogg. Messalinaköpfe der Villa Albani (oben p. 184, Nr. 13),
des Museo Torlonia (p. 185, Nr. 18), des Cabinet des me-
dailles (p. 191, Nr. 46) sind alles Bildnisse des elaudischen Zeitalters;
der der V. Albani von besonders sympathischen Zügen, mit zierlich
geflochtenem (statt gekräuseltem) Seitenhaar; die beiden anderen eher
von stolzem, energischem Typus, mit Haartracht der Agrippinen. Wer
sich die Kaiserin in einer von diesen Büsten vorstellen mag, dem kann
man nicht viel entgegenhalten. Aber er thut es auf seine eigene Ver-
antwortlichkeit ; denn von Begründung ist bei keiner derselben die Rede.


 
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