Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Das Haus des Othello.
Erzählung
von
C R. Struwh.
«Fortsetzung.)
Ua8,eiat6 oZni 8p6rav^a!
Wem das Schicksal dies Wort
an die Stirne geschrieben hat,
der ist ain unglücklichsten.
Es ist das herbste Leid, das
einen Menschen treffen kann,
ganz ohne Hoffnung zn sein
und dennoch immer fortwan-
dern zu müssen auf derstaubigen
schnurgeraden Straße des Le-
bens, ohne einen Genossen,
dessen Arm uns stützt, wenn
wir zusammensinken wollen,
ohne einen Ruheplatz, der
uns Grün und Schatten bietet,
täglich dieselbe Sysiphnsarbeit
wieder zu beginnen und am
Abend sich zu sagen: das war
wieder ein Tag der vergeblichen
Qual und das Morgen wird
so sein wie das Heute.
So war der Lebenslauf
der alten Fran gewesen, welche
in der anderen Hälfte des
Palazzo Barberigo in dem
rothsammetnen Lehnstuhl mit
verblichener Vergoldung ani
Baikonfenster saß. „Wir wol-
len zu Ende kommen," sagte
sie. „Wissen Sie denn wirklich
keinen andern Rath, L u i gi?"
Der Angercdcte, ein kleiner
gebückter Greis in sehr schäbi-
gem Kostüm, aber mit den
seinen zurückhaltenden Manie-
ren, wie sie den Herrendienern
eines aristokraiischen Hauses
wohl anstehen, hielt es für
seine Schuldigkeit noch einmal
nachzudenken. Er strich mit
der Hand über den kahlen
L-cheitel, den nur ein schmaler
Kranz weißer Locken einfaßte,
legte dann den Daumen an
die imposant geformte Nase
und versetzte mit einem kleinen
Achselzucken und kummervoller
Miene: „Ich weiß keinen,
Contessa."
Die Frau, welche zuerst
gesprochen hatte, seufzte. Man

Mincheucr Kesselflicker. lL. 275.)


sah von ihr nichts weiter als
die schmalen weißen Hände,
deren magere Finger die Falten
des schwarzen Seidenkleides,
das schon sehr, sehr lange
Dienste gethan zu haben schien,
ungeduldig glätteten. Darüber
hatte sie, trotzdem daß die
Nachmittagssonne warm durch
die offene "Balkouthüre hinein
schien, einen alten türkischen
Shawl gebreitet, den Kopf
umgab ein Gewirr von grauen
Locken, Spitzen und Bändern,
und daraus war ein grüner
Schirm gedrückt, welcher die
kranken Augen der Frau
schützte, aber deren Züge voll-
ständig unsichtbar machte.
„Soll ich denn Alles missen,"
sagte sie halb klagend, halb
verdrießlich, „was mich an
vergangene Zeiten erinnert!
Es ist ein Andenken, der Im-
presario schenkte es mir an
dem Abend, als Giuditta zum
ersten Mal in der Fenice ge-
tanzt hatte. — Und was werden
die Leute sagen, wenn ich
morgen ohne das Armband
in die Messe komme!"
Jetzt hustete ein junges
Mädchen, das im Hinter-
gründe des Zimmers über
ihre Handarbeit gebückt saß,
leise und wies, als der Alte
zn ihr hinschaute, auf ein Bild,
das über ihr an der ver-
schossenen und an vielen Stellen
fadenscheinig gewordenen roth-
seidenen Tapete hing. Es
war das letzte im Zimmer,
aber einige dunklere Stellen
an der Wand deuteten an, daß
es bis vor Kurzem nicht das
einzige gewesen sei.
Nachdem der Alte dem
Mädchen zugenickt, wendete er
sich wieder an die Frau und
sagte mit gebrochener, melan-
cholischer Stimme: „Da fällt
mir ein, wir haben ja noch
unsere Bilder."
„Aber Luigi," fuhr die
Frau auf, „Sie meinen doch
nicht, daß ich die Ahnenbilder
verkaufen soll?" ,
„Nicht doch, gnädige Frau
I 35
 
Annotationen