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jungen Mädchens zu entledigen wünsche. Damit stieg
sein Interesse für die ihm noch gänzlich unbekannte
Josepha bedeutend, er begriff besser die ihm zuerst über-
ängstlich erschienenen Besürchtungen Graf Gregors und
nahm sich fest vor, ohne alles persönliche Interesse streng
über die Sicherheit von dessen Tochter zu Wachen.
Auf der anderen Seite befanden sich Valeska und
Graf Anton in keiner geringen Verlegenheit; indem sie
ihm Vorwürfe machte, daß er sich dem Doktor gegenüber
nicht richtig benommen habe, und ihn ihren Verdruß
darüber fühlen ließ, gestand sie eigentlich zu, daß sie mit
seinem Plane einverstanden gewesen sei und einen besseren
Erfolg davon erwartet habe, und er sah wieder ein, daß
er, um sich ihrer Frcunhschaft zu versichern und daraus
Nutzen für sich zu ziehen, ihr einen besseren Vorschlag
machen müsse, der auf dasselbe Ziel hinausging.
Dies war jedoch keine so leichte Sache. Unter seinen

Carlotta Patti.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 81.)

Die Erbin.
Roman
von
Stanislaus Gras Grabowski.
(Fortsetzung.)
Des Grafen Blick sagte noch mehr wie seine Worte.
Oskar verstand beide, errieth auch, welche Zumuthung
inan ihm gerne gestellt hätte, und fühlte sich innerlich
so empört darüber, daß er alle Selbstbeherrschung auf-
bieten mußte, um Graf Anton nicht die herbste Antwort
in das Gesicht zu schleudern.
Wozu sollte dies indessen führen? Ter Graf würde
ohne Zweifel behaupten, gänzlich mißverstanden worden
zu sein und konnte ihn dann noch zur Rechenschaft über
einen so abscheulichen Verdacht ziehen. Hätte er sich ge-
stellt, als wäre er nicht abgeneigt,
auf das Anerbieten cinzngehen, so
würde er vermuthlich weitere Beweise
von einem beabsichtigten Verbrechen
erhalten haben, doch schauderte er
schon davor zurück, dasselbe noch Wüter
zur Sprache zu bringen. Zur Vor-
sicht für Josepha war er bereits ge-
nügend gewarnt.
Sich gewaltsam bezwingend, ant-
wortete er mit auffälliger Kälte und
den durchdringenden Blick Graf An-
tons mit einem gleich festen erwi-
dernd, daß er keineswegs dessen Be-
fürchtungen hege und, wie es ihm
Pflicht und Ehre vorschreiben, Alles
aufbieten würde, das junge Mädchen
wohlbehalten nach Opalin zu bringen.
Dieser entschiedenen Erklärung ge-
genüber mußte der Graf verstummen;
er hatte die Ucberzeugung gewonnen,
daß er sich in dem Doktor sehr ge-
täuscht und ein gefährliches Spiel ge-
wagt hatte; es blieb ihm nichts übrig,
als dasselbe auf der Stelle aufzu-
geben. Gewandt genug lenkte er in
eine andere Unterhaltung ein, wurde
dabei jedoch sehr einsilbig nnd viel
zurückhaltender wie vorher in seinem
ganzen Benehmen.
Als die Gräfin kam, sagte ihr
ein heimlicher Wink ihres Vetters, daß
sein Plan gescheitert sei, und sic sprach
zu Dorn nun. nur von der Anweisung
der Reiscmittel, entließ ihn auch bald
wieder.
Oskar sprach zu keinem Menschen,
selbst nicht zu seiner zärtlich geliebten
und hochverehrten Mutter, der er sonst
volles Vertrauen schenkte, von seiner
Unterredung mit Graf Anton und der
Entdeckung, die er sicher dadurch ge-
macht zu haben glaubte, daß Gräfin
Valeska sich um jeden Preis des

Bekannten hätte er schon einen anderen Reisebegleiter für
Josepha herausfinden gekonnt, der sich dem verbrecherischen
Projekte williger erwiesen haben würde, aber Dorn, in
dem zweifellos einmal Verdacht erweckt worden, wäre
jetzt Wohl um so weniger geneigt gewesen, von dem Auf-
trage, den ihn: Graf Gregor gegeben hatte, freiwillig
zurückzutrcten, und selbst wenn man ihn dazu bewegen
konnte, durfte man jetzt kein Attentat auf Josepha's
Person mehr wagen, da er gewiß zu dessen Aufdeckung
bcigetragen hätte.
Es mußten jetzt ganz andere Maßregeln ergriffen
werden, die mit dem ersten Plane in gar keinem Zu-
sammenhänge standen, und Valeska wie Graf Anton
zerbrachen sich lange vergeblich den Kops deshalb.
Darüber kam die Zeit heran, über welche sich Dorn's
Abreise nicht länger aufschieben ließ. Mit allem Noth-
wendigen versehen, verabschiedete er sich von der Gräfin
auf Schloß Opalin, wohin sie schon
wieder zurückgekehrt war, und sie hatte
nur noch den Auftrag oder vielmehr
die Bitte für ihn, er möge sich bei
Josepha versichern, ob es derselben
angenehm sein würde, ihre Stiefmutter
hier noch vorzufinden, und sic, Va-
leska, sofort davon brieflich benach-
richtigen; im anderen Falle wollte auch
sie, wie sie sagte, ein peinliches Zu-
sammentreffen vermeiden. Es hing
ganz von dem Allen noch unbekannten
Charakter Josepha's ab, welche Ent-
scheidung in dieser Hinsicht getroffen
werden mußte, dem Doktor wäre es
aber bei seinen neuerdings erregten
Befürchtungen lieber gewesen, wenn
sich jede Persönliche Berührung zwischen
der Wittwe und der sungen Erbin
hätte vermeiden lassen.
In den ersten Tagen des Mürz
reiste er ab.
Graf Anton blieb noch immer ans
Opalin nnd verkehrte auf das Ver-
traulichste mit seiner Cousine; vor-
läufig trafen sie auch noch nicht die
mindesten Vorbereitungen, den Platz
zu räumen. Sie konferirten oft ge-
heimnißvoll — wenn man nach ihren
verdrießlichen Mienen schließen sollte,
ohne zu einem befriedigenden Resul-
tate zu gelangen; als aber nach Ver-
lauf von ungefähr 14 Tagen ein
Brief von Doktor Dorn aus Paris
eintraf, in welchem er Josepha's
bevorstehende Abreise von dort meldete,
nnd ein anderer von ihr selbst, in dem
sie mit den freundlichsten und erge-
bensten Ausdrücken Gräfin Valeska
bat, auf Opalin zu bleiben, so lange
wie sie wollte, und sich daselbst noch
immer als Herrin zu betrachten, tri-
umphirten die beiden Jntriguanten
und schöpften neue Hoffnung; sie
 
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