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sich verlobt habe, das wird sie am schnellsten von ihrer
Liebe zu ihm heilen. Ich werde Sic unterstützen und zu
hindern suchen, daß er in der nächsten Zeit hieher kommt."
Christine sah Düringer fragend an. Konnte sie ihr
Kind täuschen? Dnrfte sie ihm die Unwahrheit sagen?
Knrt schien das Bedenken, welches in ihrem Blicke
lag, zu erratheu.
„Bleibt Jhneu ein anderes Mittel übrig?" fuhr er
fort. „Können Sie Ihrer Tochter die Wahrheit sagen?
Denken Sie, Ihre Tochter wäre eine Kranke, wie oft
muß ein Arzt einer Kranken die Unwahrheit sagen, weil
sie nicht im Stande ist, die Wahrheit zu ertragen."
„Ich werde es thun und Ihrem Nathe folgen," sprach
Christine nach kurzem Zögern. „Sträubt sich auch meiu
Herz dagegen, so weiß ich doch, daß Sie es aufrichtig
mit mir meinen."

Prinzeß Marie von Preußen, Ärant des Prinzen Heinrich der Niederlande.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 53-!.)

Schmerz einen sicheren Halt zu finden.
„Ich werde es bringen," sprach sie dann
mit fester Entschlossenheit. „Aber was
wird aus meuter armen Tochter werden!
Sie liebt ihn, wird sie je im Stande sein
ihn zu vergessen?"
„Die Jugend überwindet und vergißt
viel. Den Grund, weshalb Leonard nicht
der Ihrige werden kann, darf sie nicht er-
fahren, bieten Sie Alles auf, daß sie
dem Gutsbesitzer ihre Hand reicht."
„Kann ich sie dazu zwingen?"
„Dann sagen Sie ihr, daß Leonard

„Ja, ich meine es aufrichtig," versicherte Kurt. „Sie
haben jetzt viel zu tragen, lassen Sie indessen die Stürme,
die Sie erregen, vorübergehen, und auch Jhuen wird der
blaue Himmel des Glückes wieder lachen."
„Sie werden über das, was ich zu tragen habe, nie
eine Klage aus meinem Muude vernehmen," erwiederte
Christine. „Ich habe in meinem Leben viel trübe Tage,
aber auch Jahre des vollsten Glücks gehabt, ich wünsche
nichts weiter, als daß meine Kinder glücklich werden,
und um dies zn erreichen, würde ich gerne mein Leben
hingcben."
Düringer reichte ihr die Hand.
„Halten Sie daran sest," sprach er, „und glauben
Sie mir, daß auch für Sie ein ruhiges Glück wieder-
kehrt."
Er erhob sich und kehrte zur Stadt zurück.
Christine blieb unter dem Baume sitzen,
den Kopf auf die Hand gestützt. Wie
wunderbar hatte sich das Leben für sie
gestaltet und bis jetzt hatte sich für sie
noch Alles zum Guten gewendet. Dnrfte
sie jetzt zweifeln? Sie wiederholte sich
Düringer's Worte und mehr und mehr
sah sie ein, wie Recht derselbe hatte.
Sie war durch die Erlebnisse der letz-
ten Zeit so sehr erschüttert und nervös
erregt, daß sie still vor sich hin weinte.
An Den:, dessen Vater ihr Mann erschla-
gen hatte, sand sie jetzt den einzigen Bei-
stand !
Ein Paar Weiche Arme umschlangen sie
plötzlich, und als sie aufsah, blickte sie iu
Käthe's Augen.
„Du zürnst mir," sprach das Mädchen.
„Nein, Käthe," entgegnete die Mutter
ruhig, die Haud der Tochter erfassend.
„Es gehen nicht alle Wünsche, die wir
hegen, in Etfüllung. Ich gestehe, daß
ich glücklich gewesen sein würde, wenn
Streben — so hieß der junge Gutsbesitzer
— Deiu Alaun geworden wä/e, Dein Herz
scheint gegen ihn zu sein und ich werde
Dich nie zwingen, einen Bund zn schließen,
der Deinen! Herzen fremd ist."
„Ich liebe ihn nicht!" rief Käthe, sich
an die Brust der Mutter werfend. „Willig
räume ich alle seine Vorzüge ein, ich weiß',
daß er einen vortrefflichen Charakter be-
sitzt — ist es meine Schuld, daß mein Herz
nichts für ihn empfindet?"
„Nein', Kind," fuhr Christiue fort.
„Ich will Dir auch keinen Vorwurf ma-
chen, so sehr ich Streben, der Dich auf-
richtig liebt, bedaure."
„Er wird mich vergessen."
„Hältst Du das für so leicht?"
Käthe schwieg. Sie dachte daran,
wie schwer ihr eigenes Herz vergessen
werde.
„Ich weiß es nicht," entgegnete sie
dann.

Liebe für Haß.
Roina n
bon
Ariedricli Kriedrick.
(<z-ortse1zung.) (Nnchdruck verboten.)
äthe's Bruder?" wiederholte Christine, Dü-
ringer erstaunt anblickend.
„Ja, Leonard ist Ihr Sohn."
„Mein Sohn!" rief Christine.
„Er ist Alberts Brnder. Sein Vater-
hat ihn ans dem Findelhause zu sich genommen, er steht
in gleichem Alter mit Albert — ich sah eines Tages die
Hälfte des Ringes bei ihm und er erzählte mir, daß
derselbe das einzige Andenken an seine Mutter sei, wel-
ches er besitze."
Christine °war durch diese Mitthciluug
zu heftig erregt, um sprechen zu können;
sie zitterte, ihre Augen füllten sich mit
Thränen. Als sie ihre Kinder einst dein
Findelhause übergeben, hatte sie nicht die
geringste Hoffnung gehegt, dieselben je
wieder zn sehen, und beide hatte sie nun
wieder gefunden, Prächtig entfaltet und
in der glücklichsten Lage. Nun wußte sie,
weshalb sie sich zu dem jungen Arzte stets
so sehr hingezogen gefühlt hatte.
„Weiß er, daß er der Bruder Ihres
Sohnes ist?" fragte sie endlich.
„Nein, er darf es auch nie erfahren,"
entgegnete Düringer. „Unbewußt fühlen
Beide sich zu einander hingezogen, mit
der größten Aufopferung hat Leonard
meinem Sohne das Leben gerettet, sie
find Frennde, würde es ihr Glück erhöhen,
wenn sie erführen, daß sie Brüder sind?
Würden sie nicht gemeinsam nachforschen,
um ihre Eltern zu entdecken?"
Christine nickte zustimmend.
„Sie haben Recht," sprach sie.
„Sie diirfen sich ihm nie als Mutter
zu erkennen geben," fuhr Düringer fort.
„Sie müssen auch dieses Opfer bringen,
mag es Ihnen noch so schwer werden."
Christine schwieg. Sie schien mit sich
 
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