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Südwest

NIELPREIS 15 PFENNIG / MÜNCHEN. 7. FEBRUAR 1942 / 10. JAH

ANG / FOLGE 3

Die geistigen Grundlagen
des japanischen Sieges

Von Sh/n Sakuma, Kaiserlich Japanischer Gesandter in Berlin

In Japan faßt man die verschiedenen Tugend-
lehren und sonstigen Lebensregeln in Form
eines einunddreißigsilbigen Gedichts (Wa-ka)
oder in anderen Gedichten oder in gedichtähn-
lichen Sprüchen zusammen, und jedermann
wiederholt diese Gedichte und sonstigen Sprü-
che sehr oft als Motto für seinen eigenen Le-
benswandel, um sie sich auf diese Weise ein-
zuprägen. Unter diesen Gedichten und Sprü-
chen ist eines der bekanntesten und bedeutsam-
sten das folgende:

„Kokoro dani Makoto — no — Michi nl
kanainaba inorazu totemo Kami ya moruran."

Wörtlich auf deutsch übersetzt bedeutet es
ungefähr:

Wenn deine Seele nur den Weg des „Ma-
koto" innehält, so wird der Gott dir helfen,
ohne daß du zu ihm betest.

Man kann auch ungefähr so übersetzen:
Wenn dein Gewissen rein und fleckenlos ist,
so wird der Gott dir helfen, ohne daß du zu
'hm betest.

r*^.- r,-,r ^ ^v,~ "Wq- V1«Vnio" T'^^n Tirnog-
licn aul deutsch übersetzt werden: mah kann
es ungefähr wiedergeben mit „Aufrichtigkeit",
„Ehrlichkeit", und „Wahrheit".

Die urjapanische Tugend besteht nach dem
Worte des Jimmu-Tennö, des ersten Kaisers von
Japan, im Gerechtigkeit-Pflegen, im Freude-
auf-Freude-Setzen und im Glanz-auf-Glanz-Häu-
fen. Mit anderen Worten gesagt besteht die ur-
japanische Tugend einerseits in dem Zustand
der Seele und des Körpers, die sowohl rein und
fleckenlos (die Gerechtigkeit) als auch mit
Freude und Glanz erfüllt sind, anderseits in
dem Immerweitergedeihen (Pflegen, Aufein-
andersetzen und Aufeinanderhäufen). Das Wort
Makoto deckt diese ganzen urjapanischen Tu-
gendbegriffe. Damit ein Mensch den Weg des
Makoto beschreite, müssen seine Seele und
sein Körper sowohl rein und fleckenlos wie
auch mit Freude und Glanz erfüllt sein, und
gleichzeitig müssen diese Reinheit und Flecken-
losigkeit sowie Freude und Glanz immer voll-
kommener werden. Wer den Weg des Makoto
beschreitet, der hat nichts zu fürchten, gewinnt
daher Selbstvertrauen und darf gleichzeitig
auf Hilfe durch Gott rechnen. Was hier vom
Individuum gesagt wird, gilt auch für das Volk
und für den Staat.

Als vor etwa 700 Jahren der Kaiser des Groß-
mongolischen Reiches, ein Enkel des bekann-
ten Dschingis Chan, ohne jeden Grund Japan
zu einem Vasallenstaat machen wollte, und als
Japan selbstverständlich seine Forderungen ab-
lehnte, da schickte er ein für die damalige Zeit
riesiges Heer von mehr als 100 000 Mann nach
Japan. Aber ganz Japan war einig in der Ab-
wehr und kämpfte tapfer an der Nordküste der
Insel Kyüshyü. Inzwischen kam die große Hilfe
vom Himmel: ein gewaltiger Taifun versenkte
die ganze mongolische Flotte, und es wird in
der Geschichte berichtet, daß nur drei mongo-
lische Soldaten in ihre Heimat zurückkehren
und dem Mongolenherrscher berichten konnten,
daß Japan unbesiegbar sei. Dieser Taifun, der
Japan vor dem Mongoieneinfall bewahrte, wird
„Gottes-Wind" von Ise genannt. Ise ist eine
Stadt, in der der Große Schrein der Sonnen-
göttin Amaterasu-Omikami steht. Die Japaner
glauben, daß jedesmal, wenn Japan in eine
große Not gerät, ein „Gottes-Wind" Japan, das
Land der aufgehenden Sonne, und , das Volk
schützen wird.

Im Heiligen Krieg

Die Japaner nennen den Chinakonflikt
oder den Kampt gegen das Tschiangkaischek-
Regime einen Heiligen Krieg, weil sie
diesen Krieg nicht aus eigennützigen, materiellen
Beweggründen, sondern für die Errichtung der,
Neuordnung im großostasiatischen Raum füh-
ren. Wir kämpfen nicht gegen das Tschiangkai-
schek-Regime, um chinesisches Gebiet zu
annektieren oder um die Chinesen zu unter-
drücken und auszubeuten, sondern um durch
die Schaffung der Neuordnung das gemein-
schaftliche Gedeihen aller in dem großost-
asiatischen Raum lebenden Völker zu reali-
sieren. Das ist eine Etappe auf dem Wege der
urjapanischen Tugend des Immerweiter-
gedeihens auf der Basis der großen Gerechtig-

Gedankenaustausch zweier Nationen

Aufn.: H. F. Engel

Geleitwort
des Kaiserlich Japanischen Botschafters
General Oshima für die „Bewegung"

Deutschland und Japan stehen heute mit Italien und den
anderen verbündeten Staaten in einem gemeinsamen Schick-
salskampf zusammen. Es besteht kein Zweifel mehr, dafj der
Endsieg auf unserer Seite steht. Aber nach diesem Sieg müssen
wir für den Aufbau der neuen Weltordnung weiterarbeiten.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dafj wir, Deutsche und Japaner,
I zu diesem Zweck fortgesetzt auf politischem, militärischem und

wirtschaftlichem Gebiet eng zusammenarbeiten. Aber zugleich

mufj das Verständnis zwischen den Völkern und besonders
I zwischen unserer Jugend immer tiefer gestaltet werden.

Ich freue mich sehr darüber, dafj ich von unseren japa-
| nischen Akademikern gehört habe, es bestehe zwischen unseren

beiden Völkern eine gemeinsame geistige Haltung. Dies gibt mir
| die feste Zuversicht, dafj die Zusammenarbeit zwischen den
i beiden Nationen auf lange Jahre
| hinaus dauern und beiden Seiten
| zum Segen gereichen wird.

^iiiiniiiiiiiiiitiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiititiiiiii'»itiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiiniiiiiiiiimiitimiiiiiiiitiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiitittiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiimiiiiiitir

keit (Reinheit und Fleckenlosigkeit, verbunden
mit Freude und Glanz). Die Japaner haben
einen besonderen Charakter: einig, tapfer,
stark, energisch und begeistert können sie nur
dann handeln, wenn es um eine gute Sache
geht, von deren Gerechtigkeit sie völlig über-
zeugt sind.

So ist auch dieser Krieg gegen die USA.
und England, von den Japanern aus ge-
sehen, gleichfalls ein Heiliger Krieg, und aus
dieser Quelle sprudelt der feste Glaube an den
Endsieg hervor, und auch die Gnade des Him-
mels wird unfehlbar mit Japan sein.

Die Zeitungen schilderten in einem eingehen-
den Bericht aus Tokio die Einleitung der Schlacht
von Hawai. Danach war der Anflug der japa-
nischen Flieger durch eine dichte, schwere
Wolke gedeckt, so daß der Anflug unbemerkt
vom Feinde erfolgen konnte. Erst als das Flug-
geschwader direkt über dem Kriegshafen Pearl
Harbour auf Hawai war, riß die Wolkendecke,

Angriff auf dieäamenkanTschi^fazifikt!otte gan?
plötzlich und ohne nennenswerte Verluste
durchführen und so diese Flotte praktisch ver-
nichten, Auch das ist ein Fall, in welchem „Got-
tes-Wind" Japan geholfen hat,

Tradition und Gegenwart

Es gibt aber noch andere japanische goldene
Sprüche: „Isogazuba nurezaramashio Tabibito
no atoyori haruru Noji no Murasame."
Auf deutsch heißt das ungefähr:
Wenn der Wanderer nicht voll ungeduldiger

Eile

Das Gasthaus verlassen hätte, wäre er nicht

naß geworden:
Nicht lange nach seinem Aufbruch,
Als er mitten auf dem Feldweg war,
War der Gewitterregen vorbei!
Zu vergleichen sind diese Zeilen etwa mit
den deutschen Sprüchen: „Eile mit Weile", oder
„Alles hat seine Zeit", oder „Die Zeit bringt
Rosen." Der Sinn dieses japanischen Spruches,
daß nichts überhastet geschehen soll, wenn
etwas geplant ist, sondern nach reiflicher
Überlegung und mit Vorsicht, ist sehr bekannt.
In Befolgung dieses Sprichwortes aber hat die
japanische Regierung eine fast als Feigheit, Un-
entschlossenheit und Schwäche auszulegende
Geduld gezeigt, ehe sie zum Kriege gegen die
USA. und England schritt. Natürlich ist es
selbstverständlich, daß die japanische Regie-
rung die Sache mit größter Umsicht und Sorg-
falt überlegt hat, und erst, nachdem die Si-
tuation völlig reif geworden war, zum Krieg
geschritten ist, da hier das Schicksal der ge-
samten japanischen Nation für die nächsten
1000 Jahre auf dem Spiel stand.

Ein anderer japanischer Spruch heißt: „Furia-
guru Tachi no Shita koso Jigoku nare, Tobi-
konde miyo Gokuraku ga ari!"
Auf deutsch übersetzt würde das etwa lauten:
Unter dem Schwert, mit dem der Feind
Zum Schlage ausholt, ist die Hölle;
Springst du aber mutig hinein,
Findest du dort das Paradiesl
Schillers Verse:

Und setzt ihr nicht das Leben ein,

Nie wird euch das Leben gewonnen sein!

geben den Sinn des japanischen Spruchs ziem-
lich gut wieder. Man kann hierzu auch die
deutschen Wendungen vergleichen: „Dem Mu-
tigen gehört die Welt", oder: „Dem Tapferen
hilft das Glück."

Nach der bekannten alten Ritterfechtkunst-
Schule Yagyü, die von dem sehr berühmten
Meister und Lehrer der Ritterfechtkunst für
den Tokugawa-Shögun, Yagyü-Tajima-no-Kami,
gegründet war, darf .der Fechter nicht denken,
er könne den Gegner töten, ohne selbst
verwundet oder getötet zu werden. Das
tiefste Geheimnis der Ritterfechtkunst, das das
ideale Ziel des Trainings ist, liegt nach der
Yagyü-Schule in dem Grundsatz: Gleichzeitiger
Tod beider kämpfenden Gegner. Wenn man
immer nur bestrebt bleibt, sich selbst in Sicher-
heit zu halten, kann man nie über den Feind
siegen. Erst wenn man entschlossen ist, den
 
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