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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 6.1871

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Das Äennchen von Plön.
Historische Novelle
von
Ludwig Salomon.
(Schluß.)
Freilich hatte es mit dieser Stimmung des
Magisters noch eine andere Bewandtniß. Ver-
geblich hatte er sich bisher nm die in nächster
Zeit zu besetzende Adjunktur be-
müht, vor einigen Wochen war
in den maßgebenden Kreisen,
zu denen auch Wolff gehörte,
verlautet, daß sich auch Herr
v. Osten darum bewerbe und
daß eine besondere Berücksich-
tigung des geistvollen Mannes
wohl stattfinden würde. Jetzt
aber, wo sich dieser Herr mit
einem so sündhaften Frauen-
zimmer so zweideutig abgegeben;
jetzt, wo man selbst über Wolff
in der ganzen Stadt den Kops
schüttelte, jetzt ergriff der ver-
gnügte Magister die offenbar
günstige Gelegenheit, einen
Schatten auf den unbequemen
Nebenbuhler zu werfen. Er-
lief daher auf das Waisenhaus
zu Professor August Hermann
Francke, der mit einflußreicher
Macht an der Spitze der theo-
logischen Fakultät stand und
berichtete über die schlimmen,
verderblichen Zustände, die durch
jenes geheimnißvolle Frauen-
zimmer, die vielleicht, man
munkele das, er könne es nicht
verbürgen, jene aus Sachsen
vertriebene sündhafte Kosel sei.
Es seien auch schon böse Folgen
zum Vorschein gekommen, be-
merkte er traurig, der Herr
v. Osten, der sich kürzlich um
die offene Adjunktur mit be-
worben, sei von dem heillosen
Weibe bereits erfaßt worden
— über Professor Wolff wolle

er nicht sprechen, da er ihm viels Wohlthaten
zu danken habe.
Diese Nachrichten versetzten den frommen
Francke in die heftigste Aufregung. Er hatte
den weltlichen Wolff fchon seit längerer Zeit miß-
billigend angesehen. Er batte es bitter empfun-
den, daß der anfangs ihm fo treu ergebene Herr
v. Osten sich nach und nach gänzlich der verderb-
lichen Wofff'fchen Philosophie zngewendet und der
wahren Gottesfurcht entfremdet, fo daß er wie-

CMtiNl MocuNSisik. (§. 655.)

derholt den Ausspruch gethan: wer den Euklid
und die Wolff'sche Philosophie studire, der könne
kein frommer Mensch sein. Jetzt lag nun also schon
das bedrohliche Uebel dieser Lehre vor ihm zu
Tage, er sah die wohlanständige Sitte, den guten
Ruf der Universität auf dem Spiele — eilig
setzte er sich darum, an den ihm wohl gewogenen
König die dringende Bitte zu richten, die Kosel,
wenn sie es sei, aus Halle zu entfernen. Mit
Herrn Professor Wolff nahm er sich vor dann
selbsten noch nm Gottes willen
eindringlich zu reden.
Mittlerweile hatte Georg
auf seiner kleinen Besitzung die
Einrichtungen zur Aufnahme der
Gräfin schnell angeordnet, es
war Alles nach Wunsch ge-
gangen, schon nach wenigen
Tagen besand er sich wieder
auf der Rückreise. Da traf er
zufällig iu Hamburg bei kurzer
Rast alte Kriegskameraden aus
dem ehemaligen schwedischen
Heere, das bei Bender aufge-
löst worden; sie trieben sich jetzt
in der Welt umher, hatten sich
einige Zeit am famosen sächsi-
schen Hofe verlustiret; weil
aber da schließlich kein Geld
mehr aufzutreiben gewesen, fo
waren sie nach Berlin gekom-
men. Dort nun, so erzählten
sie lachend, wären sie beinahe
vor Langeweile gestorben, hätte
sie nicht wenigstens auf einige
Tage noch eine heitere Komödie,
die Verjagung der excellenten
Kosel, unterhalten. Jetzt seien
sie nach Hamburg gekommen, um
der Hanfastadt ihre Dienste an-
zubieten, da ein Streit Zwischen
dieser und dem hannöver'schen
Kurstaate wegen der Elbzölle
auszubrechen drohe.
„Uebrigens," bemerkte noch
ein Offizier, „kann ich schließ-
lich in Bezug auf die Kosel den
Herren berichten, daß mir heute
ein Kaufmann, den ich in Berlin
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