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Verloren.

des Grafen, nur die Tobten reden nicht."
„Margherita ist ja wahnsinnig."
„Wild und boshaft ist sie, aber nicht
" toll, sie stellt sich mir so."
„Nein, nein, sie ist verrückt; ich habe sie selbst im
Mondenschein auf den Dachfirsten des Schlosses herum-
spazieren sehen."
„Und hast sie nicht hiuuntergestürzt? Dummkopf
Du; hättest uns heute viel Muhe und Roth er-
spart. Wie soll ich sie denn von hier
fortbringcn, wenn ich keine Gewalt an-
wenden darf?"
Inzwischen hatte die Wahnsinnige be-
reits von freien Stücken sich dem Ausgange
genähert, sie winkte der Gefangenen noch
einmal zu, als wollte sie sagen: Sei nur
getrost, ich werde Dir bcistchen! und war
dann im nächsten Augenblicke verschwunden.
„Die verwünschte Hexe," knirschte An-
drea, ihr nachblickend, „sie wird uns noch
etwas aufzupassen und zu rathen aufgeben.
Ich wünschte, der Herr wäre erst da."
„Er kommt sicher morgen oder über-
morgen."
„Bis dahin wollen wir das Püppchen
gut bewahren."
Annunziata hatte dem Gespräch zwischen
den beiden Bösewichtern mit einem sich immer
steigernden Entsetzen zugchört. In welchen
Abgrund von Verworfenheit ließen sie die
Aeußeruugcn der Banditen schauen, und
welches Schicksal stand ihr bevor?!
Als sich Andreo nach dem letzten Worte,
das er zu seinem Spießgesellen gesprochen,
zu ihr herumwaudtc, faltete sic die Hände
und sagte mit einem Tone, der einen Stein
hätte erweichen müssen:
„Was soll ich hier? Weshalb habt
I hr ui ich nach diesem furchtbaren Orte
geschleppt? Wie lange soll ich hier gefangen
gehalten werden?"
„Viel Fragen mit einem Male,"
höhnte Andreo, „Du mußt wohl ein recht
verwöhntes Püppchen sein, wenn Du das
hier einen furchtbaren Ort nennst. Ich
dächte, die Stube, in der wir uns zuerst
sahen, wäre lauge nicht so hübsch einge-
richtet gewesen wie diese hier."
Annunziata schauderte bei dem Ge-
danken an den lleberfall des Bösewichtes.
„Dort war ich zu Hause," schluchzte sie,
„hier bin ich allein!"

„Rechnest Du unsere Gesellschaft für nichts, Mäd-
chen?" fragte Vicenzo mit rohem Lachen, „wir sind
hier und bleiben hier, bis ein Anderer kommt, uns ab-
zulösen."
„Wer ist das?" fragte sie zitternd, „wird er mich
hier gefangen halten?"
„Wirst ihn schon kommen sehen, Täubchen," sagte
Vicenzo und sah sie mit einem verschmitzten Blicke au,
„wirst ihn kennen lernen, und es wird auf Dich an-
kommen, wie lange Du hier bleibst, darfst Dich nur
nicht zieren —"
Andreo legte ihm die Ha-nd auf den Mund. „Rede
nicht Dinge, die Dich nichts angehen," herrschte er ihn
an; sich zu Annunziata wendend, fuhr er fort: „Ver-
halte Dich ruhig, thue, was wir Dich heißen und cs
geschieht Dir kein Leid. Begehst Du Unsinn, so stehe
ich für nichts."
Wie zur Bekräftigung seiner Worte, zog er unter

seiner Jacke ein Doppelpistol und einen langen scharf-
geschliffenen Dolch hervor und legte die Waffen ans den
Tisch.
„Ich verstehe," sagte sie schaudernd.
„Ist gut," nickte er befriedigt, „das erspart uns eine
Menge unnützer Redensarten."
Er trat an einen Wandschrank, schloß ihn auf, holte
eine Flasche, ein Glas und einen Teller Biscuit hervor,
goß das Glas voll Wein und gebot Annunziata, zu
essen und zu triukcu.
Sic weigerte sich.
„Fürchtest Du, daß wir Dich vergiften?" höhnte er.
„Hütte ich Dich kalt machen wollen, hätte ich's be-
guemer haben können und Dich nicht erst hieher zu
schleppen gebraucht. Iß und trink," gebot er mit so
fürchterlichem Blick, daß das arme Mädchen erschrocken
seinem Befehl Folge leistete, einige Bissen zu sich nahm
und von dem Glase nippte.
„Jetzt gehe zu Bett," gebot er, auf das
im Hintergründe des Gemaches stehende
Bett deutend.
„Ich bin nicht schläfrig."
„Du sollst es aber sein. Finde ich
Dich wachend, wenn Du schlafen sollst,
dann wehe Dir!"
Annunziata gehorchte und warf sich
angckleidct auf das Lager.
„Jetzt, Vicenzo, legst Tu Dich so,
daß Niemand mit ihr davoulaufcu kann,
und ich lege mich so, daß Niemand cs ein-
fallen soll, mit mir davon zu laufen,"
sagte Andreo lachend.
Beide Männer trafen die Vorberei-
tungen für ihr Nachtlager. Die Pistolen
wurden in Bereitschaft gesetzt. Vicenzo
streckte sich am Kamin nieder und legte
die Waffen neben sich. Andreo löschte die
Lichter aus und rollte sich in seinen Mantel
so zusammen, daß er zwischen der Fallthürc
und der Thüre des Gemaches, die er offen
ließ, zu liegen kam, auch er hatte Dolch
und Pistolen neben sich.
Es währte nur ganz kurze Zeit, da
verkündete tiefes Schuarcheu, daß die beiden
Männer eiugeschlnfen waren. Annunziata
wachte. Sie hatte die Angen geschlossen,
aber sic schlief nicht, und als sie vernahm,
daß ihre Wächter im Schlafe waren, blickte
sie vorsichtig um sich.
Im llamin verglühten die letzten Koh-
len, dichte Finsternis; umgab sie. Das
Zimmer, in dem sie sich befand, hatte
kein Fenster, sie wußte nicht, ob cs Tag oder
Nacht war; sie war in einem unterirdischen
Kerker.
Warum hatte mau sie hieher gebracht?
Was hatte mau mit ihr vor? War das
Maß ihrer Leiden bereits voll oder war
das, was sie erlitten, nur das Vorspiel zu
dem, was ihr noch bevorstand? — Diese
Fragen marterten sie und scheuchten den

Crzherzogin Maria Christine van Oesterreich, Braut dcö Königs AlsanS Xli. van Tpanicn.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 12g.)

von
Ludwig K a k i ch t.
lForisehnng.) ^chOrn-t vervo-en.,
ndrco machte eine verächtliche Geberde ans
Viceuzo's Aeußernng. „Alberne Schwäche
 
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