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Ein Majestätsverbrechen.
Aus dm Papieren eines Rechtsanwalts mitgetheilt
von
Kail' Kljep.
(Fortsetznng.)
Die böse Brücke über die Ilse lag hinter mir,
ich hatte die Fleischergasse und den St. Aegidien-
markt überschritten und lenkte schon nach der
Dominikanergasse hinüber, als mir plötzlich um
die Ecke der Stephansstraße herum zwei Gestalten
entgegentraten.

duldig. „Das Wetter ist zu abscheulich. Gute Nacht,
Herr Obergerichtsanwalt."
„Gute Nacht," rief mir auch der Kriminalrath
schon im Weiterschreiten begriffen zu. Plötzlich
aber kehrte er noch einmal um und kam auf
mich zu.
„Apropos," sagte er, „Sie sind, wie ich höre,
kurz vor der Haussuchung bei dem Doktor Stein-
mann gewesen. Nun weiß ich zwar, daß Sie die
excentrischen ultra-radikalen Ansichten Ihres Freun-
des nicht theilen werden, aber um jeder Form zu
genügen, muß ich Sie auf Pflicht und Gewissen
befragen, ob Sie nicht aus Freundschaft für den

Verhafteten irgend welche zur Untersuchung wich-
tige Schriften oder sonstige Beweisstücke verheim-
licht oder bei Seite geschafft haben?"
Die Frage kam mir sehr unverhofft und un-
gelegen. Ich war wie vom Donner gerührt und
betrachtete es als ein großes Glück, daß die tiefe
Finsterniß der Regennacht meinen Farbenwechsel
mitleidig zudeckte. Allein der Kriminalrath schien
gleich den Eulen im Finstern besonders gut zu
sehen, denn als ich nicht sogleich antwortete, fuhr
er fort: „Ort und Wetter sind zu einer Unter-
suchung wenig geeignet, ich bitte daher um Ihre
rasche und bestimmte Erklärung."

„Ei was Tausend, Herr Ober-
gerichtsanwalt? Sind Sie auch noch
unterwegs?" rief mir die bekannte
tiefe Stimme des Polizeiraths v.Müller
entgegen. „Ich glaubte doch, daß
Sie direkt nach Hause gehen wollten."
„Ich bin unterwegs eingekehrt;
das Wetter war zu entsetzlich," ent-
gegnete ich.
„Wie? Haben sich die beiden
Herren heute Abend schon getroffen?"
fragte der zweite Herr, in welchem
ich alsbald den Untersuchungsrichter,
Kriminalrath Schatz erkannte.
„Ja, wir trafen uns beim Doktor
Steinmann, welchem unser Herr
College hier nach seiner eigenen Er-
klärung befreundet ist. Nun, Ihr
Freund befindet sich in Nummer
Sicher."
„Haben Sie ihn wirklich fest-
genommen?"
„Natürlich. Die sofortige Ver-
haftung war in diesem schweren Falle
durchaus unvermeidlich," entgegnete
der Kriminalralh. „Haben Sie den
heutigen Artikel der Morgenzeitung
' nicht gelesen?"
„Nein," sagte ich mit sophistischem
Freimuthe; denn der Artikel war mir
ja vorgelesen worden. „Ist die Sache
wirklich bedenklich?"
„Ja, sehr bedenklich!" gab er
lakonisch zurück.
„Brechen wir das Gespräch jetzt
ab!" mahnte der Polizeirath unge-

Wie durste ich jetzt, nachdem ich


das böse Päckchen in der Tasche
hatte, jene Versicherung, die ich
vorher dem Polizeirath mit gutem
Gewissen hatte geben können, dem
Kriminalrichter gegenüber wieder-
holen? Und wenn ich die Erklärung
verweigerte? — Das Gerichtsgebäude
lag ganz nahe in der Stephans-
straße, aus welcher die beiden Herren
soeben gekommen waren. Wenn man
mich nöthigte, dorthin zurückzukehren,
mich etwa gar dort durchsuchte?
Schon dachte ich daran, im
Interesse meines verfolgten Freundes
cs bis zu diesem Aeußersten kommen
zu lassen, und unterwegs die Papiere
in eine Gosse wegzuwerfen, als der
Polizeirath, mein Zögern bemerkend,
dem Kriminalrichter als Succurs bei-
sprang. „Seit vorhin," sagte er, „wo
ich Ihnen im Hause des Verhafteten
auf Ihren Diensteid die nämliche
Frage, die jetzt der Herr Kriminalrath
an Sie stellt, vorlegte, kann sich man-
cherlei ereignet haben, wovon die Po-
lizei noch keine Kenntniß hat: also wie-
derhole ich sie hiermit im Einverständ-
niß mit dem Herrn Kriminalrath."
Wie konnte ich jetzt noch leugnen?
— Ich suchte nur wenigstens noch Zeit
zu gewinnen, versprach, bis zum fol-
genden Morgen gewisse Dokumente,
die sich in meinem Besitze befänden, ab-
zuliefern und dann trennten wir uns
— ich ging mit schwerem Herzen.

W- Howard Nusicll. (T >

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