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ORGAN DER REICHSSTUDENTENFiiHRUNG / MÜNCHEN, ENDE DEZEMBER 1943 / 11. JAHRGANG / FOLGE 16

Tagebuchblätter eines Studenten

Bis zum Sieg

Wir kannten vom Krieg nichts anderes, als
die Erzählungen unserer Väter und Bücher aus
jener Zeit. Das schien uns damals genug; denn
wir wollten unsere eigenen Erfahrungen haben,
waren ja schließlich 19, 23 und 24 Jahre alt
und reif und stark genug, die schärfsten Ver-
teidigungswaffen der deutschen Lebensbehaup-
tung entsprechend zu vertreten. Die Röcke
waren neu, die Soldbücher ohne Eintragungen,
die Panzer schössen noch aus 5-cm-Rohren und
die Pak begnügte sich mit einem Kaliber von
3,7 cm. Wenn wir marschierten, sangen wir das
Erika-Lied und von den blauen Dragonern.
Noch einmal, wir waren jung und un-
verbraucht. Die Kriegsstärkenachweise
stimmten bis auf den Schlußpunkt. Von den
Waffenschulen waren die ersten Kriegsoffiziere
in die Reihen eingetreten und die Stunden bis
zum 1. September vergingen in höchst gespann-
tem Warten.

Die erste Stunde

Warten. Das war es, gewartet wurde immer.
Zuerst auf den Tag im September, an dem um.
5.45 Uhr die Kanonen zurückschössen. Bis da-
hin war uns nur der Abschuß der Geschütze
von den Übungsplätzen her bekannt, nun lern-
ten wir auch die Geräusche des Einschlags
hinzu. Unterscheiden konnte man das schon
nach 24 Stunden auf größere Entfernung. Wir
achteten auf die Stimme der Artillerie, die
Ergebnisse der Feuervorbereitung und auf den
Befehl zum Sprung. Es wurde noch gesprungen
nig r'/ese "Jett, in Crrppnn. 7iigveisp und. in ,
Kompanien, auf Befehl und mit Hurra! Natür-
lich blieben ein paar auf dem Wege, aber dar-
auf achteten die anderen kaum im Angriffs-
taumel.

Das Schicksal des Landes, dessen Machthaber
einst Deutschland vor Berlin schlagen wollten,
vollzog sich nach den Gesetzen der Strategie
und Taktik, haargenau nach unseren Plänen.
Noch im September war alles zu Ende.

über den goldenen Bildern und Statuen der
Seine-Brücken ging die Sonne, einen heißen
Tag vollendend, für neun Stunden schlafen.
Die Stadt, die Frankreich ist, gehörte uns, und
die Tage seit dem 10. Mai waren gesegnete
gewesen. Wir waren nicht mehr die gleichen
vom September 1939, es lag zuviel hinter uns;
die harten Tage, die schweren Nächte, das
Brüllen der Kanonen, das heldische Opfer
bester Kameraden, die Stunden, die ein Krieg
mit sich bringt, hatten die Gesichter ernster,
die Anschauungen klarer gemacht. Und doch
waren wir alle fast ein wenig übermütig, so
ganz wie wir als junge Soldaten des ersten
Kriegsjahres sein konnten. Die Heere Polens,
der Niederlande, Belgiens und der stärksten
Militärmacht Westeuropas, Frankreich, hatten
kapituliert. Der Ring um das Reich war
gesprengt, die Luft zum Atmen
wieder reiner geworden.

Nach einem halben Jahr war der Krieg in
den Hintergrund gerückt, sechs Monate lassen
viel vergessen. Vergessen war der Klang der
Detonationen, dafür nahm uns der Atlantik auf
und verkürzte die Wartezeit.

In der Ferne rührte inzwischen der große
Krieg die Trommel.

Das große Schicksal

Vor Kiew waren die Träume weg, und das
kam nicht nur vom Schlamm und der Sonne
jenseits des Bug. Das Leben bekam die Melodie
des Krieges, und diese Melodie wird nie ster-
ben, solange es deutsche Soldaten im Kriege
gibt. Sie ist das Heulen und Bersten der Bom-
ben und Granaten, das singende Zwitschern
der Stahlkerne, das Schreien der Feuerbahnen
tödlicher Kometen, der prasselnde Gluthauch
der Flammenwerfer und Laute von Mensch und
Tier, für die es keine Worte gibt, die Melodie
vom Einsatz ohne Pause.

Was sind die Worte einer ganzen Welt, ge-
messen an der Wirklichkeit des Krieges? Da-
mals,' im Juni und am Bug standen wir vor
einer Welt, von der wir wußten, daß sie in
politischer Abgeschlossenheit lebt und europa-
und weltfremd und feindlch war. Hinter die
Zäune und Sperren ging unser Blick und die
Neugierde war stark, stärker als das Wissen,
daß es zu keinem Erntedankfest ging. Im Juni
wußten wir, wofür wir kämpften, jetzt wußten
Wir auch, gegen wen und um welchen Preis.

Aber es hieße die Wirklichkeit leugnen,
wenn immer nur von dieser einen Seite des
Krieges gesprochen würde. Das wäre einmal
nicht wahr und entspräche auch nicht unserem
Gerechtigkeitsgefühl. Haben wir denn nicht

neben dem Staub und dem verdorrten Gras
auch die Farbenpracht der blühenden Steppe
kennengelernt, den Choral der Farben und
Dütle, die nicht mehr die Europas sind? Ist der

Himmel nicht hoch und die Ferne nicht weit,
die Schönheit der Donhöhe, die meterhohen
Blumen, die Hochzeit der Steppe nicht wunder-
bar, reicht die Sternensprache nicht bis an den
Horizont und leuchtet nicht gerade im weiten
Raum des Ostens zu allen Jahreszeiten der
Glanz der Gotteslichter, die den Samtmantel
der Nacht besticken in gleißender Schönheit?
Haben wir schon anderswo den Mond so groß
gesehen, wie über den Steppen, waren die
Sonnenauf- und -Untergänge nicht ein Kaleido-
skop wundervoller Farben, lernten wir nicht
in den Seelen und der Not der fremden Men-
schen die Gegensätzlichkeit des Lebens ganz
anders als in der Heimat kennen, und schöpf-
ten wir nicht tiefe Dankbarkeit aus dem Be-
wußtsein, das Grauen des Erdkampfes von Volk
und Vaterland durch den Einsatz im Osten
ferngehalten zu haben?

Das ist nur sehr wenig, was hier geschrie-
ben steht, aber doch das Wichtigste.

Vor Stalingrad sah uns der Herbst, der Wind
trieb die Wolken unersättlichen Brandes nach
Osten und über rauchende Säulen gingen viele
schwere Tage in das Buch der Zeit. Nichts
blieb uns erspart. Der Kampf hatte wieder ein
neues gewandeltes Gesicht erhalten.

Den Bug kaum überwunden, strebten wir da-
mals zum Dnjepr, den Dnjepr im Rücken stürm-
ten wir den Donez, überbrückten den Don und
standen an der Wolga. Es "waren stolze la'je,
in denen wir unter der Sonne schwitzten und
unter den Sternen froren.

Die Weite machte uns nicht mutlos. Gewiß
sind die Straßen gewaltig und einsam und die
Maße scheinen unendlich und überdimensional,
wie alles in diesem Lande, aber sie haben doch
wie alle Straßen einen Anfang und ein Ende,
und jedes Maß kann in Zahlen festgelegt wer-
den, wenn es Begriff geworden ist.

Auf der Höhe

Wir stehen im fünften Kriegsjahr. In jeder
Zeitung könnt ihr das lesen und braucht nur
ein paar Wochen zurückzublättern'. Wenn das
nicht geschrieben stände, so wüßten es hier
draußen nur wenige. Wir fragen nicht, wann
dieser Krieg beendet ist; denn ohne uns kann
er ja gar nicht beendet werden. Sollte aber
die Frage nach dem „Wann" doch gestellt
werden, dann lautet sie: Wann haben wir ge-
siegt?

Wir haben auch das Maß gefunden. Kälter
kann es nicht mehr werden, das Artilleriefeuer
und Tiefbomber haben ihren Schrecken ver-
loren. Es kann uns nun nichts mehr kommen,
das steigerungsfähiger wäre, vielleicht noch
der Untergang der Welt.

Die Alten sind wir ja lange nicht mehr, aber
wir können viel abgeben vom Frontgeist der
Siegeszuversicht und unserer Haltung, und einer
von uns hat es mit guten Worten beschrieben:
„Schlagt mich tot, wenn es nicht wahr ist, wir '
sind im Herzen die gleichen geblieben mit
allem Glauben und Hoffen."

So ist das. Diese Worte wollen wir nicht um-
drehen und auch nicht an ihnen deuteln. Die
Front war immer stark und gläubig. Die letzte
Kraft aber haben wir jetzt aus dem Opfer der
terrorisierten Heimat in uns aufgenommen, und
zum Siegeswillen ist jetzt der Haß und der Blut-
trieb der Vergeltung gekommen.

Jede Art von Kampf ist uns bekannt, die offene
Schlacht, das Lauern auf den .anderen, die
Methoden auf tausend Meter und auf Reich-
weite der Fäuste.

Die Stunde ließ oft die Wahl zwischen Muni-
tion oder Brot, nur wer Soldat war, kann ver-
stehen, daß Munition wichtiger als Brot ist..

Die Summe aller Erkenntnisse ist jetzt klar
geworden und gipfelt darin, daß dieser Kampf
nicht von Uniformträgern, sondern von Solda-
ten mit nationalsozialistischem Fanatismus und
begeistertem Glauben an die Sendung des Rei-
ches und des Führers durchgestanden und sieg-
reich beendet wird.

Viele Momente haben wir in . diesem Jahr
zur Kenntnis nehmen müssen, Stalingrad, den
Kaukasus, Tunesien, Sizilien, die Ereignisse in
Italien, Kursk, Orel, , Charkow, Taganrog,
Dnjepropetrowsk; sie haben uns nicht weich
gemacht.

So fand uns der Herbst 1943.

Es hat uns an nichts gefehlt, um uns weich zu
machen. Flugblätter zu Millionen senkten sich
wie flatternde weiße Segel vom Himmel mit

Kampfflieger des Reiches über dem Olymp, dem Berge der Götter

DAS EWIGE SCHICKSAL

Es kann die Lust der goldnen Ernte .
Im Sonnenbrande nur. gedeihn;
Und nur in seinem Blute lernte.
Der Kämpler, irei und stolz zu sein;.
Triumph! Die Paradiese schwanden;
Wie Flammen aus der Wolke Scho'ß,
Wie Sonnen aus dem Chaos, wandern
Aus Stürmen sich Heroen los.

Mit ihrem heiigen Welterschlage, ,
Mit Unerbittlichkeit vollbringt
Die Not an einem großen Tage,
Was kaum Jahrhunderten gelingt;
Und wenn in ihren Ungewittern
Selbst ein Elysium vergeht,
Und Welten ihrem Donner zittern -
was groß und göttlich ist, besteht.

Es reile von des Mittags Flamme,
Es reile nun vom Kampf und Schmerz
Die Blüt' am grenzenlosen Stamme,
Wie Sprosse Gottes, dieses Herz!
Bellügelt von dem-Sturm, erschwinge
Mein Geist des Lebens höchste Lust,
Der Tugend Siegeslust verjünge
Bei kargem Glücke < mir die Brust!

Im heiligsten der Stürme lalle
Zusammen meine Kerkerwand,
Und herrlicher und freier walle
Mein Geist ins unbekannte Land^
Hier blutet oit der. Adler Schwinge;
Auch drüben warte Kamp! und l Schmerz!
Bis an der Sonnen 'letzte Ringe,
Genährt vom Siege, dieses Herz!

Hölderlin

Worten von1 Freiheit, Gleichheit und • Brüder-
lichkeit, man versprach uns Brot und Schoko-
lade, aber wenn wir nicht wollten die Peitsche
und den Mord.

Seit Monaten wird jetzt im Osten von uns
die schwerste Schlacht dieses Krieges geschla-
gen. Uber das Ergebnis jetzt zu sprechen, ist
nicht an der Zeit. Aber wir sind am Leben
und halten biegsam, aber unzerstört den Wall
der Front.

Niemand weiß besser als wir, wie es in die-
sen Stunden um .uns steht, und was wir hinter
uns bringen müssen, um die Schwere der Ge-
wichte in die Waagschale auf unserer Seite zu
werfen. Unsere Sorge hat ein gemeinschaftliches
Gefühl angenommen, sie ist auf einen Nenner
gebracht wie das Leid und die Freude, und da-
bei ist die Skala der Gefühle klein geworden.

Für jede Ranke, die niedergetreten wird,

wachsen zwölf neue, für jede Blume, die unter
den Stiefeln bleibt, blühen hundert andere. Von
uns werden noch-viele gehen,'vielleicht auch
du, Kamerad, vielleicht auch ich. Aber immer
wieder, auch in den aussichtslosesten Situatio-
nen, wird irgendwo, links oder rechts neben uns,
ein anderer in die Lücke treten, der in' der
rechten Hand das Gewehr trägt bis zum Ende
dieser harten Tage: Bis zum Sieg!

Was auch noch kommen mag, so wird doch
einmal die Stunde da sein, in der die Sonne des
größten Sieges der Menschheitsgeschichte um
die Adler der Standarten Adolf Hitlers und sei-
nes Volkes funkelt. Ob der eine oder andere
von uns, du oder ich, dann dabei sein werden
oder nicht, ist unwesentlich. Mögen wir einzel-
nen fallen oder erhalten bleiben: Leben werden
wir in der Frucht unseres Ringens doch, so
oder so.
 
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