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Krimiualerzä h lung
von
Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.)
Platen antwortete Stein nicht, er wandte sich ab, nm
seine Erregung zu verbergen. Beide stiegen hinab zu
dem Zimmer, in welchem sich die Damen befanden.
Während Stein seine Mutter begrüßte, trat Platen
an Elsa heran.
Ihr Auge schien auszuleuchten, als er in das Zim-
mer trat, setzt hatte sie dasselbe gesenkt und die Hand,
die sie ihm zur Begrüßung reichte, zitterte leise/
„Sie haben lange auf sich warten
lassen," sprach sie mit halbleiser Stimme.
Der Freiherr trat hinzu und ersparte
ihm die Antwort.
„Nun, habe ich nicht Recht, sieht
Elsa nicht so Wohl und blühend aus,
wie ich sie nie gekannt?" ries er.
„Ich weiß, wem ich es zu verdan-
ken habe," erwiederte die Genannte und
reichte dem kleinen Herrn, der ihr bester
Freund geworden war, die Hand.
„Dir selbst und dem stillen Leben
hier," fuhr der Freiherr, den Dank ab-
lehnend, fort. „Ich habe es Dir vorher-
gesagt, damals wolltest Du mir freilich
nicht glauben, ich wußte aber bestimmt,
daß Du wieder genesen und glücklich
werden würdest."
Ohne Elsa's Antwort abzuwarten,
ging er fort und ließ sie mit Platen
allein. Ein verlegenes Gefühl bemäch-
tigte sich ihrer, halb in Gedanken zer-
zupften ihre Finger die Blätter eines
hochgezogenen Epheu, den ihre Hand
sonst so sorgfältig Pflegte.
„Ich hoffe, daß der Freiherr die
Wahrheit gesprochen hat, daß Sie sich
hier glücklich fühlen," sprach Platen.
„Ich habe hier mehr gefunden, als
ich erwartet," erwiederte Elsa, ohne
aufzublicken; „ich bin ruhiger gewor¬
den, habe gelernt zu überwinden und
zu vergessen, ob dies indessen allein
zum Glücke genügt?"
„Nein, aber es ist die Grundlage,
auf der sich Ihr Glück aufbauen wird,"
bemerkte Platen. „Sie hoffen doch
wieder, Ihr Auge blickt der Zukunft
hefterer entgegen und die Zukunft wird
Sw nicht täuschen."
Stein trat hinzu, um die Schwester
zu begrüßen, er ahnte nicht, wie wehe er
dem Freunde durch diese Störung that.

Der Abend brach herein und die Ungeduld trieb
den Freiherrn, den Weihnachtsbaum, den er allein
und heimlich ausgeschmückt, anzuzünden. In dem
Salonzimmer stand der Christbaum und dort hatte
er die Geschenke ausgebaut, mit denen er Jeden in
der sinnigsten Weise erfreute.
Als er die Thüre des Salons öffnete, und seine
Gäste aufforderte, einzutreten, glänzte sein Gesicht wie
das eines Vaters, der seinen Kindern bescheert. Die
Freude schien den kleinen Herrn zu verjüngen, so
lebhaft eilte er von Einem zum Andern, um Jeden
an den für ihn bestimmten Tisch zu führen, und dann
eilte er schnell wieder fort, um sich dem Danke zu
entziehen.
Elsa hielt ihn endlich fest, sie hatte ihm mit ihrer

Mutter einen Teppich vor seinen Schreibtisch gearbeitet
und breitete denselben vor ihm aus.
Der kleine Herr wurde ganz still und sein Auge
ruhte bewegt aus der geschmackvollen und mühsamen
Arbeit. Er hatte Elsa's Hand ersaßt und hielt sie
fest, indem er sie dankend drückte. Er wollte seine
Bewegung verbergen und doch gelang es ihm nicht.
„Seit Jahren, seit dem Tode meiner Frau erhalte
ich an diesem Tage zum ersten Male wieder ein Ge-
schenk," sprach er. „Sieh, in dem Hause meiner El-
tern wurde dieser Tag am schönsten im ganzen Jahre
gefeiert, als Kinder freuten wir uns schon Wochen
und Monate vorher auf diesen Abend. Ich verlor
meine Eltern früh, kam fort aus dem Vaterhause
und lange Jahre habe ich den Christabend stets allein
gefeiert, Niemand dachte daran, mir
an ihm auch eine Freude Zu bereiten.
Als ich mich endlich verheirathet hatte,
da kam wieder eine schöne Zeit, denn
meine Frau zündete regelmäßig für
uns Beide den Christbaum wieder an
und Wochen lang zuvor sannen wir
darüber nach, wie wir einander eine
Ueberraschung und Freude bereiten konn-
ten. Meine Frau starb und für mich
gehörte dieser Abend, an dem so viele
Millionen Herzen sich freuen, zu den
trübsten im ganzen Jahre; in meinem
Zimmer faß ich regelmäßig allein,
Niemand dachte an mich, kein Licht-
schimmer eines Christbaumes drang zu
mir, ich war reich, ich hätte mir Alles,
was ich wünschte, kaufen können und
doch fühlte ich mich arm. Das kleinste
Geschenk würde mir eine große Freude
bereitet haben, denn es hätte mir gesagt,
daß Jemand in Liebe meiner gedacht.
Heute bin ich seit Jahren zum ersten
Male wieder beschenkt und ich weiß,
daß mit diesem Geschenke ein neues
Glück in dies Haus einkehren wird!"
Er eilte von Elsa zu ihrer Mutter,
um ihr zu danken, er war so glücklich
und heiter, daß er Jeden hätte in die
Arme schließen mögen.
Heiter schwand der Abend dahin.
Frau v. Malten und Emmy kehrten
heim und Elsa und die Geheimeräthin
begaben sich zur Ruhe. Stein und Pla-
ten zogen sich auf ihr Zimmer zurück,
da der Freiherr ermüdet zu sein schien.
Platen war verstimmt. Einige Mi-
nuten lang bei der Begrüßung hatte
er die Hoffnung gehegt, daß Elsa ihn
liebe, denn ein inniger, bewegter Ton
schien aus ihren Worten Zu klingen,
daun war er wieder zweifelhaft gewor-
den, denn sie war sehr still gewesen.
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Robert v. Kcudcll, Gesandter Les deutschen Reiches zu Rom. (S. 203p
Nach ciuer Photographie gezeichnet von C. Kolb.
 
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