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Ludwig IV., Grußherzog von Hessen.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 31.)

bei der gewaltsamen Entfernung seiner Hand
einer scharfen Kante des vielleicht Jahr-
hunderte alten Thürgriffs verwundet wor-
den, so daß das Blut aus der Hautspalte
herausfloß. Er hatte nur noch den einen
Gedanken, fie mit Gewalt zu zwingen, ihn
anznhüren, da er es auf gütlichem Wege
nicht erreichen konnte.
Wild stürmte er hinterdrein und hatte
sie bald erreicht; auch ihm gab die Auf-
regung höhere Kräfte. Er erfaßte ihren
Arm, umspannte mit festem Griff ihr
Handgelenk und keuchte mit halberstickter
Stimme die Worte hervor:
,^Sie sollen es hören, daß ich Sie liebe,
Sie sollen es erfahren, welche Empfin-
dungen ich für Sie hege, und Sie sollen
mir die Frage beantworten, ob ich wieder-
kommen darf, damit Sie mich kennen ler-
nen und ich um Ihre Liebe werben kann!"
Die feste Umspannung ihres Handgelenks
gab Hermine wieder das Bewußtsein, daß
sie ein Weib sei und einem Manne sich
gegenüber befand. Sie hörte gar nicht,
was er sagte, sie sah nur in dem Halb-
dunkel des Flurs sein Auge wie irrsinnig
blitzen, und gefoltert von der plötzlich sie
befallenden Angst, sie könne es hier mit
einem wirklich Wahnsinnigen zu thun haben,
stieß sie den durchdringenden Schrei aus:
„Hilfe! Hilfe!"
Kaum war der Hilferuf verklungen, da
wurde die Hausthür heftig aufgerissen und
zwei junge Männer stürzten herein.
„Die Thür des Wohnzimmers stand weit
offen, so daß ein breiter Streifen des Lam-
penlichtes auf den Flur fiel und die beiden
Ringenden beleuchtete.
In diesem Augenblick öffnete sich hinten
in der dunkeln Ecke eine Thüre und zwei
altere Männer, herbeigelockt durch den
Schrei der Angst, traten über die Schwelle,
blieben aber dort stehen, als sie sahen,
daß bereits von anderer Seite Beistand
gekommen war.

Der Angeredete wand sich sein Taschen-
tuch um die linke blutende Hand und zog
ein kleines Täschchen hervor.
„Hier ist meine Karte," sagte er, „ich
wohne Schloßstraße Nr. 28."
„Ich werde mir erlauben, morgen zu
Ihnen zu kommen."
Abermals gegenseitige Verbeugungen.
Hermine hatte sich an einen Pfeiler ge-
lehnt, der das Gewölbe des Flurs trug.
Neben ihr stand Willibald. Einige Schritte
davon entfernt der Urheber dieser ganzen
Scene. Was Bollheim bis dahin nicht
beachtet hatte, das drängte sich ihm plötz-
lich in diesem Augenblick auf: die wunder-
bare, frappante Aehnlichkeit zwischen dem
jungen Mädchen und seinem Freunde, und
wenn auch in ganz anderer Weise, so doch
ebenfalls eine nicht zu verkennende Aehn-
lichkeit dieser Beiden mit dem bleichen
jungen Manne.
Letzterer sah ein, daß sein Spiel hier
verloren war und daß ein längeres Bleiben
ihn nur lächerlich machen könne. Das
kontrahirte Duell, die ruhige Form, in
der die ersten Einleitungen in's Werk ge-
setzt wurden, hatten einen Dämpfer auf
die wilde Erregung seines Gemüthes gelegt.
Nachdem er Hermine noch einmal mit
einem unbeschreiblichen Blick angeschaut,
ging er in's Wohnzimmer zurück, holte
von dort seinen Hut und verschwand, ohne
sich noch einmal umzusehen, aus der uoch
geöffneten Hausthür.
Bollheim hielt, nachdem er verschwun-
den, die ihm überreichte Karte etwas
näher an die Augen und las laut den
Namen: Reichsgraf Andreas Felseck von
Felsenheim.
„Ei, ei!" fügte er hinzu, „da haben wir
ja in eigenthümlicher Situation die Bekannt-
schaft dieses verrufenen Herrn gemacht."
„Felseck?" sagte Willibald, sinnend vor
sich hinstarrend.

„Wer ruft um Hilfe?" waren Willibald Bernan's
erste Worte.
„Retten Sie mich vor diesem Wahnsinnigen!" rief
Hermine, um ein Bedeutendes erleichtert, als sie sah,
daß Menschen nahten, obgleich ihr Handgelenk noch
immer straff umspannt wurde.
„Lassen Sie die Dame los!" sagte Bernau in be-
fehlendem Tone.
„Wer untersteht sich, in meine Angelegenheiten sich
hier zu mischen?" erwiederte mit keuchender Brust der
bleiche junge Mann.
„Ich thue es! Lassen Sie sie los, oder ich schlage
Ihnen den Arm mit meinem Stock herunter!"
„Infamer Bube!" tönte es im Zischlaut von den
zitternden Lippen des also Aufgeforderten, der in der
That das junge Mädchen jetzt frei gab, zugleich aber
einen Schritt gegen Willibald vortrat.

Oie wilde Prinzeß.
R o m a n
von
Fart Kartmailn-Hllön.
ieser Widerstand des jungen Mädchens, die
Beschämung, von einem Weibe besiegt wor-
den zu sein, brachten zu seinen wild lodern-
den Gefühlen noch ein anderes hinzu —
das einer augenblicklichen grenzenlosen Wuth.
Seine Augen erweiterten sich, die Lippen
bebten konvulsivisch, die rothen Flecke seiner
Wangen wurden dunkler. Es war ein grauenhaftes
Bild höchster Erregung. Er achtete nicht darauf, daß
diese an

In Bernau erwachte der Corpsbursche. „Für den
,Infamen Buberll werden Sie mir vollständigste Ge-
nugthuung geben!"
„Sofern Sie satisfaktionssühig sind, mit Vergnügen.
Wer sind Sie?"
„Ich bin der stuckiomis juris Bernau, und bin
Rhenane."
Mit dem gefallenen Tusch trat an die Stelle roher
Beleidigungen sofort ein gegenseitiger höflicher Verkehr.
Der junge Mann verbeugte sich.
„Du wirft mein Kartelträger sein, Konrad," wandte
Willibald sich an diesen, der neben ihn getreten war,
um, im Fall ein Handgemenge eintreten sollte, ihm
beistehen zu können. „Uebernimm das Fernere!"
Konrad verbeugte sich ebenfalls und sagte: „8tuckio-
8N8 juris Bollheim — darf ich um Ihren Namen
bitten?"
 
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