Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Das Fennchen von Plön.
Historische Novelle
von
Ludwig Salomon
(Fortsetzung.)
In drückend angstvoller Beklemmung
im Stuhle. Da ging es wie ein
durch's Gemach; ich horchte
auf. Kommt denn keiner
von deinen vielen Dienern
und Dienerinnen, die dich
ans deiner entsetzlichen Lage
retten? Und es wehte an
mir vorüber, kaum hörbar:
„Das sind die Thränen, die
du dem unglücklichen Sach-
senlande ausgepreßt hast.
Das sind dieThränen," tönte
es vernehmbarer. Die Dra-
chen verzogen ihre Gesichter
zu entsetzlichem Gelächter, sie
bogen sich hin und her; die
Thränenschale war bis an die
Decke gewachsen, sie schienen
sie nicht mehr tragen zu
können und machten schwan-
kende Bewegungen, ihre Last
abzuwerfen. „Das sind die
Thränen," rief es lauter
durch das Zimmer, „das sind
die Thränen, die dich nun
ersäufen sollen!" schrie es
gellend.
Ein entsetzlicher Schreck
durchfuhr mich, ein schmerz-
hafter Stich ging mir durch's
Herz, mit einem Schrei sank
ich bewußtlos zurück.
Ich kam bald wieder zu
mir, aber man hatte mich
doch schon auf ein Ruhebett
gelegt, denn die Kammerfrau
hatte meinen Ausruf gehört.
Ich war aber noch so er-
mattet, daß ich die Augen
noch nicht aufschlagen konnte.
Da hörte ich auch noch zwei
Stimmen leise neben mir,

ich kannte sie, es war die des Leibmedikus und
des Hofmarschalls. Beide Herren hatten sich zur
Spielsoiroe bereits in der anstoßenden Galerie
befunden, als mir unwohl geworden war.
„Es sind wirklich starke Nervenzufälle," zischelte
der Hofmarschall, „man sollte es nicht denken bei
einem so robusten Frauenzimmer."
Der Leibmedikus antwortete noch leiser, aber

ich hörte dennoch, wie er über mich eine so ab-
scheulich unzarte Aeußerung that, daß sich mein
Gefühl sträubt, sie wiederzugeben. Mir vergin-
gen abermals die Sinne über solch eisig-kalten
frivolen Worten.
Mein Entschluß war gefaßt. Es brannte mir
das Parguet unter den Füßen, ich müße fort,
zum Könige; ich mußte ihm die Qualen meines
Herzens, meines Gewissens
aufdecken, mußte meine Ent-
lastung fordern, um dann
im Verborgenen meine Sün-
den zu beweinen."
Die Erzählerin brach in
Thränen aus und barg das
schöne Gesicht in's Taschen-
tuch. Georg v. Osten aber
blickte ernst auf das Bild
tiefsten Jammers vor sich,
es ergriff ihn eine so herbe
Wehmuth, eine so schmerz-
liche Bitterkeit, daß es ihm
die Kehle zuschnürte. Er
hätte gern ein Wort des
Trostes gesagt, das der Un-
glücklichen so wohl gethan
hätte, er konnte aber keine
Silbe hervorbriugen und so
klang zu dem Jammer in
dem kahlen Zimmer nichts,
als der schwache hohle Wider-
hall des heftigenSchluchzens.
Endlich faßte sich das
erregte Herz wieder, die
schlanken weißen Hände leg-
ten sich noch einmal trock-
nend mit dem Tuche über
die Augen, dann fuhr sie
fort:
„Der König hörte, daß
ich ihm folge; es war
ihm allerlei über mich in's
Ohr gezischelt worden — ich
ward auf halber Tour von
königlichen Garden zurück
nach Dresden geführt. Ich
wartete die Rückkunft des
Königs ab, aber er ließ mich
nicht wieder vor. Ich sah

lag ich
leiser Odem

> General v. Manteufsel, (S. 639 )
 
Annotationen