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Ausgabe

INIELPREIS 15 PFENNIG / MÜNCHEN, 6. MARZ 1943 / 11. JAHRGANG / FOLGE 5

Auf alle kommt es jetzt an!

Die Universität verwaltet
das Geistesgut der Nation!

Wir wollen heule an Stelle des Leitauisalzes
dem Bericht einer Großkundgebung
der Marburger Studentenschaft
Raum geben, die sich in ihren klaren, kom-
promißlosen Formulierungen an alle wendet.

Von der Studentenführung Universität Mar-
burg war der Gedanke ausgegangen, die Stu-,
dentenschaft zusammenzurufen und ihr in der
augenblicklichen großen Zeit durch Anspra-
chen des Rektors der Philipps-Univeristät, Prof.
Dr. Reinhardt des Hochschulringführers
Prof. Dr. Pfannenstiel und des Gaustu-
dentenführers Tiedeken die Stellung der
Universität im Kriegt und damit verbündet
das studentische Leben darzulegen. Die Aus-
Wirkungen des totalen Krieges machen sich
auf allen Gebieten bemerkbar und nicht zu-
letzt an den deutschen Universitäten. Daher
war es von größter Bedeutung, Ausführungen
über die Themen ..Gegenwartsaufgaben
der Universität" und „Auslese —-
eine Verpflichtung" von maßgeblicher
Seite entgegenzunehmen.

Nach der Eröffnung durch den Studentenfüh-
rer Rolf Küppers ergiff der Rektor der Phi-
lipps-Universität das Wort über das erstge-
nannte Thema. Die Aufgabe der Hochschule ist
es, über die Vermittlung der ]eweiligen Tech-
nik eines Berufszweiges hinaus, aus den Studie-
renden Menschen mit eigener Verantwortung
heranzubilden Menschen, die nicht nur ein po-
sitives Wissen besitzen, sondern dieses auch
richtig .anzuwenden und weiterzugeben ver-
stehen. Kein noch so großes Wissen mag zum
Vorteil zu gereichen, wenn nicht, die völlige
Durchdringung und Beherrschung des Stoiles
hinzutritt. Man betrachtet die Hochschulen
teilweise als übermittler ausschließlich g e -
sicherter Erkenntnisse. Der Weg der
Ausbildung könne jedoch nicht der sein, wis-
senschaftlicher Problematik aus- dem Wege zu
gehen und bloßen Wissensstoff zu erlernen. Wer
letzteres tue, würde der unpraktischste Mensch,
den man sich denken kann. Dr. Reinhardt
fuhr fort: „W as wir in Deutschland
nötig haben, sind Männer und
Frauen in voller Aktivität, die
unter eigener Verantwortung zu
handeln bestrebt und in der Lage
s i n d." Die Universität müsse den
für das praktische Leben brauch-
baren, geistig selbständigen,
selbstverantwortlich denkenden
und handelnden Menschen erzie-
hen, dem es nicht auf äußeres Wis-
sen als Selbstzweck, sondern auf
die tiefe Durchdringung seines
Fachwissens und des Wissens vom
Menschen überhaupt ankommt.
,,Ohne Fachwissen sind wir macht- und hilf-,
los, aber das eben ist das Entscheidende: Nicht
das Fachwissen als angehäufter toter Wissens-
stoff, sondern Fachwissen als Material,
an dem der Geist die Kraft dieser Durch-
dringung des Stoffes offenbart, das muß
unser Ziel sein! Weil die Universität die
geistige Durchdringung aller Lebensinhalte
anstrebt, wird sie zur treuhänderischen
Verwalterin des Geistesgutes der
Nation!" Hieraus resultiert ' eine Verwal-
tung ganz besonderer Art. Lebhaften Beifall
fanden die Äußerungen: „Die Universität ist
kein*Museum wissenschaftlicher Antiquitäten,
keine Sammlung von Schaustücken, die aus
vergangenen Leistungen herrühren. Zu ihr ge-
hört vielmehr ein ständig neuesDurch-
dringen des Stoffes, ein ständiges
Fortschreiten zu neuen Erkenntnissen. Wo das
fehlt, verschwindet der Geist selbst, dort wer-
den alle früher errungenen Erkenntnisse
Plunder, der in die Rumpelkammer gehört.
Darin steckt eben das Rätsel des Gei-
stes, daß er nur dort ist, woer lebendig
wirk t."

Auf die Frage, wie verhalten sich die Auf-
gaben der Universität zu unserer Gegenwart,
war von anderer Seite schon einmal der Vor-
schlag laut geworden, auf die selbständige
Forschung im Kriege zu verzichten und den
Unterricht an der Universität nicht mehr als
Anleitung, sondern als einen Weg zur
Übermittlung von unproblemati-
schem Wissen zu betrachten. Gegen
diese Meinung wandte sich Prof. Dr. Reinhardt
mit den Worten: „Wenn es je Sinn hatte, den

In Posen läuft zur Zeit eine Ausstellung, die einen umfassenden Überblick bietet über die
Leistungen der vergangenen drei Jahre auf dem Gebiete der Neubildung und Festigung
deutschen Volkstums. Der Ostbeauftragte des Reichsstudentenführers, Dr. Hanns Streii,
führt Gauleiter und Reichssfatlhalter Arthur Greiser (auf unserem Bilde ganz rechts)
durch die Räume des studentischen Osteinsatzes (Autn. Dr. v. Schmidt)

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selbstverantwcjftlich denkenden und handeln-
den, nicht den subalternen Geist zu erziehen,
dann gilt das für den Krieg und seine Not-
wendigkeiten. Je geringer die Zahl derer ist,
die noch ein Studium durchführen können, um-
so dringender und um so kriegswichtiger wird
die Forderung^ aus diesen wenigen eine Elite
zu schaffen. Es wäre daher nichts fal-
scher, als unter dem Kriegsein-
druck von dem grundlegenden
Bildungsziel der Universität ab-
zugehen, dessen Merkmal es gerade nicht
ist, Wissenschaft anzuhäufen, sondern die
Fähigkeit, zu wirklich geistiger
Durchdringung zu entwickel n."

Ein Appell an alle Studierenden waren die
Worte, mit denen auf die Pflicht hingewiesen
wurde, -das Studium besonders ernsthaft zu be-
treiben und keine Zeit zu verlieren, um mög-
lichst bald der Gemeinschaft als
volle Kraft zur Verfügung zu
stehen. ..Was uns das Schicksal in der näch-
sten Zeit bringt, wissen wir nicht. Aber das
steht fest, wir alle, Professoren, Studenten und
Studentinnen, sind von dem einen Willen be-
seelt, dort unsere Kraft einzusetzen, wo sie
unserem Vaterland am dienlichsten ist und wo
unser Vaterland sie nötig hat. Wir glauben
aber dabei, daß auch die Werte
nichtgering zu achten sind, die die
Universität für das geistige und
"auch für das materielle Leben der
Nation, selbst in den Zeiten des
totalen Krieges, zu bieten hat."

Nach der mit größtem Beifall aufgenomme-
nen Rede des Rektors, wandte 6ich der Hoch-
schulringführer Prof. Dr. Pfannenstiel mit
dem Thema „Auslese — eine Verpflichtung"
an die Studentenschaft. Ausgehend von einem
Wort Friedrichs des Großen „Jeden auf den
rechten Platz stellen, heißt doppelten Vorteil
ans allem ziehen" wurde die. Auslese als Grund-
lage des bestmöglichen Einsatzes bezeichnet.

Dieses gilt nicht zuletzt für den Akademiker.
Es kommt darauf an, einen Stand zu schaffen,
der Dank seiner Leistungen, seiner ganzen Le-
bensführung~ und Haltung eine Auslese inner-
halb unseres Volkes, das Edelgut. darstellt, aus
welchem die geistige und politische Führer-
schaft Deutschlands sich künftighin rekrutieren
soll. Professor Dr. Pfannenstiel betonte, daß
Auslesemaßnahmen an der Spitze der Kamerad-
schaftsarbeit stehen. „Die Haup*tverant-
w ortung für die Zukunft des Aka-
demikers fällt den Kameradschaf-
ten z u." Der Erziehung in der Gemeinschaft
sei die Auslese in den Kameradschaften voran-
zusetzen. „Der durch sein Wesen, nicht allein
durch sein Äußeres gekennzeichnete tüchtige,
schöpferische, klare und sich seiner selbst be-
wußte nordische Mensch soll uns Vorbild sein
für den Auslesetyp des künftigen deutschen
Studenten!"

Wir Studenten haben den Ruf und die Ap-
pelle verstanden. Gaustudentenführer Tiede-
ken dankte in einer Schlußansprache für die
bedeutenden Ausführungen. Die Marburger Stu-
dentenschaft habe sich an diesem Tage zusam-
mengetan, um ihrer einmütigen, unumstöß-
lichen Geschlossenheit und steten Bereitschaft
zum Handeln, wo und wann immer es das Wohl
des Ganzen erfordert, Ausdruck zu verleihen.
Nach einer Würdigung des Verhältnisses zwi-
schen Hochschule und Studentenschaft ging
der Gaustudentenführer auch auf das kriegs-
bedingte erhöhte Frauenstudium ein.

Ein Aufruf, kein Semester ungenutzt zu
lassen, war eine Mahnung an alle, sich
des Kriegsstudiums würdig zu
erweisen.

Das Studententum hat die große Zeit ver-
standen und wird sich ihr entsprechend einset-
zen. Die Kundgebung war ein Beweis hierfür.
Mit dem Sieg-Heil auf den Führer war erneut
ein Bekenntnis zu den Forderungen der Zeit
zum Ausdruck gebracht worden. Wir alle
sind bereit! Richard Schaar

Grundlagenforschung
und Zweckforschung

Von Professor Dr. Georg Niemeier,
Reichsuniversitäi Stiaß'ourg

Unter naturwissenschaftlicher Grundlagen-
forschung versteht man die „zweckfreie, aber
nicht zwecklose Forschung", die auf die Er-
kenntnis des Weltalls und der Erde im ganzen,
ebenso aber auch auf die Kenntnis der irdi-
schen Natur bis zu den feinsten Zusammen-
hängen im Aulbau der Materie und ihrer Kräfte
gerichtet ist, ohne daß von vornherein an eine
technisch-wirtschaftliche Verwertbarkeit ge-
dacht wird. Sie wird getragen von dem Stre-
ben nach Naturerkenntnis — auch dann, wenn
sie mit der Natur scheinbar nichts mehr zu tun
hat und wie etwa ein Teil der organisch-
chemischen Forschung zahlreiche chemische
Verbindungen untersucht, die mit dem organi-
schen Leben in keinem unmittelbaren Zusam-
menhang stehen, sondern ausschließlich ein
Ergebnis der Experimentierkunst des Chemi-
kers sind. Daß dabei oft Irrwege beschritten
worden sind und weiter beschritten werden
müssen, ist ein notwendiges Schicksal aller
Forschung: dies darf aber nicht*darüber hin-
wegtäuschen, daß die Grundlagenfor-
schung der tiefe Born ist, aus dem
immer wieder grundlegend wichtige Anregun-
gen und Erkenntnisse für die zwcckgerichle.fi
angewandte Forschung und für die Tech-
nik herausfließen. Die Technik setzt im' wesent-
lichen Ergebnisse der naturwissenschaftlichen
Grundlagenforschung in eine Form um, die
■ wirtschaftlich, militärisch usw. brauchbar ist.
Oft wird die praktische Bedeutung einzelner
Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Grund-
lagenforschung freilich erst nach Jahrzehnten
sichtbar und spürbar.

Unsere Pflicht gegenüber dem Volk

Der „totale Krieg" und darüber hinaus
der Kampf um Lebensraum und Lebenssiche-
rung kann nur von einer Volksgemeinschaft
geführt werden, in der alle Glieder und damit
auch die Hochschule und die Wissenschaft sich
ihrer Verpflichtung gegenüber dem Volks-
ganzen bewußt sind. So ist es notwendig, daß
während des Krieges die naturwissenschaft-
liche Grundlagenforschung in denjenigen Be-
reichen besonders stark vorangetrieben wird,
in denen militärisch verwertbare
Ergebnisse in absehbarer Zeit zu
erwarten sind. Trotzdem wird auch wäh-
rend des Krieges z. B. von der Wehrmacht und
vom „Vierjahresplan" großer Wert darauf ge-
legt, daß auch diejenige Grundlagenforschung
innerhalb weit gesteckter Grenzen laufend
weiter betrieben wird, aus der solche für den
Krieg und die totale Wehrfähigkeit wichtige
Ergebnisse erst in zehn oder zwanzig Jahren
vielleicht erwartet werden können. Deutsch-
land fühlt sich auch auf diesem Gebiet schon
während des Krieges für den Frieden Europas
und seinen weiteren Lebensraum verantwort-
lich. Die Erkenntnis dringt vor, daß es im Wett-
kampf der Völker und Kontinente nicht allein
darauf ankommt, daß wissenschaftliche For-
schung betrieben, sondern daß sie mit solcher
Intensität und mit solchen Mitteln betrieben
wird, daß der deutsche Vorsprung
gehalten, fremder Vorsprung wie-
der eingeholt werden kann. Der
Krieg als der harte und unerbittliche Wert-
messer völkischer Leistungsfähigkeit auf allen
Gebieten hat aber auch die Erkenntnis wieder
unterstrichen, daß es nicht genügt, in einigen
wenigen, mit allen Raffinessen ausgestatteten
Großlaboratorien Forschung treiben zu lassen,
sondern daß so viele Stellen und so viele
wissenschaftlich befähigte Köpfe an die unge-
heure Vielfalt der wissenschaftlichen Aufga-
ben eines Krieges und der Lebensraumsiche-
rung im „technischen Zeitalter" angesetzt wer-
den müssen, wie es eben nur möglich ist. Des-
halb ist mancher junge deutsche Wissen-
schaftler, der viel lieber den grauen Rock
trüge, selbst während des Krieges verpflichtet,
daheim am Mikroskop und am Labortisch zu
arbeiten. Welche Bedeutung naturwissenschaft-
liche Grundlagenforschung für den Krieg und
die künftige Lebensraumsicherung hat, soll an
wenigen Beispielen kurz verdeutlicht werden.

Die wehrhafte Bedeutung natur-
wissenschaftlicher Grundlagen-
forschung ist im Bereich der exakten Na-
turwissenschaften am weitesten bekannt. Ob

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