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gewesen, und doch durfte ich meines Kindes wegen nicht
sterben. — Ich genas langsam, sehr langsam, und als
ich endlich einigermaßen wieder hergestellt war, da dachte
ich nicht mehr daran, meiner Frau zu folgen, um sie
auszusuchen, denn Wiedersehen konnte ich sie nicht. Für
mich war sie todt — aber auch mein Herz schien todt
zu sein. Wohl dürstete ich nach Rache an dem Schänd-
lichen, allein wahrend der ersten Jahre erfuhr ich nicht
einmal, wo er sich aufhielt, da er einen anderen Namen
angenommen hatte.
„Kurze Zeit nach meiner Genesung verkaufte ich
meine sämmtlichen Besitzungen und verließ nut meinem
Kinde das Land, in dem ein Jeder meine Schmach
kannte. Ich legte fogar meinen Namm ab, um unerkannt
zu bleiben; ich heiße nicht Salva, sondern Cäsar von
Sentis. Ich lebte seitdem säst stets im Auslande, das
Einzige, was mich noch an das Leben fesselte, war meine
Tochter, welche nur weiß, daß ihre Mutter
gestorbeu ist, als sie noch nicht zwei Jahre
alt war. Mein ganzes Herz hängt an
meiner Tochter, allein selbst sie ist nicht
im Stande gewesen, die Wunde hier drinnen
zu heilen. Wem ein solches Glück vernichtet
ist, für den gibt es kein Vergessen. Jetzt
werden Sie vielleicht meinen Charakter be-
greifen, der aus einem heiteren und lebens-
frohen ein verschlossener, mißtrauischer,
strenger und reizbarer geworden ist. Jetzt
werden Sie vielleicht auch meine Aufregung
und Schroffheit begreifen," wandte er sich
an Albert, „als Sie meine Tochter ge-
rettet hatten. Jener entsetzliche Tag, an
dem mich der Unfall mit meiner Frau
traf, stieg in dem Augenblicke deutlich vor
mir auf, auch damals trugen durchge-
gangene Pferde die Schuld; der Prinz hatte
sich meiner Fran und meiner als Helfer
und Retter angenommen — o, es kommen
Zeiten über mich, in denen es noch so
heftig in mir stürmt, daß ich nicht zu-
rechnungsfähig bin — so stürmte es auch
in dem Augenblicke in mir, ich sah in
Ihnen ein Ebenbild des Prinzen, ich glaubte
in meinem Wahne, auch Sie hätten meine
Tochter nur gerettet, um sie zu entführen
und mir zu rauben. Jetzt kann ich es
Ihnen gestehen, dein: jetzt werden Sie es
fassen und mir verzeihen!"
Er sank erschöpft zusammen.
Kurt erhob sich, trat zu ihm und drückte
ihm schweigend die Hand.
„Wir begreifen Sie," sprach er dann
und mit der innigsten Theilnahme ruhte
sein Ange auf dein unglücklichen Manne.
Salva antwortete nicht, regungslos saß
er da, nur das leise Zittern seiner Hände
verrieth, wie es in ihm stürmte.
„Sie haben Ihre Frau nie wieder ge-
sehen?" fragte Kurt.
„Nie," gab Salva zu Antwort, ohne auf-
znblickeu. „Ich habe nie wieder etwas von ihr

Liebe für Hab.
N o m a n
von
Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
ns den Hofbällen und Festlichkeiten," fuhr
Salva fort, „traf Prinz Heinrich auch meine
Fran öfter und war freundlich und aufmerk-
sam gegen sie. Ich war nicht eifersüchtig und
konnte um so weniger etwas Ausfallendes
darin finden, weil meine Frau hübsch und
jung war und ihr alle Herren Aufmerksamkeiten er-
wiesen. Ter Fürst selbst hatte meine Frau wieder-
holt ausgezeichnet, dies allein war ja schon hinreichender
Grund für sämmtliche Herren am Hofe, ihr ebenfalls
artig entgegen zu kommen. Eines Tages
fuhr ich mit ihr spazieren, die Pferde scheuten
vor irgend einem Gegenstände und der Kut-
scher vermochte sie nicht zu halten. Vor-
der Villa, welche der Prinz bewohnte,
gerietst der Wagen gegen einen Baum und
sowohl meine Frau wie ich wurden aus
dem Wagen geschleudert. Als ich wieder
zu mir kam, befand ich mich in der Villa
des Prinzen, ein Arzt stand neben mir
nnd hatte meinen Kopf, der eine nicht un-
erhebliche Verletzung davongetragcn, ver-
bunden. Meine erste Frage galt meiner
Frau, sie befand sich in dem Nebenzimmer
und wurde vom Prinzen unterhalten. Auch
sie war ohnmächtig in das Haus getragen
worden, war indessen ohne Verletzung geblie-
ben. Erleichtert athmete ich auf, meiue eigene
Verletzung erschien mir jetzt geringfügig. Ich
dankte dem Prinzen für die Liebenswürdig-
keit, mit der er uns ausgenommen; in
seinen: Wagen fuhren wir zu meiner
Wohnuug."
Salva schwieg einen Augenblick und Preßte
die Hand vor die Augen, es schien ihm un-
sagbar schmerzlich zu sein, diese längst ver-
gangenen Bilder noch einmal vor seinem
Geist auszusrischen.
„Meine Verletzung war keine leichte, ich
mußte das Bett hüten und fieberte," sichr-
er dann fort. „So oft ich zu mir kam
und nie ine Frau an meinem Bette sitzen
sah, athmete ich leichter auf und dankte
dem Geschicke, daß ich und nicht meine
Frau von dem Unfälle betroffen war, denn
sie war mir theurer als mein Leben, sie war-
mem Glück und ich hing mit unsagbarer
Liebe an ihr. — Da — da — es war un-
gefähr acht Tage nach dem Unfälle und ich
mußte das Bett noch hüten, war sie eines
Morgens verschwunden und zugleich auch
der Prinz Heinrich — er hatte sie entführt.
Dnrch einen alten und nur ergebenen Die-
ner erfahr ich es noch an demselben Tage

und es war ein schlimmer — schummer Tag. Ich
sprang aus dem Bette, um den Schändlichen, der die
Treulose entführt, zu verfolgen, und als ich fast ohn-
mächtig und einer solchen Anftregung noch nicht gewach-
sen niedersank, riß ich den Verband von der noch nicht
geheilten Wunde, um zu sterben. Ich schäme mich nicht,
daß ich damals nicht den Muth besaß, zu leben und das Elend
zu tragen. Meine eigene Schwäche erhielt mein Leben,
man brachte mein Kind, meine damals noch nicht zwei-
jährige Tochter zu mir, uud ihretwegen beschloß ich endlich
zu leben. Der Fürst kam zu mir und sprach sich in bitterster
Weise über seinen Bruder aus, Alle, die mich kannten,
versagten mir ihre aufrichtige Theilnahme nicht, man ver-
dammte den Prinzen und beklagte meiue Frau, die durch
den Schändlichen bethört — aber mir war dies Alles
gleichgiltig. Ich lebte — aber was für ein Leben!
Gegen meine Leiden wäre der Tod die größte Wohlthat

General Alsonso de Lamarmora. (S. 367.)
 
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