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Das Mädchen von Francs.
Erzählung aus den Pampas Südamerika'».
Von Julius Mczny.
(Fortsetzung.)
Ohne Wallberg weiter eines Blickes zu wür-
digen, lehnte sich der Indianer schweigend an
eine Säule der Veranda und starrte unbeweglich
in die Weite.
Es konnte dem Rittmeister nicht
entgehen, daß nach kurzer Zeit die
Blicke des Häuptlings unruhig in der
Gegend umherzuschweifen begannen,
und daß die Unruhe desselben zunahm,
als ein einzelner Reiter in scharfem
Galopp dem Hügel zujagte, aus dem
das Hauptgebäude der Hacienda lag.
Bald ward es lebendig unter der
Veranda des Landhauses. Ordonnan-
zen kamen und gingen; einzelne Reiter-
trupps zogen im Trabe über das
Blachfeld, und endlich erschien ein
Adjutant des Generals, gefolgt von
einem Trupp Soldaten, die, wie er
zu dem Unteroffiziere, der in Wall-
berg's Wohnung die Wache hatte,
sagte, als Verstärkung des Postens
dienen sollten. Befremdet wandte sich
der Rittmeister an den Offizier, den
er um die Veranlassung zu diesen
Vorsichtsmaßregeln befragte.
„Sie wissen es noch nicht?" ent-
gegnete der Adjutant. — „Unsere
Waffenruhe scheint zu Ende zu gehen.
Schon gestern ging die Meldung ein,
daß die Wilden zahlreich in den Vor-
bergen der Anden schwärmen, und
heute Nacht ist die stumme Arancancrin
entflohen. Jetzt erhält das Gesindel
genaue Nachrichten über unsere Stärke,
und ich müßte die Brut nicht kennen,
oder sie wird nicht säumen, sich diesen
Umstand zu Nutze zu machen."
Kaum hatte der Offizier des Ent-
fliehens der jungen Wilden erwähnt,
als unwillkürlich dem Munde des Ka-
ziken ein kurzer Ausruf entfuhr; dann
lehnte er nach wie vor still und scheiu-

Tyomaü Cnrlylc. (S. 227.)

bar theilnahmlos an einem der unbehauenen Baum-
stämme, die das Schattendach der Hütte stützten.
Auch Wallberg war ungemein überrascht. Ein
Gefühl — er wußte selbst nicht, sollte er es ein
freudiges oder ein schmerzliches nennen — durch-
zuckte sein Inneres. Dann, seine Verwirrung
bemeisternd, fragte er, ob die junge Wilde wohl
die Vorpostenkette passirt haben könne? Der Helle
Mondschein auf der baumlosen Ebene mußte dieses
Vorhaben, wie er glaubte, vereitelt haben.

„Sie kennen das indianische Gezücht schlecht,
wenn Sie dies glauben," sprach verdrießlich der
Adjutant. „Die Disteln wachsen auf der ganzen
Ebene, und wo das Unkraut sich eine Elle über
den Boden erhebt, da ist Platz genug, um eineu
ganzen Trupp dieser rothhäutigen Bestien zu ver-
bergen. Dessenungeachtet wäre der Flüchtigen
der Spaß versalzen worden, wenn der Pampero,
der zweimal nach ihr schoß, ein besserer Schütze
gewesen wäre."
„Ob das Mädchen verwundet sein
mag?" fragte Wallberg, seine Angst
nur mit Mühe verbergend.
„Ich glaube nicht," entgegnete der
Adjutant, „der Teufel hilft den Seinen!
Auch meinte der Unteroffizier, der den
Posten kommandirte, man hätte bald
darauf ein lang anhaltendes Geschrei
in den Wäldern gehört; es wird das
Freudcugebrüll der Indianer gewesen
sein."
Der Adjutant sagte nun dem
wachthabenden Sergeanten noch einige
heimliche Worte, die, wie es Wallberg
bedünken wollte, sich auf ihn und den
Indianer beziehen mochten, in's Ohr
und entfernte sich hierauf. Bald be-
merkte der Rittmeister, daß die Schild-
wachen verdoppelt wurden. —
Kaum hatte Gailhac sein Frühstück
verzehrt, als er dem Rittmeister aus
einander zu setzen bemüht war, wie
er, so unlieb ihm auch eine Einladung,
bei der Herrin der Hacienda das Mit-
tagsmahl einzunehmen, gewesen sei,
dies dennoch nicht habe ausschlagen
können, und daß er die Gelegenheit
benützen wolle, so viel nur immer
möglich, bei dem General zn Wall-
berg's Gunsten zu wirken. — Der
Rittmeister wußte kaum, ob er mehr
die echt französische Selbsttäuschung
Gailhac's, etwas über einen Mann,
der noch vor wenig Tagen seine Hin-
richtung befohlen, zu vermögen, oder
die Sorgfalt, mit der er dem Freunde
das Interesse, das er für Francesca
zu empfinden begann, zu verheim-
lichen suchte, belächeln sollte.
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