Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


ihm noch manchen Aergcr

hatte kaum den

Koloman v. Tisza, ungarischer Prcmicr-Miiiistcr.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 127.)

aus, daß gerade dieser Fall
bereiten würde.
Der Oberst war heute Mittag ebenfalls mißgelaunt,
er sprach mit seinem Sohne fast kein Wort und doch
hatte er noch beim Frühstück die heiterste Stirne gezeigt.
Auf eine Frage, die ein Fremder au ihn richtete,
gab er eine so grobe Antwort, daß sogar die, welche
seine Grobheit kannten, ihn befremdet anblickten.
Die Speisen schienen ihm auch nicht zu munden, die
meisten Schüsseln ließ er unberührt, selbst der Kellner
schüttelte den Kopf, als ob er andcutcn wolle, daß er
den Oberst in solcher Stimmung noch nicht gesehen
habe.
Siegfried wagte nicht, eine darauf bezügliche Frage
an den Vater zu richten, eine dunkle Ahnung stieg in
ihm auf, daß das drohende Gewitter sich über seinem

eigenen Haupte zusammenzog, da war es rathsamer, den
Ausbruch desselben geduldig zu erwarten, als ihn zu
beschleunigen.
Endlich wurde die Tafel aufgehoben, aber von der
gewohnten Plauderstunde bei einer Taffe Kaffee war
heute keine Rede, der Oberst erhob sich, gab seinem Sohne
einen Wink und verließ, von ihm begleitet, den Gasthof.
Als die Beiden in ihrer Wohnung angelangt Waren,
warf der Oberst einen Brief auf den Tisch.
„Lies den Wisch," sagte er, „es ist freilich ein ano-
nymer Brief und ich würde gar kein Gewicht darauf
legen, wenn er nicht in dein flegelhaft höhnischen Tone
verfaßt wäre. Wüßte ich, wo ich den Schreiber suchen
dürfte, so würde ich ihm die Antwort mit der Reitpeitsche
geben."
Betroffen entfaltete Siegfried das Schriftstück, es ent-
hielt nur die wenigen Zeilen:
„Herr Oberst! Ich gratnlire Ihnen
zu der nahe bevorstehenden Verbindung
Ihres Sohnes mit Fräulein Arabella
v. Stuckmann, die gestern durch eineu
Besuch des Herrn Assessors eingeleitet
worden ist. Die alte Feindschaft wird
dadurch getilgt und das verrostete Wap-
pen kann neu vergoldet werden. So
schlagt man zwei Fliegen mit einer
Klappe."
Dem Assessor war das'Blut in die
Wangen geschossen, seine Pulse Pochten
fieberhaft.
„Das ist ein Bubenstück!" sagte er
empört.
Der Oberst hatte die Arme auf der
Brust gekreuzt, er ging mit großen
Schritten auf und nieder.
„Ein Bubenstück allerdings," wieder-
holte er mit erzwungener Ruhe, aber
die zitternde Stimme verricth die furcht-
bare Erregung, die in feinem Innern
tobte. „Ich frage Dich, Siegfried, hast
Du dem Schreiber Veranlassung dazu
gegeben ?"
„Inwiefern könnte ich —"
„Hast Du die Generalin besucht?"
„Ja."
In den Angen des alten Herrn
blitzte es jäh ans, aber er bezwang sich
noch immer.
„Wann?" fragte er. .
„Gestern Vormittag."
„Was bewog Dich dazu?"
„Die Untersuchung gegen den Mör-
der des Doktors Wieland."
„Sei offen, Siegfried, sage mir die
volle Wahrheit."
„Ich will nicht leugnen, daß ich den
Damen diesen Besuch gewissermaßen ver-
sprochen hatte. Ich begegnete ihnen
im vergangenen Winter zweimal, Du
weißt das ja, ich habe. Dir nicht ver-
schwiegen, daß sie mich einludeu."

Die Hau- der Demesis.
Roma n
von
ßivakd August König.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
Auf die Vergangenheit konnte das freilich keine Rück-
wirkung haben, es zeugte sogar eher für, als gegen seine
Schuld, denn die amerikanischen Erlebnisse bewiesen, daß
er einen entschlossenen Charakter und eine eiserne Willens-
stärke besaß, und von diesem Manne durfte man Wohl
erwarten, daß er einen einmal gefaßten Entschluß aus-
führte uud einer Drohung auch die That folgen ließ.
Siegfried mußte endlich das Verhör schließen, ohne
ein Resultat erzielt zu haben, und er "
Gefangenen äbführen lassen, als der
Justizrath in sein Bureau trat, um
die Untersuchungsaktcn einzusehen.
Die Nachricht, daß Rabe dem Ju-
stizrath diesen Auftrag gegeben hatte,
überraschte Siegfried, aber er fand
auch darin nur einen weiteren Ausfluß
der persönlichen Abneigung Rabe's, die
hinwiederum ihren Grund in der Feind-
schaft seines Vaters gegen den Bruder
der Generalin haben mußte.
Der Angeklagte sollte freigesprochen
werden, Rabe wollte dadurch dem Un-
tersuchungsrichter eine empfindliche Nie-
derlage bereiten.
Es war eine zu kleinliche Machi-
nation, Siegfried konnte nur die Ach-
seln darüber zucken, Aerger bereitete
sie ihm jetzt nicht mehr, seitdem er
wußte, daß die Generalin und Bella
auf seiner Seite standen. Er gab
dem Justizrath die Erlaubnis;, mit
dem Gefangenen zu reden, jetzt noch
nicht, aber er versprach, ihm'später,
sobald die Akten geschlossen seien, in
jeder Weise entgegenzukommen.
Dieser unerwartete Widerstand reizte
den eigenwilligen Justizrath, und gerade
durch ihn erreichte Rabe das, was er
wünschte, der alte Herr war jetzt ent-
schlossen, die Vertheidigung des Ange-
klagten zu übernehmen und ihr seine
ganze Kraft zu widmen.
Siegfried hatte von dem gereizten
Herrn einige unangenehme Bemerkungen
himiehmcn müssen, die er keiner Er-
widerung würdigte, die aber nichts-
destoweniger einen trübenden Schatten
auf seine Stimmung warfen.
Und dieser Schatten war noch nicht
geschwunden, als er eine Stunde später
neben seinem Vater an der Tafel saß.
Er hätte jetzt am liebsten das Amt
eines Untersuchungsrichters in die Hände
eines Andern niedcrgelegt, er sah vor-
 
Annotationen