Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Die Hand der Nemesis.
Roman
von
Ewald Kngnst König.
(Fortsetzung.) (Nachdrnck verboten.)
Willibald Rabe war darüber, wie der Oberst über
ihn dachte und sprach, genau unterrichtet, er wußte auch,
daß der alte Herr Waffen gegen ihn besaß, denen er
keinen Widerstand eintgegcnsetzcn konnte, sobald von ihnen
Gebrauch gemacht wurde.
Und daneben war es außerordentlich ärgerlich, daß
Rabe durchaus nichts entdecken konnte, tuns geeignet ge-
wesen wäre, den Oberst bei seiner Schwägerin in ein
schlimmes Licht zu bringen; Lügen und Verleumdungen
mußten ans den Verleumder selbst zurückfallen, so lange
eilte Beweisführung in der Unmöglichkeit lag.
Die Einladung der Damen hatte der
Assessor altgenommen, man mußte nun
abwarten, ob er ihr Folge leistete, und
welche weiteren Folgen sich daraus ent-
spannen; nach der Hochzeit mit Fräulein
v. Lossow konnte Rabe die Dinge gehen
lassen wie sic wollten, er war dann ja
im sicheren Hafen angelangt.
Dieser letztere Gedanke gab ihm seine
heitere Stimmung zurück, er schwang sich
vor dem Schlosse der Generalin aus
dem Sattel und befahl dem Diener, das
Pferd auf und ab zu führen, da er nach
kurzem Aufenthalt wieder fortreitcu wolle.
In seinem Arbeitszimmer blieb er eine
Weile sinnend vor dem Schreibtisch stehen,
dann zog er heftig alt der Glockcnschnur.
„Ich lasse die Frau Generalin um
eine kurze Unterredung bitten," sagte er,
als Joseph eintrat, „sie würde mich sehr
verpflichten, wenn sie die Güte haben
wollte, sich zu mir zu bemühen."
Wenige Minuten später trat die Ge-
neralin ein, sie wußte, bei solchen Un-
terredungen handelte es sich stets um
Verwaltungsangclegenheiten, und in die-
sen Sachen war ihr Bruder sehr pünkt-
lich und gewissenhaft.
Mit der unbefangensten Miene kam
Rabe ihr entgegen.
„Ich wollte Dich nur um Unter-
zeichnung einiger Papiere bitten," sagte
er, nachdem er seine Schwester zu dem
Sessel geführt hatte, der vor dem Schreib-
tisch stand, „es ist eine Prozeßangelegen-
hcit, die leider ans anderem Wege nicht
geordnet werden kann."
„Ein Prozeß'? Gegen wen?" fragte
die Generalin überrascht.
„Beunruhige Dich nicht, Adelaide, das
Recht ist vollständig auf unserer Seite.
Es betrifft einen Getreideverkauf; der
Käufer bebauptet, schlechtes Getreide em-

pfangen zu haben und verweigert, auf diese Behauptung
gestützt, die Zahlung. Ich habe bereits den Beweis ge-
liefert, daß seine Behauptung jeder Begründung entbehrt,
und wie ich höre, soll der Mann überhaupt ein Krakeh-
ler sein, der nichts weiter bezweckt, als uns zu einer
Preisermäßigung zu zwingen."
„llied er ist wirklich nicht berechtigt dazu?"
„In keiner Weise!"
„Vielleicht konnte durch einen kleinen Nachlaß der
Prozeß vermieden werden," sagte die Generalin nach-
denklich. „Ich liebe die Prozesse nicht."
„Ich ebenso wenig, Adelaide, sie haben nur Aerger
und Aufregung im Gefolge. Aber wollte ich den Nach-
laß bewilligen, so würde ich dadurch gewissermaßen dem
Gegner das Recht geben, mir einen Betrugsversuch vor-
zuwerfen."
„Wenn man es nur des Friedens wegen thut —"
„Sage das Allen, die es hören wollen, und Niemand

wird Dir glauben, Jeder vertheidigt sein Recht bis auf's
Acußerste, und wer auf sein gutes Recht verzichtet, der
ist in den Augen der Leute entweder ein Schwachköpf,
oder sein Recht ruht ans morschen Stützen."
„Nun, wenn Du glaubst, daß dieser Prozeß eiue
Nothwendigkcit ist, so läßt sich dagegen weiter nichts
sagen," erwiederte die Generalin, während sie, noch immer
zögernd, eine Feder aufnahm. „Du mußt das ja besser
wissen, als ich. Was soll ich unterzeichnen?"
„Zuerst diese Vollmacht für unfern Anwalt."
„Justizrath Walter?"
„Jawohl."
„Scheint mir ein konfuser Kopf zu sein."
„Keineswegs, Adelaide, er ist nach meiner Ansicht
der tüchtigste Jurist unter allen."
„Aber seine Redeweise —"
„Ist freilich etwas allzu knapp, indeß man gewöhnt
sich daran."
„Und ivassolldieses Wechselformular?"
„Sei so gut und unterzeichne es eben-
falls."
„Es ist ja nicht ausgefüllt," erwiederte
die Generalin befremdet.
„Ich werde es ausfüllen, wenn ich
mit dem Gegner einig werde," sagte
Rabe im gleichgiltigsten Tone von der
Welt. „Justizrath Walter hat ihn auf
heute Abend zu einer letzten Besprechung
vorgeladen, es wäre möglich, daß der
Mann nachgibt, wenn er sieht, daß wir
fest entschlossen sind, gerichtlich gegen ih?
vorzugehen, in diesem Falle soll er sofort
den Wechsel acceptiren. Er kann dann
später keine Ausflüchte mehr machen."
Die Generalin wiegte leicht das Haupt,
-und ihr Blick, in dem ein leises Miß-
trauen sich spiegelte, streifte verstohlen
das Gesicht des Bruders.
„Mein seliger Gatte hat mich stets ge-
warnt, Wechsel zu unterzeichnen," sagte sie.
„Im Prinzip ist das auch richtig,
Adelaide, aber Du weißt ja, wessen Hän-
den Du diesen Wechsel anvertraust."
„Könnte ich ihn nicht später unter-
schreiben?"
„Wenn Du Mißtrauen hegst, dann
wollen wir darauf verzichten," erwiederte
Rabe achselzuckend, „ich möchte Dir
nicht gerne eine unruhige Stunde bereiten.
Es ist dann auch umiöthig, daß ich zur
Stadt reite, um der Besprechung bci-
zuwohnen, wir müssen in diesem Fall
sofort den Prozeß einleitcn."
„Aber ich begreife nicht —"
„Du hast keine Kenntnis; von Gc-
schüftssachen, Adelaide, stände ich Dir
nicht zur Seite, so würdest Du von
Allen betrogen. Du vertrauest Jedem;
selbst gewissenhaft bis zur Peinlichkeit,
glaubst Du, Andere müßten es ebenfalls
sein. Ich habe in dieser Beziehung bittere

Alfred Edmund Brehm.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 151.)
 
Annotationen