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I

Weltreich der Romer

/ Von Dr. Claus Schrempf

Sein Gewissen war mehr dem Dämonium des
Sokrates nahe, der darunter eine innere Stimme
verstanden hat, die ihm die Einsicht in das Er-
forderliche gab.

Bismarcks P f 1 i c h t a u f f a s s u n g
hatte an seiner Vaterlandsliebe
und an seiner deutschen Aufgabe
einen konkreten Inhalt. V6n der Ab-
straktheit eines bloß formalen Imperativs wollt©
er nichts wissen. Ebenso wie ihn die Ausdeh-
nung ins Allgemeingültige schreckte, das für
Bismarck die Gefahr der bodenlosen Leere
hatte, fürchtete er, in einer bloßen Theorie des
Pflichtbegriffs eine doktrinäre Lebensferne vor-
zufinden. Er wollte die Unendlichkeit der mög-
lichen Alternativen nicht unter ein einziges
Gesetz abstrahieren, das sich bemühte, alles
Gegenständliche vom Prinzip der Sittlichkeit
auszuschalten.

Er war geneigt, die lebendige Erfah-
rung als Praxis gegen eine isolierte
Abstraktion als Theorie auszuspielen. Aus
solchen Zusammenhängen heraus versuchte er,
den unmittelbaren Zugriff des Handelnden zur
Hauptvoraussetzung aller Wirklichkeitsgestal-
tung zu erklären, den Pflichtbegriff
mit den eigenen konkreten Erleb-
nisinhalten zu verbinden und ihn
vom Primat eines bloß regulativen Prinzips ab-
zulösen.

So war Bismarcks Emser Depesche nicht da-
durch gut, daß ihre Maxime ein allgemeines
Vernunftgesetz hätte werden können. Sie war
gut, vielmehr in der Bedeutung pas-
send und nützlich vom Standpunkt eines
Staatsangehörigen aus, der es als seine Auf-
gabe ansieht, das Dasein seines Volkes zu er-
möglichen und zu steigern. Die Emser De-
pesche war das Rechte, das Goethe meinte,
wenn er sagte: „Das Rechte ist das, was
mir gemäß ist!"

Das Gemäße als das Gute

Die Forderung, daß eine Handlung nur in
sich selbst ihren sittlichen Zweck haben sollte,
hat Bismarck abgelehnt. Immer wieder mußte
er erfahren, daß um des Lebenskampfes willen
Handlungen erforderlich waren, die nur als
Mittel zu höheren Zwecken sittlich zu verant-
worten waren, die , von ihrem gemeinschafts-
bezogenen Ziel gelöst, böse, weil willkürlich
geworden wären, ohne die aber die Pflicht für
das Vaterland nicht hätte erfüllt werden
können.

Wenn Bismarck auch nach Caprivis Schilde-
rung die Wahrheit verschiedentlich als die
beste Methode in der Politik bezeichnete, so
hat er andererseits oft genug über die Wich-
tigkeit des Schauspielertums für die Diplomatie
gesprochen. Die Tarnung der eigentlichen Ab-
sichten hinter einer Rolle oder Maske kann
aber nur als Mittel zu einem sittlichen Zweck
gerechtfertigt werden. Trotzdem hat Bismarck
sich bereit erklärt, der Forderung der Auf-
richtigkeit, die zweifellos einen uns Deutschen
gemäßen Lebenswert darstellt, soweit es nur
irgend möglich ist, nachzukommen.

Stärker noch als die Forderung der Wahr-
haftigkeit fand das Gebot der Nächstenliebe
■hei Bismarck seine Gren"e an «der Staatcf»v«
sorge. DasJT„i,ieDe den anderen., wie dich selbst"
hat Bismarck nur seiner Familie, seinem Staat
und seinem Volke gegenüber gebilligt. In der
Politik ging es ihm um Selbsterhaltung
und Machtsteigerung. In den zwischenstaat-
lichen Beziehungen der Völker wollte er keine
anderen als Machtinteressen gelten lassen. Der
nüchterne Realpolitiker hielt es für ausge-
schlossen, daß ein Staat nach einem anderen
Gesichtspunkt als den seines Vor-
teils handeln dürfte. „Die einzig gesunde
Grundlage eines großen Staates ist der staat-
liche Egoismus und nicht die Romantik. Es ist
eines großen Staates nicht würdig-, für eine
Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen In-
teresse angehört."

In der Härte des Existenzkampfes gibt es nur
eins, was unbedingt verpflichtend ist: nicht
unterliegen und sich durchsetzen!
Die Daseinsnot bricht Verträge, Beteuerungen
und alle Verpflichtungen, die die Lebenshaltung
eines Volkes gefährden, das sich noch imstande
fühlt, über sich sebst hinausweisende Werte
zu verwirklichen. Nur, weil er im Innersten
überzeugt ist, daß sein deutsches Volk im Auf-
trag Gottes eine große Sendung unter den
Völkern zu erfüllen hat, findet er den Mut, im
Existenzkampf der Völker „Blut und Eisen" ein-
zusetzen. Daß sein Gewissen angesichts der
Notwendigkeit, eine völlig gemütsindifferente
Machtpolitik führen zu müssen, die Sicher-
heit nur in dem Glauben an seines
Volkes Aufgabe findet, muß man 6ich
immer vergegenwärtigen, wenn man z. B. seine
Meinung in der Polenfrage begreifen will.

An die Stelle der formalen Achtung vor einem
allgemeingültigen Sittengesetz tritt bei Bismarck
die Ehrfurcht vor-der unendlichen
Forderung, die Gott an den Men-
schen stellt. Da Bismarck nicht die End-
gültigkeit kennt,'die die Anerkennung eines
allgemeingültigen Imperativs bewirken soll,
fühlt er sich vor jeder Entscheidung in eine
Dunkelheit gestoßen, durch die der Entschluß
einen neuen Weg bahnen muß.

Bismarck verlangt, daß „der Mensch sich
selbst und dem, was er für recht und wahr
erkannt hat. leben soll, nicht aber dem Ein-
druck, den er auf andere macht." Darum ist
seine Ehre eine Ehre des erfüllten
Pflichtbewußtseins. Sie ist die in-
nere Selbstachtung, die der mit sich
ringende Mensch vor seiner Leistung empfindet.
Sie ist der Stolz, den sein Selbstbewußtsein im
Entscheidungskampf zwischen Dämonie, Ich-
gestaltung und Weltformung erreicht. Als die
wertbezogene Selbstbestimmung steht die Ehre
immittelbar im Angesicht Gottes. Solche Würde,
die den Tiefen der persönlichen Lebensgestal-
tung entspringt, kann nicht von außen zusam-
menhanglos zugemessen werden. Sie ruht im
Eigensten der Persönlichkeit, das für die anderen
unaussprechlich bleibt. Daß Ehre zum innersten
Wesen gehört, das sich mit Gott ausspricht,
bekannte Bismarck mit den Worten: „Meine
Ehre vor Gott und den Menschen ist mein Eigen-
tum und ich gebe mir selbst so viel, wie
ich glaube davon verdient zu ha-
ben und verzichte auf jede Zugabe."

In der Ausgabe 23124 der „Bewegung" be-
gannen wir mit der Artikellolge über das
„Weltreich der Römer". Heute bringen wir
die dritte Arbeit, die sich mit dem Ver-
hältnis der römischen Staatsgewalt zum
Volk auseinandersetzt.

Taeete quaeso, Cfcuirifes!

Wollte Rom in seiner gefährdeten Dreiländer-
ecke sich behaupten und bei seinem verspäte-
ten Eintritt in die Geschichte sich einer glück-
lichen Zukunft versichern, so war es darauf
angewiesen, den Staatsinteressen durch eine
kraftvolle Regierung Nachdruck zu verleihen.
Die Bürger mußten als Staatsbürger, als Cha-
riten, den Aufgaben des schwer um seine Exi-
stenz ringenden Staatswesens dienstbar gemacht
werden. In Rom ist zu allen Zeiten kraftvoll
regiert worden, gleichviel ob von Königen,
Konsuln oder Kaisern. Die straff zusammen-
gefaßte Staatsgewalt, die dem jeweiligen Staats-
oberhaupt zustand, nannte man Imperium, das
heißt Oberbefehl, weil das Oberkommando über
die Wehrmacht die ganze Lebensenergie von
Volk und Staat zusammenfaßte. Der Römer
stellte sich unter der Staatsgewalt stets etwas
Ganzes und Unteilbares, aber auch etwas Un-
bedingtes vor. Wem die Staatsgewalt über-
tragen war, der sollte sie auch in vollem Um-
fang handhaben, sollte für seine Befehle un-
bedingten Gehorsam erwarten dürfen. Bei Ab-
schaffung des Königtums wurde daher Bedacht
genommen, daß die Einheit der Staatsgewalt
auch in der Republik erhaltert blieb. Nicht die
Macht, nur die Machthaber sollten durch die
neue Staatsordnung beschränkt werden. Das
Imperium, wie es der König ausgeübt hatte,
ging ungeteilt auf jeden der beiden Konsuln
über. Jeder von ihnen konnte als Staatsmann
wie als Feldherr Befehle erteilen, als ob er
König wäre. Die Macht war also nicht halbiert,
sondern verdoppelt. Die Konsuln verfügten
nicht gemeinsam über das Imperium, sondern
jeder hatte das Ganze für sich, jedoch so, daß
im Falle der Uneinigkeit der eine die Befehle
des andern widerrufen konnte. Man hatte jetzt
einfach statt eines lebenslänglichen zwei jähr-
lich wechselnde Herrscher. Während seines
Amtsjahres war auch der Konsul unabsetzbar
und unantastbar, aber nach seinem Rücktritt
konnte er allerdings wegen jedes Amts-
vergehens zur Rechenschaft gezogen werden.
Man ertrug lieber ein Jahr lang einen tyran-
nischen oder ungerechten Beamten an der
Spitze des Staates, als daß man die Staats-
gewalt durch mißtrauische Einschränkungen
schwächte.

Stolz auf seinen Staat, erwartete der Römer
von seinen Beamten auch ein stolzes, herri-
sches, Furcht erweckendes Auftreten. Diesen
Eindruck bestärkten die Ruten und Beile, die
jeder mit Imperium ausgestattete Beamte sich
durch seine Amtsdiener (Liktoren) vorantragen
ließ, die Beile allerdings nur draußen im Felde,
wenn nach Krlegsfecifft entschieden v,uiöt.
während daheim im bürgerlichen Leben die
Blutgerichtsbarkeit bei Abschaffung des Königs-
tums auf das Volk übergegangen war, weshalb
der Feldherr beim Betreten der Stadt die Beile
ablegen mußte. Vom Senat, der sich ja zum
erheblichen Teil aus gewesenen Beamten zu-
sammensetzte, sagte der Grieche Polybius noch
in spätrepublikanischer Zeit, er gleiche einer
Versammlung von Königen. So majestätisch
war der Eindruck, den die Haltung und Ge-
sinnung dieser Körperschaft hervorrief.

Monarchie - Aristokratie - Demokratie

Nicht mit Unrecht hat Polybius das römische
Staatswesen als eine gelungene Mischung aus
den drei der damaligen Staatstheorie geläufigen
Verfassungsformen — Monarchie, Aristokratie,
Demokratie — zu beschreiben versucht. Das
demokratische Organ der Staatsverfassung war
die aus allen wehrfähigen Staatsbürgern zu-
sammengesetzte Volksversammlung, der die
Beamtenwahl, die Gesetzgebung, die Blut-
gerichtsbarkeit und die Beschlußfassung über
krieg und Frieden zustand. Das monarchische
Organ bestand in dem mit der zivilen und mi-
litärischen Befehlsgewalt (imperium) ausgerü-
steten Staatsbeamten, der allein und ausschließ-
lich über die politische Initiative verfügte. Nur
auf seine Anordnung konnte eine Senats- oder
Volksversammlung stattfinden. Nur der Beamte
hatte Antragsrecht in der Volksversammlung,
das Volk stimmte dikussionslos mit Ja oder
Nein. Zum Schutz gegen die aus ihrer Macht-
vollkommenheit zu befürchtende Willkür der
Amtsgewaltigen schuf sich das Volk in seinen
Volkstribunen Schutzbeamte, die gegen jede
obrigkeitliche Maßnahme ihr Veto einlegen
konnten. Es zeugt für die politische Begabung
und Reife der Römer, daß diese zweischneidige
Waffe niemals ihrer politischen Handlungs-
fähigkeit Schaden zugefügt hat. Das aristokra-
tische Element schließlich verkörperte der
aus den angesehensten Mitgliedern des Ge-
burts- und Amtsadels zusammengesetzte Senat,
der, während die Beamten kamen und gingen,
die Volksversammlung aber in ihren Stimmun-
gen schwankte, jahraus, jahrein ständig zuge-
gen- war und, in seiner konservativen Haltung
sich gleich blieb.

Der Geist der Verfassung

So war durch die Verfassung der Republik
ein kunstvoller Ausgleich unter den im Staate
zusammenwirkenden Machtfaktoren hergestellt.
Vom Volke getragen, vom Senat gelenkt,
bewegte sich die Politik unter dem macht-
vollen Antrieb eines - starken, selbständigen
Beamtentums in den Bahnen einer stolzen Tra-
dition, die über den politischen Gegensätzen
niemals das Staatsinteresse aus den Augen ver-
lor. Gewalt und Weisheit stehen sich als
Magistratur und Senat organisiert in frucht-
barer Spannung gegenüber, während das Volk
sich diesen beiden Autoritäten willig unter-
wirft, weil es durch sein Tribunat über beide

eine Kontrolle ausüben kann. War die Ver-
fassung ideal, so war sie es weniger durch ihr
System als durch den Geist, in dem sie gehand-
habt wurde, durch die reife Staatsgesinnung
der Römer und ihren überlegenen Macht-
instinkt. Den Beamten ist die volle, fessellose
Gewalt überlassen, weil in ihnen sich der Staat
verkörpert und ein Organismus mit gebunde-
nen Gliedern nicht lebens- und handlungsfähig
wäre. Der Römer will in seinen Beamten die
gesammelte Staatsgewalt sehen, weil er die
Macht liebt. Er will in seinen Beamten keinen
devoten, ängstlichen Staatsdiener (minister,
Niederer), sondern einen Staatsmeister (magi-
ster, Höherer) erblicken, einen Gebieter von
herrischem Auftreten und königlicher Haltung.
Aus dieser Machtliebe heraus bejaht er aber
auch das Korrelat der Macht, den Gehorsam,
die Unterordnung, Disziplin. Ober das Verhält-
nis zwischen Magistrat und Volksmenge, das
dem eines aufgeklärten Herrschers gegenüber
seinen Untertanen nicht unähnlich war, findet
sich die beste Charakteristik in einem berühm-
ten Ausspruch, mit dem der Konsul Scipio
Nasica in einer Volksversammlung den Wider-
spruch der Menge zum Schweigen brachte:

Der Vorteil des Staates

Tacete quaeso, Quirites, plus enim ego quam
vos, quid reipublicae expediat, intelligo — ich
bitte euch ruhig zu sein, Quiriten, denn ich
kenne den Vorteil des Staates besser als ihr.

Dem politischen Geist ihrer Bürger verdankte
es die Republik, daß ihre Verfassung wie keine
andere der antiken Welt im Staatsleben die
Forderungen erfüllte, die von der Staatstheorie
als Ideale aufgestellt werden. Eine starke Re-
gierung schuf Ordnung und Sicherheit im In-
nern, Unabhängigkeit nach außen. War im
Staat der Machtgedanke vollauf verwirklicht,
so war andererseits auch für den Schutz der
Bürgerfreiheit gesorgt. In keinem anderen Ge-
meinwesen lebte der Bürger, der Gesetz und
Obrigkeit achtete, so frei und unangefochten
wie in Rom. In der Berufswahl und -ausübung
war er durch keine Einschränkungen der Ge-
werbefreiheit behindert. Seinen Wohnsitz, seine
Lebensweise konnte jeder nach eigenem Gut-

dünken bestimmen. Selbst gegen Übergriffe der
Staatsgewalt war der Bürger durch das Ein-
schreiten der Volkstribunen geschützt. Das
stolze Palladium der Bürgerfreiheit aber war
die Provokation, die Haupt und Rücken des
lömischen Bürgers unter ihre Obhut stellte. In
Strafprozessen, wo es um Kopf und Kragen
ging, konnte der Verurteilte sich der Gnade des
Volkes unterwerfen. Ohne die Einwilligung des
Volkes konnte an keinem Römer die Hinrich-
tung vollstreckt werden. Die Tortur beim Ver-
hör, desgleichen das Schreckmittel grausamer
Leibes- und Lebensstrafen war außer Gebrauch,
weil mit der Würde eines freien Römers un-
vereinbar.

Gerade im Kriminalverfahren feierte die Bür-
gerfreiheit ihre größten Triumphe. Galten doch
hier seit alters die Sätze, daß das Haus den
Bürger schützt, Verhaftung nur außer dem
Hause zulässig ist. Untersuchungshaft' kam
grundsätzlich nicht zur Anwendung. Wer eines
Verbrechens beschuldigt war, blieb während
des Prozesses auf freiem Fuß. Den Folgen einer
ihm drohenden Verurteilung konnte der An-
geklagte sich durch rechtzeitige Selbstverban-
nung entziehen, soweit die Strafe seine Person,
nicht sein Vermögen betraf. Römischer Bürger-
sinn äußert seinen ganzen Stolz in der.Auffas-
sung, daß es überhaupt keine härtere Strafe
geben kann als den Verlust des römischen Bür-
gerrechts, die Ausstoßung aus der Gemeinschaft
der Römer. So sehr war der Römer Staats-
bürger, daß ihm ein Dasein außerhalb des Staa-
tes als der lebendige Tod erschien.

Mit seinem „civis Romanus sum" berief er
sich stolz auf seine Staatsangehörigkeit, die
ihm den römischen Rechtsschutz verlieh. Ohne
Enthusiasmus, aber mit äußerster Entschlossen-
heit und starkem Egoismus handelte er nach
dem Grundsatz, daß der Bürger den Staat, aber
auch der Staat den Bürger niemals im Stich
lassen darf. Mochte ihm die Verfassung der
Republik im Vergleich zur attischen Demokratie
auch nur ein mäßiges Mitbestimmungsrecht ein-
räumen, so fühlte sich der römische Bürger
durch das erhebende Bewußtsein entschädigt,
daß dieser mächtige Staat sein Staat war und
besser als jedes andere Gemeinwesen seinen
Bürgern die innere und äußere Freiheit garan-
tierte.

Das Studium
der Auslandswissenschaffen

Von Prof. Dr. Karl Heinz Pfeffer

Im Januar 1940 wurde im Rahmen der Uni-
versität Berlin die Auslandswissen-

.schaftliche Fa k.u 11 ä t errichtet, die gfiit.

Aallen Rechten und Plhchten als 'achte FaktÄat
neben die bisherigen sieben Fakultäten trat.
Der Dekan der Fakultät wurde zugleich Prä-
sident des Deutschen Auslandswissenschaft-
lichen Instituts, das die Aufgaben der Fakultät
tragen und unterstützen und dazu zusätzliche
Aufgaben übernehmen sollte. Das Deutsche
Auslandswissenschaftliche Institut übernahm
die Uberlieferung und die Einrichtungen der
früheren Hochschule für Politik und zugleich
der Auslandshochschule der Universität Berlin,
die aus dem 1887 auf Anregung Bismarcks ge-
gründeten Seminar für Orientalische Sprachen
hervorgegangen war.

Zwei Aufgaben des Deutschen Auslandswis-
senschaftlichen Instituts sind in den knapp drei
Jahren seit seiner Gründung rasch bekannt
geworden: seine Forschungstä-tigkeit, die ihren
Niederschlag in zahlreichen Publikationen
findet, und seine kulturpolitische Arbeit, die
sich vor allem in Vortragsreihen und Auslän-
derkursen darstellt. Darüber wird manchmal
vergessen, daß das Institut auch der Lehrauf-
gabe der Fakultät dient. Im Unterschied zu
einseitigen Instituten in anderen Ländern wird
in Berlin .an der Verbindung von Forschung,
Lehre und praktischem Einsatz festgehalten,
die die deutsche Universität groß gemacht hat.

Das Studium an der Auslandswissenschaft-
lichen Fakultät kann nach sechs Semestern
mit dem Diplom der Auslandswis-
senschaften (dipl. sc. pol.) oder dem
Akademischen Dolmetscher-
diplom, nach acht Semestern mit dem Grad
eines Doktors der Auslandswissen-
schaften (Dr. sc. pol.) abgeschlossen
werden.

Die Eigenart des auslandswissenschaftlichen
Studiums besteht in der organischen
Verbindung einer Ausbildung in
Sprachen und in politischen Wis-
senschaften. Das eine oder das andere
allein ist nicht möglich. Die Ausbildung in
einer politischen Wissenschaft verleiht Grund-
kenntnisse, Methoden und Fragestellungen, die
Sprachkenntnis die notwendigen technischen
Voraussetzungen zum Studium der „Volks-
und Landeskunde" eines fremden Landes.

Als „Grundwissenschaften" im Sinne der
politischen Wissenschaft sind in der Fakultät
vertreten: Politische Geographie, Geschichte,
noch einmal besonders Uberseegeschichte und
Kolonialpolitik, Volkstumskunde, Staatsphilo-
sophie, Rechtswissenschaft und Wirtschaftswis-
senschaft. Außerdem ist Pflichtfach für alle
Studenten (ähnlich der Philosophie in den
alten Philosophischen Fakultäten) Außenpolitik
und Auslandskunde als solche; wobei die
grundlegenden Einsichten in die Weltpolitik
vermittelt werden.

Mit einer dieser Grundwissenschaften ver-
bindet der Student seine Ausbildung in den
„besonderen Auslandswissenschaften", eben
den Volks- und Landeskunden. In den sechs
Semestern des normalen Studienablaufs wird
er unterrichtet über Raum, Rasse, Volk, über
die Geschichte, das staatliche Leben, die Kul-
tur, die Wirtschaft flnd die Außenpolitik des
fremden Landes. Der akademische Unterricht

vollzieht sich in den üblichen Formen von
Vorlesung, Seminar und Arbeitsgemeinschaft.
Inaäer~ qew^hlten 'Volkse ortrf Landeskunde
"muTTä'nBi'rdetn dl% 'Spfache"de*" tandes gründ-
lich erlernt werden. Dafür steht ein großer
Stab von Lektoren (neben deutschen Lektoren
einheimische Lektoren aller Länder) zur Ver-
fügung.

Wenn das Schwergewicht des Studiums auf
dem Interesse an den politischen Wissenschaf-
ten liegt, führt der Weg zum Diplom der Aus-
landswissenschaften, für das fünf Fächer, dar-
unter mindestens eine Volks- und Landes-
kunde, verlangt werden, später zum Doktor
der Auslandswissenschaften mit vier Fächern.
Wenn umgekehrt das Hauptinteresse bei den
Sprachen liegt, braucht nur eine politische
Grundwissenschaft studiert zu werden, dafür
aber muß dann in der Prüfung zum Akademi-
schen Diplomdolmdtscher die zu der gewählten
Volks- und Landeskunde gehörige-, Sprache
wissenschaftlich durchdrungen und praktisch
völlig beherrscht werden.

So wie also der am Institut ausgebildete Dol-
metscher immer auch die Ausbildung einer
politischen Grundwissenschaft genießt, hat
ebenso jeder Inhaber des Diploms der Aus-
landswissenschaften die nötigen Sprachkennt-
nisse. Er weist sie nach, indem er ebenso wie
der spätere Dolmetscher nach vier Semestern
das „sprach- und landeskundliche Zeugnis" er-
werben kann, bei dem auf der Grundlage eines
landeskundlichen Allgemeinwissens die Fähig-
keit zum schriftlichen und mündlichen Ge-
brauch der fremden Sprache bewertet wird.
Dieses Zeugnis ist die Voraussetzung für die
beiden Diplome. Außerdem kann es aber auch
schon ein Studienziel in sich sein, weil zu
seiner Vorbereitung zwar die zur Sprache ge-
hörige Volks- und Landeskunde, nicht aber
eine Grundwissenschaft verlangt wird. So er-
werben besonders gern Berufstätige dieses
Zeugnis, für das im Gegensatz zu den Diplo-
men auch nur die mittlere Reife Voraus-
setzung ist.

Das Studium auf allen Stufen ist so beson-
ders lebendig und interessant, weil es sich im
Rahmen der kulturpolitischen und Forschungs-
arbeit des Instituts abspielt, so daß der Stu-
dent dauernd Ausländern und neuestem aus-
ländischem Material begegnet. Der Andrang
der ersten drei Jahre zeigt, daß die akade-
mische Jugend den Reiz und auch die
Pflicht des ernsthaften Auslands-
studiums begriffen hat. In einer Zeit, in
der die Aufgaben des Reiches in Europa und
die Aufgaben Europas in der Welt so klar
werden wie heute, ist es wichtig, daß eine
breite Schicht junger Menschen zur Vorbe-
reitung .auf diese Aufgaben durch das aus-
landswissenschaftliche Studium geht.

Hauptschriftleiter: Dr. Heinz Wölfl. Anschrift der Häupt-
schriftleitung. München, Schellingstr. 39. Fernruf 20801. Für
den Anzeigenteil verantwortlich Job. Bartenschlager.
Verlag: Franz Eher Nachfolger G. m. b. H. — Druck: Buch-
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EedaktlonsschluO filr letzte Meldungen Montag abend.

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