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Um Ehre und Uamen.

Roman

veil
F. v. Zobeltitz.

«Otochbrmk vorbolon.)
n der Hand einen: Sonnenschirm mit barock
geformter Elfenbcinkrücke, schritt Wanda den
an den Hängen hinauf zur Straße füh-
renden Gartenweg entlang. Oben hielt be-
reits die Equipage, und die vorgespannten
Schimmel, die Jllburg ans Deutschland mitgcbracht
hatte, scharrten ungeduldig mit den klingenden Eisen
den Sand auf. Am Schlage des Wagens stand ein
Diener mit abgezogenem Hute und neben
ihm die bunt ausgesuchte Anime mit dem
in Spitzen eingebetteten Kinde Egon's
und Wanda's. Sic küßte den reizenden
Kleinen flüchtig ans das dicke, rosige
Aermchen, ließ sich dann rauschend im
Fond nieder und befahl der Amme,
mit Bruno auf dein Rücksitze Platz zu
nehmen.
In scharfem Trabe rollte der Wagen „
die Landstraße hinab und bog dann in
die Fahrallee der Billa Reale ein, die zu
dieser Zeit - zwischen vier und fünf Uhr
Nachmittags — ein Bild bnntbewegten
großstädtischen Lebens darbvt. In glän-
zenden Karossen fuhr da die ganze schöne
Welt Neapels spazieren, zwischen den
Equipagen sprengten Reiter auf und nieder,
und rechts und links auf den Fnßstegen
wandelte die promenirende Menge, in
der alle Nationen der Welt vertreten zu
sein schienen. Durch dieses das Ange blen-
dende, buntschillernde chaotische Durch-
einander drängten sich rufend und krei-
schend die Zeitungsjungen mit den n-mesten
Nummern des „Pungolo" und „Guelfo",
die Limonadcnverkämfer und die Blumen-
mädchen in ihrer niedlichen Abruzzen-
tra cht, die Korallenhändlcr und die Händler
mit Schildpattwaaren, Lavaschnitzereien
und Silberfiligran, die fliegenden Pho-
tographen, die jüdischen Hausirer und
alle jene anderen typischen Gestalten des
Volkslebens, an denen keine Stadt Euro-
pas so überreich ist, als das lustige
Neapel. Die Brandung des Meeres,
das seine Wellen brausend gegen die
Onaimauern rollte, aber wurde übertönt
durch die Rhythmen Offenbach's, die von
der Lrchesterestrade ans durch die Luft
schwirrten.
Mit glücklichem Gesicht und strah¬
lendem Auge schaute Wanda in dieses
schimmernde Leben hinein. Sie liebte

Wenige Minuten später rollte ihr Wagen an einer
Equipage vorüber, deren Insassen ihre Aufmerksamkeit
in hohem Grade fesselten. Neben einem alten Herrn
von aristokratischem Aussehen saß da ein junges Weib
von echt italienischer, frappirender Schönheit. Sie trug
keinen Schleier, so daß inan jede Linie ihres stolzen
und klugen Gesichtes erkennen konnte, und auch der
wildlederne Handschuh war von ihrer Rechten gestreift;
die fleischige kleine Hand spielte viel mit dem Fächer,
und schaute man scharf hin, so sah man ganz deutlich,
daß die Dame am Ringfinger zwei schmale Goldreifen
übereinander das Zeichen der Wittwenschaft - - trug.
Wanda zuckte zusammen, als sie der schönen Nea-
politanerin in's Antlitz schaute. Wo und zu welcher
Zeit hatte sie dies Gesicht mit der kühn gebogenen
Nase, den großen Augen und den vollen Lippen schon
einmal gesehen? Irgend eine fatale Erinnerung knüpfte
sich an jene Person, dessen war sic gewiß,
aber ihre Vergangenheit war so reich an
trüben Reminiscenzen, daß sie sich im
Augenblick nicht der Veranlassung ent-
sann, die sie mit Jener bekannt gemacht
hatte. Vielleicht lag auch nur eine tau-
schende Aehnlichkeit vor, jedenfalls be-
schloß Wanda, ihre Freundin, die Fürstin
Eornigliano, gelegentlich nach dem Namen
und der Persönlichkeit der fremden Dame,
mit der sie ja zweifellos noch öfters auf
der Promenade, im Theater oder in der
Gesellschaft Zusammentreffen würde, nns-
znforschen.
Aber auch Wanda hatte das Interesse
der Vorübergefahrenen erregt. Die Neapo-
litanerin wandte den Kopf zurück, nm
noch einmal das Sonbrettenprofil der
rothhaarigen Schönen sehen zu können
und neigte sich dann zu dem alten Herrn
an ihrer Seite.
„Haben Sie die Dame in Gran
beobachtet, Papa?" fragte sie in fran-
zösischer Sprache. „Eine interessante Er-
scheinung — nicht wahr?"
Der Greis nickte schläfrig. „Sehr
interessant," entgegnete er, „aber keine
Aristokratin, kein reines Blut, keine Rasse.
Vermuthlich eine Engländerin. Kennst
Du die Dame?"
„Ich glaube, sie schon einmal irgendwo
gesehen zu haben, krame aber vergebens
in meinem Gedächtnisse umher, bei welcher
Gelegenheit dies war. Vielleicht in Pe-
tersburg. Ah, da kommt Saccone --
er muß uns sagen, wer die rothe Löwin
ist, kein Mensch weiß ja besser auf zehn
Meilen in der Runde Bescheid als er!"
Der Kutscher parirte ans ihren Befehl,
und nut schäumendem Maule, die sil-
bernen Eandaren mit leisem Klirren
zwischen den Zähnen hin und her schie-
bend, standen die Pferde.
Liner über den Weg schritt der Eonte

das Leben, besonders wenn es ihr so verlockend ent-
gegentrat wie hier.
Ihr Erscheinei: ans der Promenade erregte all-
gemeine Aufmerksamkeit - sie bemerkte das mit Stolz.
Ans allen Wagen schaute man ihr nach, und ans den
Fußwegen blieben die Stutzer stehen und firirten sie
mit Blicken, deren Zudringlichkeit die schöne Fran gar
nicht zu fühlen schien. Ein leiser Ruf ging von Mund
zu Munde weiter; „Königin Goldhaar" flüsterte man
sich gegenseitig zu, und als Wanda's Wagen: an: Ende
der Promenade umbog, sprach ein über den Damm
schreitender junger Alaun mit verlebten Zügen und
fahlem Gesicht dies bezeichnende Wort so laut ans,
daß die also Genannte es deutlich hören: tonnte.
Wanda wurde dnnkelroth, dann aber legte sie sich
tiefer in die Kissen zurück, und voll Triumph glitt ihr
leuchtendes Ange über die Menge.

rn. Menrll Maelcupe.
Nach cincr Plwto>Mch>c gczuchuct von C. Kolb. tS. 00)
 
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