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General v. tz. Tann. (S. 427.)

als
das Feuer ver-

„Hoch lebe Hugo Mindeck!" rief der älteste
meiner beiden Freunde, Anton Ralf, in nor-
malen Zeiten wohlbestallter Assesfor in Breslau;
„er hat es bis jetzt am Weitesten von uns
gebracht, denn er ist der Hort aller Verbrecher,
die letzte Hoffnung jedes Schelmen, der zum
Galgen geführt werden soll — kurz die Blume
und Perle aller Vertheidiger in des neuen deut-

Auf ewig verloren.
Den Erlebnissen eines Anwalts nacherzählt
von
Franz Lugen.
Jahres 1871,
um

Es war zu Anfang des
wir noch spät in der Nacht
sammelt saßen, das lustig
in dem Kamin des alten
französischen Schlaffes, in
dem wir auf Vorposten vor
Paris lagen, prasselte. Wir
hatten uns Punsch bereitet,
um uns von innen wie von
außen zu erwärmen, denn
die Kälte in jenen Tagen
war fürchterlich und wir
lernten den Felddienst in sei-
ner schwierigsten und härte-
sten Form kennen. Aber
heute Nacht hatten wir's
uns ziemlich behaglich ge-
macht, und das würzige heiße
Getränk begann die Sinne
zu erregen, die Zungen zn
lösen. Ich hatte alte Freunde
wieder gefunden, ehemalige
Studiengenoffen, die einem
Dragonerlandwehrregiment
einverleibt und durch Zufall
an jenem Tag zu meinem
Landwehrregiment auf Vor-
posten kommandirt worden
waren. So saßen denn die
flotten Bursche von ehedem
einander jetzt in der schmäh-
lich abgerissenen Commißuni-
form als gemeine Soldaten
gegenüber und erzählten sich
von den Freuden und Lei-
den einer dreimonatlichen Be-
lagerung. Die Geschütze aus
den Pariser Forts donnerten
draußen durch die schneidend
kalte Winternacht und erin-
nerten daran, daß der Feind
in der noch unbezwungenen

scheu Reiches gewaltiger Metropole . . . Hoch
Mindeck!"
Er erhob in übermüthiger Laune sein Glas
und wir stießen mit ihm an. Mindeck nahm die
scherzhafte Rede des Freundes halb lachend, halb
ärgerlich hin und erwiederte gegen mich gewendet:
„Höre nicht auf den Phantasten! Du weißt
ja, wie er immer zu übertreiben liebte. Ich hatte
mich, nachdem ich mein Exa-
men gut bestanden, in Berlin
als Rechtsanwalt niederge-
lassen, und weil ich bei mei-
nem ersten öffentlichen Plai-
doyer das Glück" ....
„Wie er den Bescheide-
nen spielt!" fiel ihm Ralf
in das Wort. „Ich sage
Dir, seine Jungfernrede hat
solche Sensation gemacht,
daß seitdem in Berlin auch
der schwärzeste Sünder hofft
durch die Macht der Beredt-
samkeit des berühmten Ver-
teidigers in den Augen der
Geschworenen als weißes
Unschuldslamm zu erscheinen!
Hättest Du nicht bis vor
Ausbruch des Krieges Dich
im wässerigen England Her-
umgetrieben, Du müßtest
von dem Ruhme des ehe-
maligen Studiengenoffen ge-
, hört haben."
„Höre nicht auf den losen
Spötter," begann Mindeck
wieder und ein finsterer
Schatten flog über sein
schönes, ernstes Gesicht, „ich
will Dir mit zwei Worten
sagen, wie es kam, daß ich
so rasch zu dem Ruf eines
geschickten Vertheidigers und
zu einer starken Clientele ge-
langte. In Berlin lebte ein
Freund meines verstorbenen
Vaters, ein gesuchter und
sehr geschickter Rechtsanwalt,
an den mich mein Vormund,
empfohlen hatte. Der alternde
F 61
 
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