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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 21.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.48816#0126
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Hohn fortfuhr:
! Je mehr, desto

, Sie wollten
vornehme reiche
fragte

habend genug, daß die vierundzwanzig Thalcr jähr- l
lieh kein Ausfall für sie wären. Fühlten Sie sich un-
schuldig, so ständen Sie nicht da, wie Jemand, dem
der Strick um den Hals gelegt werden soll —"
„Juliane! Sie sind wahnwitzig! Sic werden mit
Ihrem Schreien die Leute zusammenrufen!" fiel Starke
besänftigend ein, erreichte indessen nichts Anderes, als
daß Juliane mit unbeschreiblichem H"h"
„Wenn sie nur kommen wollten! Je mehr, desto
besser, damit Alle horten, wie ich Sie einen scham-
losen Lügner, einen Betrüger, einen wortbrüchigen
Schurken nenne. Zucken Sie immerhin mit den Äch-
seln, als wäre ich ein Kind, welches eine Handvoll
Sand nach Ihnen würfe; bevor Sie dieses Zimmer
verlassen, denkt meine Mutter anders über Sie, sollen
Sie wünschen, nie Ihre Füße auf diese dumpfigen
Bretter gestellt zu haben."

„Lassen Sie mich hinaus," befahl Starke, und
wiederum schnitt Juliane ihm das Wort mit feind-
seligem Lachen ab.
„Also meine Schwester mochten Sie der armen
Fran hier zuführen?" fragte sie förmlich zischend,
„meine schöne Schwester, der Sie vor wenigen Tagen
begegneten und die Ihnen so gar gut gefiel ? Ei, wie
großmüthig, Herr Starke! Aber die arme Frau sprach
die Wahrheit: beim besten Willen wäre sie nicht im
Stande, Ihnen Auskunft über ihre Tochter zu erthcilen.
Ich vermöchte es, denn auch ich sah und erkannte sie.
Ich sah sie sogar mehrfach nnd schlich ihr nach, wenn
auch nur aus der Ferne, und ihr liebes Angesicht er-
schien mir wie ein Schatten, so liefen die Thräncn mir
in den Augen zusammen. O ja, Herr Starke, sie ist
sehr, sehr'schön, und doch ließe ich mir lieber beide
Hände abhacken, bevor ich dem unschuldigen Kinde ver-
ricthe, daß wir Töchter derselben Mutter
sind. Und mehr noch: ich kenne ihren
Aufenthaltsort; ich kenne die Namen der
guten Menschen, nnter deren Schutz sie
glücklich und zufrieden lebt. Ich könnte
Sie vor die Thüre des wunderbar schönen
Mädchens führen, könnte Ihnen sagen:
Hier, Herr Starke, ist Diejenige, die Sie
suchen, nun lassen Sie Ihre Großmnth
walten und vereinigen Sie Mutter und
Tochter. Ei, Herr' Starke, das könnte
Ihnen gefallen? Nicht wahr? Auch ich
war einst unschuldig und vertrauend;
aber nur bis zu dein Zeitpunkt, in wel-
chem Sic unter falschen Vorspiegelungen
und Eidschwürcn sich mir näherten, mit
Ihren Versprechungen mich verblendeten,
bethörten und berauschten, dann aber die
Tochter eines Mannes, der im Dienste
Ihres Hauses sein Leben verlor, wie
ein abgenutztes Stück Hausgeräth ans
die Straße hinausstießen. Sie —
eine Andere freien, eine l
Dame —"
„Sind Sie endlich fertig?"
Starke, sich zu einer Erwiederung er-
mannend.
„Nein, noch nicht, denn bevor Sie
dieses Zimmer verlassen, soll meine Mut-
ter erfahren, was ich so lange ängstlich
vor ihr verheimlichte um meiner'selbst
willen; sie soll erfahren, wer mich von
hier Vertrieb , mir das elterliche Haus
verschloß. Sic soll erfahren, aus wessen
Händen sie so lange die elende Pension
bezog, wogegen es mir versagt geblieben,
für sie zu arbeiten, sie zu unterstützen.
Als Sie mit Ihrer Braut zur Kirche
fuhren, nm sich mit ihr trauen zu lassen,
gedachte ich ebenfalls vor den Altar hin-
zutreten und der glänzenden Versamm-
lung znznschreien: Seht her st"s mich.
Ich sollte hier an dieser Stelle stehen
aber mich hat er treulos verlassen, ums

Nlcpniidcr Girnrdi.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. l^-.

Autorrechte Vorbehalten.
Vas LlWlmch des MpiliwlS EilenüttM.
Noma n
von
Balduin Möllhausen.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Dreizehntes Aapitel.
Auliane.
ach Jülianens ungestümem Eintritt herrschte
eine Stille, daß man die Athemzüge jedes
Einzelnen hätte zählen können. Doch schon
, nach wenigen Sekunden belebte die hin-
lUr-s fällige Gestalt der Frau Kramer sich wieder.
„Juliane!" entwand es sich ihren bebenden Lippen,
und herber Vorwurf, tiefe Klage nnd auch
wieder ein Funke unauslöschlicher heiliger
Mutterliebe offenbarte sich in ihrer Stimme,
„Juliane, wie kommst Du hierher?!"
Diese kehrte sich stumm der Thüre
zu, verschloß dieselbe und steckte den
Schlüssel zu sich. Dann schritt sic bis
in die Mitte des Zimmers vor.
„Ja, Mutter," hob sie mit Unheil
verkündender Ruhe an, und anscheinend
ksteichmüthig sah sie über den bebenden
«tarke hinweg, „ich bin gekommen. Seit
fahren wagte ich zum ersten Mal wie-
Deine Schwelle zu überschreiten.
Jetzt segne die Regung, die mich an-
tncb, heute, wie so manches liebe Mal
hstklen Nächten, an Deiner Thüre
heunuch fm,lauschen, Wohl gar auf die
eine odex, ankere A'ck ^.,n armes trautes
Besichtleben Mutter, es war
eine Fvm Zch ich ihn hier treffen
sollte," r ".c wn ' nut einer Kebcrde
des Abscheus auf Star):, der nnt beiddu
fänden die Stuhllehne umklammerte und
putschten Blickes die Entfernung zwischen
sich und der verschlossenen Thüre maß,
,,daß ich hören sollte, was er Dir vor-
schlug und von Dir forderte."
„So haben Sie gehört," versetzte
Starke, sich in die Brust werfend, „daß
ich die Lage Ihrer unglücklichen Mutter
zu verbessern, manches Unrecht zu sühnen
wünschte, welches sie in ihrem Leben
erfuhr."
Juliane lachte gellend ans und warf
das Tuch von ihren Schultern. Dann
trat sie so dicht vor Starke hin, daß
nur der Stuhl sie von ihm trennte, und
nicht achtend der hinfälligen Frau, welche
der Schrecken gelähmt zu haben schien, hob
sie mit schneidender Schärfe an: „Dank
der Großmuth unbekannter Freunde ist
meine Mutter nicht so elend, wie Eie die-
selbe hinstellcn; doch auch nicht Wohl-
 
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