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„Die Arbeit verräth ganz unverkennbar die Manier
dieses Meisters, wenn auch hier am Sockel nicht die
Initialen .4. !). angebracht wären. Verlaufen Sie mir
die Kleopatra, Anffen, ich zahle Ihnen einen hübschen
Preis dafür."
Jener lachte spöttisch auf.
„Daß Eie doch derartige Zumuthungcn nicht unter-
lassen tonnen! Es dürfte Ihnen doch nachgerade be-
kannt sein, daß mir kein L-tück meiner Sammlung feil
ist. Und nun gar diese Kleopatra! Hören Sie nur,
welche Mühe mir ihre Erwerbung machte. Sie befand
sich ursprünglich im Besitze eines Nürnberger Liebhabers,
wo sie einer meiner Agenten zufällig sah und mir davon
Nachricht gab. Natürlich hatte ich nichts Eiligeres zu
thun, als hinznreisen und, an Ort und Stelle ange-
langt, den Betreffenden alsbald aufzusuchen. Er war
ein Optikus.
„Ich that auf den Nath meines Agenten, als sei
ich, aus einer Vergnügungsreise begriffen, zufällig nach
Nürnberg gekommen und wählte mir in seinem Laden
eine Loupe. Wie absichtslos ließ ich dabei die Be-
merkung fallen, daß ich dieselbe zur Untersuchung von
Gemmen, die ich mit Vorliebe erwerbe, zu gebrauchen
gedenke.
„Nun thaute er auf.
„,AH, Sie sind auch Liebhabers meinte er.
„ Wie so?' fragte ich.
„,Jch besitze ebenfalls eine Kollektion seltener ge-
schnittener Steine.'
„,Jn der That? Das interessirt mich ungemein.
Vielleicht gestatten Sie mir einen Einblick in Ihre
Schütze; ich schmeichle mir, in etwa Kenner zu sein.'
„.In dem Falle rechne ich es mir zur Ehre, Jhuen
meine Sammlung vorznlegen.'
„Er ging voran und ich folgte ihm klopfenden
Herzens.
„Derenberg, der Mann besaß wunderbare Sachen!
Gelegentlich erzähle ich Ihnen Spezielleres darüber.
Ich mußte mir Gewalt anthun, meine Aufregung zu
bemeistern. Schüchtern fragte ich nach dem Preise des
Einen oder Anderen. Ja, sa, jedes Stück war ihm an's
Herz gewachsen; er dachte gar nicht daran, etwas davon
zu verkaufen.
„O Weh, seufzte ich im Stillen, wie wird das mit
der Kleopatra gehen? Du kehrst sicherlich ohne sie wie-
der nach Hause zurück.
„Bis dahin hatte er mir feine geschnitzten Elfenbein-
Gegenstände noch nicht gezeigt. Jetzt führte er mich zu
einem anderen Schranke, und richtig, auf den ersten
Blick entdeckte ich sie darin. Meine Finger zuckten, sie
zu erfassen, aber Ruhe, Ruhe, sonst war Alles verloren.
„Er nahm das Eine nach denn Andern heraus uud
ließ es mich bewundern.
„Auch hier erblickte ich Kunstwerke die Hülle und
Fülle, trotzdem lobte ich mit Beschränkung; hier hatte
ich Dieses, dort Jenes auszusetzen.
„Er begann sich zn ärgern, und das bezweckte ich eben.
,,,Da,' rief er endlich, und holte die Kleopatra her-
vor, /hieran wird aber Ihr Tadel zu Schanden! Wenn
Sie mir einen Makel an dieser Figur, die Albrecht
Dürer geschaffeu, zeigen, ist sie für dreihundert Mark
Ihr Eigenthum!'
„Ich betrachtete das Kleinod von allen Seiten.
,,,Hm,' sagte ich dann kühl, trotzdem mir das Herz
wie ein Schmiedehammer pochte, ,für den Preis möchte
ich sie noch nicht.'
„.Was?' schrie er. Zweifeln Sie etwa daran, daß
Dürer der Verfertiger ist?'
„,Das nicht gerade, obgleich ich auch dafür keine
Bürgschaft übernehme?'
„,Was macht Sie denn stntzig?'
Verschiedenes in den Proportionen, worin sich ein
großer Künstler, wie Dürer, nicht vergangen hätte. Die
Schlange zum Beispiel ist im Verhältnis; zu kurz und
zu dick, diese Schulter zu flach und so weiter, und so
weiter' — lieber Derenberg, prüfen Sie, es war reiner
Wind, was ich tadelte; kein Jota von alledem wahr
mein Mann aber, so sehr beeinflnßt eine entschie-
den geäußerte Meinung, glaubte diese Fehler jetzt auch
zu entdecken und schaute höchst trübselig drein.
Nichtsdestoweniger,' fahr ich fort, „.ist dieses Stück
das beste Ihrer Sammlnng, und ich kaufe es von
Ihnen, wenn Sie keinen zu hohen Preis dafür fordern.'
„,Was würde es Ihnen denn Werth fein?'
„,Die Hälfte dessen, was sie vorhin verlangten:
hundert und fünfzig Mark.'
„Ich hätte mit Wonne das Fünffache dafür gegeben,
aber er sagte:
„.Meinetwegen, nehmen Sie es hin. Es war mein
Stolz, Sie haben mir die Freude daran verdorben.'
„Und so zahlte ich ihm denn das Geld und fuhr
alsbald glücklich wie ein König mit meiner Kleopatra
nach Hause zurück."
„Vom moralischen Standpunkte betrachtet," meinte
der Assessor, „läßt sich allerdings an Ihrer Handlungs-
weise Verschiedenes aussetzen. Aber freilich, wie sollten
Eie sonst znm Biele kommen. Und die Figur ist zu
schön! Hören Sie, Aussen, Sie hatten so große Sehn-

DaZ Bu ch s ü r A l l e.
sucht nach meiner Ouirvase; ich wollte mich eigentlich
nicht davon trennen, sie gehört aber Ihnen, wenn Sie
mir dagegen die Figur dort überlassen."
„Fällt mir gar nicht ein," lachte der Andere. „Je-
mehr ich sie betrachte, desto besser gefüllt sie mir. Nicht
für Ihre ganze Sammlung gebe ich sie her!"
„Hoho," rief Derenberg ergrimmt, „das wollen wir
doch nicht so schroff hinstellen — ah, Herr v. Schlier-
witz," fuhr er plötzlich in verändertem Tone fort, „ich
ahnte nicht, daß Sie sich für unsere Unterhaltung
interessirten."
Der Augeredete, welcher von. dem Assessor, als dieser
sich zufällig umwaudte, dicht hinter ihm stehend ent-
deckt worden war, biß sich auf die Lippen, erwiederte
aber daun gelassen: „Sie setzen hoffentlich nicht voraus,
Herr v. Derenberg, daß ich Sie absichtlich belauschte.
Wären Sie nicht so vertieft in Ihrem Gespräche ge-
wesen, so hätten Sie mein Näherkommen bemerken
müssen, was ich Ihnen übrigens auch gerade auf andere
Weise kund zn thun im Begriff war. Ich wünschte
mir die „Norddeutsche Allgemeine", welche auf dem
Stuhle neben Herrn v. Aussen liegt, darf ich vielleicht
bitten?"
Der alte Herr reichte alsbald das betreffende Blatt
hin, worauf sich der Andere mit einer kurzen danken-
den Verbeugung zurückzvg.
„Eie Zwei scheinen sich nicht sonderlich zn ver-
stehen," meinte Aussen ironisch.
„Ich leugne es nicht, daß er mir gründlich anti-
pathisch ist," versetzte der Assessor offenherzig.
„Ah, ich hörte so etwas läuten — Rivale — hm
— nicht so?"
„Ich bitte sehr, lieber Auffen."
„Nun, nun, warum sollten Sie sich als junger
Mann nicht außer für altersgraue Raritäten auch für
das frische, quellende Leben interessiren, namentlich wenn
es sich in so anziehender Form wie bei dem Fräulein
Helene v. Dernau präsentirt?"
- „Aber -"
„Ach, tatatata, die Sache ist ja kein Geheimnis; mehr.
Schlierwitz und Sie schmachten vor demselben Gegen-
stände. Na, ich wünsche Ihnen viel Glück, Assessor,
mehr als Sie es bei mir mit der Kleopatra hatten."
Der alte Herr lachte kurz auf, barg den betreffen-
den Gegenstand sorgfältig in seine Rocktasche und ent-
fernte sich mit einem maliciösen Blicke.
Der Andere schaute ihm ärgerlich nach.
„Alter, boshafter Affe das," murmelte er vor sich
hin. „Wie schändlich er den armen Nürnberger Samm-
ler hinter das Licht führte! Er wäre im Stande, einer
solchen Antique wegen Bruder und Schwester zu ver-
rathen. Ja, ja, es lausen sonderbare Käntze auf der
Welt herum. Dem Himmel Dank, daß ich nicht wie
Jener bin und in meinem Herzen noch für Weiteres
Platz und zwar den größten Platz habe! Es erschien
mir fast wie eine Entweihung, Hellnen's Namen von
diesen Satyrlippen nennen zu hören. Ohne Zweifel
würde es ihm auch die größte Freude bereiten, wenn
Schlierwitz und ich uns gegenseitig die Hälse brächen.
— Hm, Schlierwitz! Dort sitzt er und liest eifrig in
seiner Zeitung, ich wette aber Zehn gegen Eins, daß
ihn vorhin nichts Anderes, als die Absicht, mein Ge-
spräch mit Anffen zu belauschen, in unsere Nähe führte,
ebenso, wie er auch sonst meine Verhältnisse auszukund-
schaften bemüht ist. Hatte er sich doch kürzlich sogar
hinter meinen Hauswirth gesteckt, um ihn über mich
nnszuhorchen. Nun, er erfuhr da nichts Nachthciliges,
was er Helene hätte überbringen können. Ich begreife
in der That nicht, warum sie ihm, wenn er auch ihr
Eousin ist, noch seine Besuche gestattet; er gilt in der
Gesellschaft als ein Ron i der schlimmsten Art, ja, Viele
sagen ihm sogar noch Schlimmeres nach."
Er warf dem Betreffenden, der anscheinend noch
immer in seine Lektüre vertieft war, einen verächt-
lichen Blick zu und schritt dann in das benachbarte
Spielzimmer.
Kaum war er verschwunden, als der Baron den
Kopf von seinem Blatte erhob. Sein Gesicht zeigte
einen teuflischen Ausdruck.
„Jetzt, mein Bursche," knirschte er, „naht die Stunde
der Abrechnung. Mein Plan ist fertig^ Du sollst es
erproben, was es bedeutet, Hans v. Schlierwitz in's
Gehege zu kommen. — Haha, ob er sein Glück versuchen
wird'? Es machte sich zu schön, wenn er gewänne, viel
gewänne; in dem Falle sollte er schon heute Abend ein
Pröbchen meiner Macht erfahren. Schauen wir doch
einmal nach."
Er erhob sich und begab sich ebenfalls in den Spiel-
salon.
llm einen Tisch standen hier, dicht geschaart, eine
Anzahl Herren. Es ging sehr ruhig zu; die monotone
Stimme des Bankhalters wurde nur hin und wieder
durch einen halblauten Ausruf oder das leise Klirren
des Geldes apostrophirt.
„Zwei und Dame, As und Zehn, Fünf und Bube,"
klaug es.
„Wie steht's?" erkundigte sich Schlierwitz bei einem
Herrn.

Heft 1.
„Die Bank ist stark in; Aortheil."
„Wer hält sie?"
„Der kleine Flossen."
„Hat sonst noch Jemand gewonnen?"
„Ich glaube kaum, dagegen hat Lieutenant v. Braun
riesig verloren."
„Dem schadet's nichts. Ich möchte auch Ünal mein
Heit versuchen. Erlauben Sie."
Der Baron mischte sich in den Haufen und setzte
einen kleinen Betrag auf die Dame.
Er gewann uud ließ das Geld stehen. Das zweite
Mal fiel die Karte für den Bankier.
„Fahre hin, Treulose!" lachte Schlierwitz und zog
sich wieder zurück.
„^-ind Sie's schon wieder leid?" wurde er gefragt.
„Wenn man kein Glück mehr mit den Damen hat,"
meinte er achselzuckend, „resignirt man am besten ohne
lange Umstände."
„Ich geb's auch dran," sagte ein Anderer. „Plage
mich da den ganzen Abend für nichts und wieder
nichts. Nach einer Stunde Setzens bin ich wieder so
weit, wie ich in; Anfänge war; weder mein Gewinn-
noch mein Verlust-Conto hat einen Ueberschuß aufzu-
weisen."
„Bravo, Heineck," bemerkte Schlierwitz, „man darf
der blinden Fortuna niemals zu sehr den Hof machen."
Auch die anderen Spieler zogen sich nach und nach
zurück. Der Letzte war der magere Lieutenant v. Braun,
dessen Gesicht eine fieberhafte Röthe zeigte, während
seine Augen in ebenso unnatürlichem Feuer glänzteu.
„Haben wohl stark Haare lassen müssen?" inter-
pellirte ihn Schlierwitz.
„Verdammt stark," murmelte der junge Mann.
„Pah, was thulls, mein Alter muß neues Moos
schicken."
Er lachte forcirt ans.
„Da kommt Flossen mit seinen Schützen heran ge-
keucht!" rief Heineck, auf einen kleinen, dicken, ältlichen
Herrn deutend, der sich der Gruppe näherte.
„Es war auch 'mal wieder Zeit," versetzte dieser;
„ich hatte einige Wochen enormes Pech."
„So was fünfzehnhundert Mark werden Sie wohl
mitnehmen?" meinte iLchlierwitz.
„So viel habe ich allein verloren!" jammerte der
Lieutenant.
„Gehaben Sie sich doch wegen einer solchen Kleinigkeit
nicht so!" lachte der Andere. — „Wie, Flossen, wollen
Sie schon nach Hause?"
„Freilich, es ist bereits spät."
„Ei, dummes Zeug, den; Glücklichen schlägt keine
Stunde!"
„Allerdings, jedoch —"
„Ach was, trinken wir noch einen Schlummerpunsch
zusammen. Wer von den Herren ist mit dabei?"
Nur wenige meldeten sich.
Derenberg stand mit einem anderen Herrn znm Fort-
gehen bereit in der Thür.
„Sieh nur, Wenden," sagte er, „wie er sich wieder
an Flossen heran drängt. Es sollte mich nicht wun-
dern, wenn er später auch ihn nach Haufe begleiten
Will. Ich Hütte große Lust hier zu bleiben und zn be-
obachten, wie das Ding abläuft. Erzeige mir den Ge-
fallen, ebenfalls noch etwas zu verweilen. Auch Heineck
trinkt noch ein Glas mit."
„Meinetwegen," versetzte Graf Wenden und folgte
nebst dem Assessor den Anderen in den Gesellschaftssaal.
Es war Schlierwitz nicht entgangen, das; Deren-
berg und sein Begleiter im Begriff gewesen, sich zu
entfernen und nun, wie auf besondere Verabredung,
dennoch wieder Platz nahmen.
Er biß sich ans die Lippen.
„Das hat etwas zu bedeuten," murmelte er vor sich
hin; „Achtung, Hans!"
„Wohnen Sie noch in der Lederstraße?" fragte
Heineck Flossen.
„Jawohl. Weshalb?"
„Hm, da müssen Sie ja, wenn Sie nach Hause
gehen, ziemlich einsame Wege Passiren. Fürchten Sie
sich nicht?"
„Nicht im Geringsten."
„Aber heute Nacht mit dein Geld in der Tasche?
Bedenken Sie, daß Wenden und ich erst vor Kurzem
angefallen nnd beraubt wurden."
„Ach, Thorheit!" versetzte der kleine Herr unbehag-
lich. „Ich stehe schon meinen Mann."
„Wenden und ich etwa nicht? Dennoch wurden nur
überwältigt."
„Einer der Strolche," erklärte Wenden, „war von
riesiger Figur nnd Kraft, der Andere ein kleiner,
behender Bnrsche, der mit einer staunenswertsten Schnel-
ligkeit, während sein Spießgeselle mich niederhiett, meine
Taschen durchsuchte uud das Werthvolle herausholte."
„Mir erging es genau so," berichtete Heineck. „Ich
mns; gestehen, die Sache kam mir nachher, als ich so
ausgeraubt nach Hanse zog, ganz komisch vor, so
das;' ich trotz der unangenehmen Affaire fortwährend
lächelt mußte." _ (KortsN;um; ü!gt.)
 
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