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Die wilde Prinzeß.
R oinan
von
Kart Karlmamr-Hllörr.
(^ortschung.) (Nachdruck verboten.)
ach einer Panse sagte Frau Dehnhardt:
„So sehr ich mich freue, daß das liebe
Mädchen in so glückliche Verhältnisse ge-
kommen ist, so sehr bedaure ich dabei mei-
nen Wilhelm. Er wird in einen Konflikt
gerathen zwischen seiner Liebe 'and der Ueberzengung,
daß jetzt die Reichsgräfin Her-
mine zn hoch für ihn steht."
„Hermine liebt ihn, liebt ihn
noch immer."
„Es kommt noch etwas An-
deres hinzu — Hermine hat
ihre Liebe ausgegeben, weil sie
fürchtete, die Schande ihres Va-
ters könne auch die Familie
ihres Geliebten mit Schande be-
decken — wir befinden uns,
wenn auch nicht in gleicher, so
doch in ähnlicher Lage. Eilt
Bruder von mir, der in seiner
Jugend seinen Eltern viel Kum-
mer bereitete, aus die Bühne
ging und nach Amerika aus-
wanderte, ist zurückgekehrt. Sein
Geist soll getrübt sein; sein
Prinzipal, mit dem er von
New-Pork herüber gekommen ist,
der mir gestern seinen Besuch
ankündigte, fürchtet selbst, er
könne hier schlimme Streiche
ausführen. Wird mein Sohn
sich mit einer so erlauchten Fa-
milie verbinden wollen, da die
Gefahr vorhanden, daß diese
durch ein Mitglied feiner eigenen
kompromittirt werden könne?"
„Man mag Hermine ein so
zugespitztes Pflichtgefühl, wie sie
es bewiesen hat, verzeihen, da
sie plötzlich in so drückende Ver-
hältnisse gerathen war, Ihr Herr
i^ohn wird hoffentlich solche
Skrupel nicht hegen. Ich kann
Ihnen die Versicherung geben,
daß meine Familie den jungen,
talentvollen Professor trotz eines
solchen Onkels mit Vergnügen
zu ihren Mitgliedern zählen
wird. Ich fetze voraus, daß
seine Liebe noch nicht erloschen
ist, und da es mein sehnlichster
Wunsch ist, meine Schwester
glücklich, zu sehen, so habe ich
die Initiative ergriffen und die

Sache Ihnen gegenüber angeregt," erwiederte die Reichs-
gräfin.
„Erlaucht find sehr gnädig und ich danke Ihnen
herzlich für das Interesse, welches Sie für meinen Sohn
offenbaren. Ich werde jedenfalls, sowie er zurückkommt,
nut ihm darüber sprechen. Ja, ich würde mich unend-
lich freuen, wenn ich die liebe Hermine als Tochter an
die Brust drücken könnte."
Isabella entfernte sich und eine Viertelstunde später
trat Streckenbach in das Zimmer der Frau Professor.
Die schwesterliche Liebe kam doch zum Durchbruch,
als sie den Bruder sah und sie schloß ihn gerührt in
die Arme. Und als er nun seine Lebensgeschichte ihr

Fkneral-Aentcnant Joseph Wladimirowitsch Gurko. (S. 295.)

erzählte und von feiner innigen Liebe zu dem Weibe
sprach, das er noch immer suche und bei der Illumi-
nation in denn königlichen Wagen zu sehen geglaubt habe,
da merkte sie Wohl, daß sein Geist etwas gelitten, aber
sie fühlte doch tiefes Mitleid mit ihm. Ihre Einladung,
bei ihr zu wohnen, lehnte er ab, da er bei dem Suchen
nach seiner verlorenen Frau in einein Wirthshause un-
genirter sei. Er versprach aber, die Schwester täglich
zu besuchen.
Am anderen Tage kam der Professor von feiner Ausfahrt
zurück, und was die Mutter gefürchtet hatte, trat ein, ihr
Sohn erklärte, nicht den Muth zu haben, unter diesen
veränderten Verhältnissen auf's Neue um Hermine zu
werben. Aber seine dingen leuch-
teten doch, als Frau Dehnhardt
ihm Jfabella's Worte wieder-
holte: „Hermine liebt ihn, liebt
ihn noch immer."
Nun gerieth er wirklich in
einen Konflikt und in feinem
Inneren entbrannte ein Kampf
der Leidenschaft mit der Be-
scheidenheit, der ihn unruhig
umhertrieb und in einen uner-
träglichen Zustand versetzte.
Er war schon mehrmals in
das Hotel Merwitz gegangen,
um den Bruder seiner Mutter-
kennen zu lernen, hatte ihn aber
nie zu Hause getroffen. Da
kam Wellbrandt zu ihnen und
theilte ihnen mit, daß er seit
einigen Tagen verschwunden fei.
Er glaube nun zwar nickst, daß
er sich ein Leids zugefügt, son-
dern fei vielmehr der Meinung,
daß er, von irgend einer wun-
derlichen Idee geleitet, die Re-
sidenz verlassen habe, um an-
derswo Nachforschungen nach
seiner Frau anzustellen. Der
Polizei die Anzeige zu macheu,
könne man Wohl noch einige
Tage anfschieben, denn er wäre
überzeugt, daß jener ganz plötz-
lich wieder da sein würde.
Frau Dehnhardt wurde doch
unruhig und drang in ihren Sohn,
am andern Tage nochmals in's
Hotel zu gehen und wenn ihr Bru-
der nicht zurückgekehrt sei, sich
mit Wellbrandt zu besprechen, ob
es nicht besser wäre, die An-
zeige von feinen: Verschwinden
zu machen und ihn von Seiten
der Polizei suchen zu lassen.
Mr. Johnson war nicht da,
aber er hatte, als er das Hotel
verlassen, gesagt, daß er zu
Fräulein Wellbrandt, alte Thea-
terstraße 14, ginge.
 
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