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Liebe für Ha ü.
1 R o in a n
v von
Arkedrich I-riedrich.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
! er Kopf schien Herrn v. Salva nach den
erregt gesprochenen Worten wie erschöpft
"us die Brust zu sinken.
Mit Theilnahme blickten Alle auf ihn.
„Ich begreife Sie," sprach Kurt.
„Nein — nein! Ich wünsche Ihnen,
daß Sie mich nie begreifen lernen!" rief
Salva, den Kopf emporrichtend und gleichsam mit Ge-
walt jede Erinnerung von sich abschüttelud. „Lassen Sie
nns darüber schweigen. Hätte ich nicht gehofft, daß Sie
mir verzeihen würden, so wäre ich nicht zu
Ihnen gekommen. Daß ich den aufrichtig-
sten Dank meiner Tochter mitbringe, brauche
ich Wohl nicht hinzuzufügen."
„Hoffentlich hat der Unfall keine nach-
theiligen Folgen bei ihr zurüekgelasfeu," be-
merkte Düringer.
„Sie ist, dem Himmel sei Dank, mit dem
Schrecken davon gekommeu, von dem sie sich
schnell erholt hat. Die Jugend ist ja
elastisch. Auch die Thorheit — ich gebrauche
jetzt selbst das Wort, Herr Düringer, welches
mich so sehr in Aufregung brachte," fuhr
er zu Albert gewandt mit heiterem Tone
fort, „auch die Thorheit, das Pferd erschießen
zu wollen, habe ich nicht zur Ausführung
gebracht, es lebt; meine Tochter wird es
freilich nie wieder reiten. Es raubte iu
dem Augenblicke auch der Selbstvorwurs, der
schwer auf mir lastete, mir die Ruhe, denn
es war meine Schuld, daß meine Tochter in
die Gesahr gerieth. Eine so geübte Reiterin
sie auch ist, so hätte ich ihr doch nicht ge-
statten dürfen, daß sie das junge und feurige
Thier ritt, denn ich mußte mir sagen, daß
in einem solchen Augenblicke die Kraft und
Besonnenheit eines Mädchens nicht aus-
reicht. Lange Zeit habe ich mich ihren
Bitten beharrlich verschlossen, man wird
indessen schwach, wenn man nur das eine
Wesen besitzt, an dem man mit Liebe hängt.
Sie hatte das Pferd schon Monate lang
täglich geritten, es war nie der geringste
Unfall Passirt, und dies hatte ein Gefühl
der Sicherheit in mir wachgerufen. Wie
schwer ich dies durch die wenigen Minuten
der Angst gebüßt habe, vermag ich mit
Worten nicht anszudrücken."
„Ich begreife es," bemerkte Knrt, „ich
habe deshalb auch die aufrichtigste Theil-
uahme mit Ihnen empfunden."
Salva verbeugte sich dankend.
„Eie werden hoffentlich Ihrer Tochter das
Bergnügen des Reitens nicht ganz entziehen?"

Antwort. „Meine Tochter liebt die Kunst, sie ist in
der Malerei selbst nicht ohne Anlage, und Italien besitzt
für Kunstfreunde einen unerschöpflichen Reichthum."
„Mein Sohn war zwei Jahre in Julien," warf
Kurt ein, „es wird ihm Bergnügen gewähren, wenn er
Ihnen mit irgend einem Nathe dienen kann."
„Ich bin Ihnen sehr verbunden," erwiederte Salva
artig, „ich bin indessen in Italien kein Fremdling mehr,
da ich bereits zweimal mit meiner Tochter dort war
und fast das ganze Land durchreist habe. Es besitzt so
viel des Schönen, daß man sich immer wieder dorthin
zurücksehnt. Auch Sie werden dies empfinden, wenn Sie
erst einige Zeit hier gewesen sind," wandte er sich an
Albert. „Es ist, als ob der nordische Himmel erkältend
ans uns einwirkte."
Er ließ sich mit Albert in ein Gespräch über Ita-
lien und dessen Knnstschätze ein, er entwickelte eine außer-
ordentlich feine und tiefgehende Kunstkeuut-
niß, er wurde gesprächig, fein Gesicht nahm
einen milderen und freundlicheren Ausdruck
an, fein Ange leuchtete geistig, er schien
wieder so geworden zu sein, wie er vielleicht
einst gewesen war, ehe das Leben ihn mit
harter Hand berührt hatte.
Mit größtem Interesse hatten Kurt und
Leone ihm zugehört. Er war ein feiner
rind tief durchblutender Kunstkenner, dabei
verrieth er durch einige leicht hingeworfene
Bemerkungen feine reiche Bildung auch auf
anderen Gebieten und doch sprach er jede
Ansicht mit der größten Bescheidenheit ans.
„Sie werden über mich lächeln, weil
ein Kunstenthusiast zu einem wirklichen
Künstler iu der Weise über die Kunst
spricht," wandte er sich heiter an Albert.
„Ich felbst kann weder einen Strich zeichnen
noch malen, ich besitze nicht die geringste
Anlage zur Technik und doch liebe ich die
Kunst so sehr."
Er erhob sich, um sich zu entfernen.
„Ich habe Sie leider schon länger als es
meine Absicht war, in Anspruch genommen,"
bemerkte er.
„Sie haben durch Ihren freundlichen Be-
such iu uns nur das Bedauern über Ihre
Abreise hervorgerufen," entgegnete Kurt.
„Seit langer Zeit ist uns keine Stunde
so angenehm hiugeschwundeu und nun sollen
»vir einen gleichen Gennß vielleicht sür lange
entbehren!"
Salva znckte lächelnd mit der Schulter.
„Glauben Sie mir, daß ich dies schwerer
empfinde als Sie?" entgegnete er. „Nun,
wer vermag iu die Zukunft zu blicken!"
Wie ein Freund reichte er Kurt und Albert
die Hand znm Abschiede und entfernte sich
dann schnell.
In der kurzen Zeit hatte Salva Alle für
sich gewonnen, dein» er hatte sich von
einer Seite gezeigt, die Niemand bei ihm
erwartet hatte, er hinterließ den Eindruck

„Nein," erwiederte Herr v. Salva. „Vor der Hand
verbieten es freilich die Verhältnisse selbst, denn ich werde
morgen mit ihr eine Reise antreten, die uns längere
Zeit von hier sernhalten wird, möglicher Weise sür
immer."
Albert war bei diesen Worten zusammengezuckt, das
Blut war aus seinen Wangen gewichen. Theodora
konnle von dieser Reise noch keine Ahnung gehabt haben
— was hatte den Entschluß zu derselben so schnell in
ihrem Vater wachgecufen? Die Worte „längere Zeit,
vielleicht für immer", klangen laut iu ihm wieder, denn
er vermochte den Gedanken nicht zu fassen, daß er die,
welche bereits all sein Denken ausfüllte, in langer Zeit
nicht Wiedersehen sollte!
„Sie wollen uus verlassen?" rief Kurl mit bedauern-
dem Tone.
„Ich werde nach Italien reisen," gab Salva zur

Alice, Großherzogin von Hessen.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 342.)
 
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