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au

„Man kann im Stillen zurückkommen, man kann
auch willfährige Leute finden, die in nuferer Abwesen-
heit so etwas uns zu Gefallen ausführen..."
Dem Baron siel plötzlich die Mittheilnng ein, die
ihm damals der Geheimrath gemacht hatte, daß er Ru-
dolph Merk auf der Straße feiner Provinzialhauptstadt
erblickt habe, und daß dieser ihm ausgewicheu sei. Bertha
schoß der Gedanke an Friedrich durch den Kops, wie
dieser so eigenthümlich stoisch gefaßt gewesen, während
der Brand wüthete, wie er ganz gegen die Gewohnheit
von Leuten seines Standes mit einer Art mürrischer
Geistesgegenwart just das Richtige und Wichtige gerettet!
Und dennoch rief sie mit Heftigkeit ans:
„Ich kann, was Sie behaupten, dennoch nicht glau-
ben, nun und nimmermehr!"
Der Gerichtsrath zuckte die Schultern, während der
Baron sagte:

Gras Botha zu Eulenburg, königl. preußischer Minister dc8 Innern.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 582.)

„Und ich, Bertha, kann es!"
„Sie können von meinen: Bruder glauben. . ."
„Daß er, der ein genialer Mensch ist, mehr wie wir
den Dingen klebenden, von Hab und Gut gefesselten
und von unseren Verhältnissen uns tyrannisiren lassen-
den Menschen einsieht, wie thöricht es ist, sich durch
das, was um unseres Lebens willen da ist, das Leben
verderben zu lassen! Als Preis für Existenzmittel die
Existenz dahin zu geben! Die Wand hier schützt mich
vor Sturm und Regen — wird sie mir zur Gefängniß-
wand, so suche ich sie mit dem Fuße einzutrcten, und
wenn das mir nicht gelingt, brenne ich, wenn ich's ver-
mag, lieber das Hans nieder, als mein Leben lang ein
Gefangener darin zu bleiben!"
„Äh — Sie glauben, Baron. . ."
„Ich glaube, daß Rudolph mit kühner Entschlossen-
heit zu den: Mittel gegriffen hat, welches das beste, das
einzige war, Sie, Bertha, aus Ihren:
Gefängnisse zu bringen!"
„Das wäre doch erschreckend..."
„Weshalb?" sagte der Baron. „Hat
sich die energische That nicht vollständig
gerechtfertigt? Sind Sie nicht frei ge-
worden dadurch? Nicht glücklich? Erinnern
Sie sich, wie ich gleich damals das Er-
eignis) als etwas pries, das Sie Ihrem
Schutzheiligen verdankten, daß ich Ihnen
Glück dazu wünschte? Und daß Sie diesen
Glückwunsch innerlich sehr getröstet, nu:
mit wehmüthigen: Lächeln aufnahmen?'
Bertha antwortete nicht. Es war, als
ob dies Alles ihr Gemüth in eine Ver-
fassung gebracht, worin sie zum klaren
Urtheilen die Gedanken nicht mehr zu sau:
meln vermochte; sie sank in ihren Sessel
zurück und hörte nur noch mit weit ge-
öffneten Augen den Baron und den Ge-
richtsrath an, der lebhaft sagte:
„Sie, Baron, sind also des Glaubens,
daß Rudolph Merk, ohne irgend von den
Geschehenen, den: Tode Gustav Brauco's,
zu wissen, sich zu einer solchen Handlung
hinreißen ließ?"
„Ich bin der Meinung, Herr Gerichts-
rath, daß Sie, um die durchaus richtig,
Ansicht von allen: Geschehenen zu gewin
neu, nichts Besseres thun können, als nnbe
dingt ans die Aussagen von Frau Frau
zu vertrauen."
„Sie sehen mich ja völlig geneig
dazu," versetzte der Gerichtsrath; „wir
hätten also, was diese Brandstiftung an
geht, mit einer Handlung der brüder
lichen Liebe zu thun, die sich über Geset
und Recht und die eigene Gefahr hinweg
setzte..."
„Die Gefahr war nicht groß. Dai
eigene Haus auzuzündcn, wem: es gau
isolirt liegt, nicht die geringste Gefah
für benachbarte Häuser dadurch entstehen
kein Menschenleben dadurch gefährdet wer

N o n: a n
VüN
Levin Schücklttg.
(v'oGehung.) (Nachdruck verboten.)
ber um des Himmels willen, Herr Gerichts-
rath," sagte Bertha erschrocken, „wie kom-
men Sie zu der Vermuthung, Rudolph sei
auch nur irgendwie an jener ganzen An-
gelegenheit betheiligt gewesen?"
„Ich glaube vollständig," unterbrach sie
in seiner ruhigen Weise der Beamte, „an die genaue
Richtigkeit und Wahrheit dessen, was Sie uns vorhin
mitgetheilt Hubert. Sie werden aber selbst einsehcn, daß
— ans den ersten Anblick wenigstens — man Ihren Bruder-
tiefer in die Sache verflochten glauben
muß, weil er eben durch eine so gewalt-
same und von den Gesetzen scharf verpönte
Handlung, zu der sich ein gebildeter
Mensch sonst nicht hergibt, die Spuren
jener tragischen Katastrophe zu vertilge::
strebte."
„Jetzt verstehe ich Sie iu der That noch
weniger!" rief Bertha ganz bestürzt aus.
„Wirklich nicht? Welchem Grunde
messen Sie der Einäscherung Ihres Hauses
bei?"
„Das ist nie ganz bestimmt ermittelt
worden. Man hat viel davon gesprochen,
daß..."
„Wovon man gesprochen hat, ist für uns
gleichgiltig. Ich bitte nm Ihre Erklärung."
„Ich habe keine!"
„Sie hätten keine? Wirklich nicht?"
„Nein — weshalb befremdet Sie das?"
„Weil Ihr Bruder selber gestanden
hat, daß er es war..."
„Mein Bruder? Rudolph? Und das
hätte er gestanden?"
„Er hat es eingestanden!"
„Unmöglich! Wem? Wo?"
„Durch eine schriftliche Mittheilung an
dei: Vorsteher der Versicherungsanstalt,
welche Ihnen die Entschädigung auszahlte,
hat er es indirekt so gut wie gestanden.
Er hat diese Entschädigung zurückerstattet
— der Vorsteher ist gestern darüber schon
von mir vernommen worden und hat kein
Hehl daraus gemacht."
Bertha war wie aus den Wolken ge-
fallen. Auch der Baron war höchlichst
überrascht, obwohl in der Erregung, worein
ihn die Erzählung Bertha's versetzt hatte,
nicht viel in der Welt mehr im Stande
war, ihn zu verwundern."
„Aber," siel Bertha ein, „mein Bruder-
war ja gar nicht hier, gar uicht in der
Gegend, als mein Haus niederbrannte.
Er war auf seiner Akademie. . ."
 
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