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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 21.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.48816#0054
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Hm

1886.

Autorrechte vorbebalten.

indem er

Kahnfahrt. Nach einem Gemälde von C. Heyden. (S. 55)



spricht, mag das, was zu berühren ich gezwungen
bin, immerhin wenig erbaulich sein. Biegen wir in
diese Allee ein, und während ich zu Ihnen spreche,
erbauen Sie sich an dem Anblick des reichen Frucht-
segens. Betrachten Sie die Georginen und Astern,
diese getreuen Herbstkinder, die uns den Uebergang
vom grünen Sommer in den kahlen Winter gewisser-
maßen erleichtern. Ist das nicht eine Farbenpracht?
Ich denke bei ihrem Anblick bedauernd an den ersten
Nachtfrost, welcher mir alle diese lieben Kinder un-
barmherzig erkältet, daß sie in den nächsten Stun-
den ihre Häupter sterbend neigen. So ist es auch
unter den Menschen. Unabhängig von den Jahres-
zeiten, senkt vernichtender Reif sich bald auf dieses,

Das Logglmch des Kapitams Lisensiltger.
Roman
von
Balduin Möllhansc».
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Sechstes Kapitel.
Wathauael Ilostig.
u hast also doch Wort gehalten!" rief
N Bernhard, der Sohn des Pastors Rostig,
dem eintreffenden Freunde zu, ' '
ihm entgegcnschritt.
„Und zwar auf Kosten einer
Strafpredigt, der ich Wohl kaum
entgehen Werde, da ich vor dem Vater mein
Nichterscheinen bei ihm brieflich entschul-
digte," antwortete Demetrius leichtfertig
lachend.
„Was ich tadle, streng tadle," versetzte
der Pastor, „das Gebot des Vaters soll
heilig gehalten werden in allen Lebenslagen—
aber willkommen an meinem Herd, theurer
Demetrius," und er reichte dem jungen
Manne mit großer Herzlichkeit die Hand,
„Priscilla, geh' hinein und sorge für die
entsprechenden Erfrischungen. Und nun, mein
theurer Demetrius, wollen wir, da Bern-
hard noch eine Weile für mich beschäftigt
ist, uns im Garten ergehen, bis Pncilla's
Helle Stimme uns daran erinnert, daß der
Mensch von schönen Worten und edlen Ge-
danken nicht allein leben kann."
Bis dahin hatte Demetrius Zeit ge-
sunden, mit Bernhard einen Händedruck und
einen bezeichnenden Blick zu wechseln. Nach-
dem er daraus durch das Fenster der Frau
Pastorin die Hand gereicht hatte, trat er
an des Pastors Seite.
Dieser blies einige starke Rauchwolken
don sich und schritt in den Garten hinaus.
Indem sie um den Hausgiebcl herum rn
den Garten einbogen, sandte er einen Buck
über die Schulter rückwärts. Er wollte
sich offenbar überzeugen, daß außer seinem
langohrigen Schäferhunde Niemand folgte,
dann hob er ein wenig ernster an, als es
sonst seine Art war:
„Ueberraschen wird es Sie, mein theurer
Demetrius, zu vernehmen, daß bei aller
meiner Liebe und Freundschaft für Sie ich
eine Art ernster Auseinandersetzung mit Ihnen
anstrebe."
„Das klingt beinahe, als hätte ich ein
Verbrechen begangen," crwiederte Deme-
trius befangen.
„Ruhig,' mein Sohn," versetzte der Pastor
wilde, „vergessen Sie nicht, daß es Ihr
aufrichtigster Freund ist, der zu Ihnen

»«mm
bald auf jenes Haupt, zum Schmerz aller Derjenigen,
die mit inniger Liebe an den armen Opfern hängen.
Und nicht immer ist es Siechthum, was zugleich mit
dem Körper auch den Geist bricht. Nein, Schmerz-
licheres gibt cs, und das ist, Wenn ein in jugend-
frischem Körper blühendes unschuldiges Gemüth un-
heilbarem Dahinwelken anheimfällt. Da ist denn un-
sere Aufgabe, selbst unter den schwersten Opfern dahin
zu wirken, daß dergleichen vermieden werde. Ich weiß
nicht, ob Sie mich verstehen."
„Ich ahne wohl Mancherlei," antwortete Demetrius
beunruhigt, „allein ich wage nicht, meinen Befürch-
tungen irgend welche Form zu geben."
„Ein aufrichtiges Wort," erklärte der Pastor ernst,
„lassen Sie auch fernerhin diese Aufrichtig-
keit walten. Verschweigen Sie mir nichts;
lohnen Sie mein offenes Vertrauen dadurch,
daß auch Sie mir rückhaltloses Vertrauen
entgegentragen, und ich weiß, wenn wir
in's Haus zurückkehren, wird uns Beiden
leichter um's Herz sein.
Was mich veranlaßte, unser jetziges
Zwiegespräch herbcizuführen, sind Beob-
achtungen, die niederdrückend auf mich ein-
wirken mußten. Ziehe ich aber jetzt Ihren
Vater mit in meine Rede hinein, fo weh-
ren Sie vor allen Dingen dein Verdacht,
als ob ich Ihre kindliche Liebe und Ver-
ehrung nachthcilig beeinflussen wollte. Daß
ich peinliche Zurücksetzungen, wenn auch
nur in der Beobachtung gewisser Formen
erfuhr, läßt sich nicht leugnen. Geduldig
und ohne einen Laut des'Mißvergnügens
würde ich sie hingenommen haben, läge der
Grund für dieselben nicht tiefer. Sie galten
nämlich nicht etwa dem einfachen Pastor
Rostig, sondern den Verhältnissen. Ich
aber müßte weniger gelernt haben, die
Menschen nach ihren Handlungen zu be-
urtheilen, wollte ich in diesem besonderen
Falle noch in Zweifel bleiben. Und so sage
ich cs niit unzweideutigen Worten: cs waltet
der Wunsch, zwischen Ihrem elterlichen Hause
und dem meinigen eine Kluft nicht nur
bestehen zu lassen, sondern dieselbe auch,
wenn irgend möglich, zu erweitern. So
lange Berg und Thal uns von einander
trennten, war es ein Anderes. Was damals
große Entfernungen bewirkten, das soll jetzt
bei der nahen Nachbarschaft durch bedacht-
sames Verfahren ersetzt werden. Und darin
handelt Ihr Vater vorsichtig und gerecht.
Welche Schritte er anch immer gegen einen
zu lebhaften Verkehr eingeleitet haben mag,
sie zeugen von treuer Fürsorge und ich billige
sie daher vollkommen. Mir aber kann nicht
verdacht werden, wenn ich ähnlich denke.
Dagegen wähle ich zur Erreichung des mir
vorschwebenden Zweckes einen freundlicheren
Weg, wie ein solcher meinem Beruf und mei-
nen menschlichen Anschauungen entspricht."




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