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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 23.1888

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.44084#0116
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1888.


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Welch' Wunder! Änch einem Gcmüldc von I. Schmitzbergcc. (S. ilü;





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I stehe
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,e Ab-

dein ersten Stock hinauf und klopfte au der Thüre des
Fremdenzimmers au. Er hörte einen leichten Schritt
iui Geniache, dann wurde die Thüre von innen geöffnet,
und das fuuge Mädchen stand, fertig angckleidet und
in Hut und Mantel, vor ihm.
„Ah, ich sehe, Sie sind bereits zum Ausgange ge-
rüstet," sagte Jllburg freundlich und trat näher. „Eilt
es Ihnen so sehr, uns wieder zu verlassen?"
Die Fremde errvthetc. „Im Gegeutheil, Herr v.
Jllburg," erwiederte sie mit offenem Blick, „ich gestehe
Ihnen, daß ich nur ungern zur Familie Stefferson zu-
rückkehre, die mir, ich kann's nicht leugnen, keine sehr
würdige Behandlung zu Theil werden läßt; anderer-
seits aber wäre es namenlos undank-
bar von mir, Ihre große Güte und
Liebenswürdigkeit noch länger in An-
spruch nehmen zu wollen."
„Ah bah, mein Fräulein — Par-
don, ich habe Ihren Rainen gestern
Abend nur undeutlich verstanden —
wie darf ich Sie anreden?"
„Ich heiße Mabel Lupo, Herr
v. Jllburg."
„Mabel Lupo? Sieh da, ein eng-
lischer Vorname, während der Va-
tersname zweifellos italienischen Ur-
sprungs ist!"
„Ganz recht; meine Familie stammt
aus Italien, wanderte aber schon zu
Anfang dieses Jahrhunderts aus. Ich
habe indessen auch deutsches Blut in
den Adern — meine Großmutter war
eine Frankfurterin."
„So wären Sie also eine Tochter
dreier Nationen; welsche Anmnth,
deutsche Tugend und englische Energie
sind jedenfalls die besten Zuthaten
für einen Frauencharakter. Also, Miß
Lupo, kommen wir auf unser Thema
zurück. Ich habe soeben mit meiner
Frau gesprochen, es ist schon lange
ihr Wunsch, eine liebenswürdige Ge-
sellschafterin zu besitzen: wollen Sie
nicht bei uns bleiben?"
Mabel erbleichte plötzlich, schon
in der nächsten Sekunde aber schoß
ihr glühend heiß das Blut in das
Antlitz. Sie senkte verwirrt die Augen.
Mit gesteigertem Interesse hing
der Blick Egon's an dem jungen
Mädchen.
„Gefällt Ihnen mein Vorschlag
nicht?" fragte er. „Sehen Sie, Miß
Lupo, ich bin eine etwas abergläu-
bische Natur. Es widerstrebt mir
im Allgemeinen sehr, eine fremde
Person in mein Hans zu nehmen;
wenn ich Sie trotzdem anffvrdere, bei
uns zu bleiben, ohne bisher irgend
eine Erkundigung über Sie eingezogen
zu haben, ohne Sie näher zu kennen,


Jllburg nickte. Ihm war es durchaus recht, daß
die Fremde im Hanse blieb -- sie machte den Ein-
druck eines liebenswürdigen und gebildeten Mädchens,
und vielleicht gelang es ihrer Gesellschaft, Wanda von
den mannigfachen thörichten Lannen, die sie sonst immer
dnrchzusetzen Pflegte, abznlenken.
Er rief nach Marie.
„Ist die Dame im Fremdenzimmer anfgestanden?"
fragte er die Zofe.
„Jawohl, gnädiger Herr," entgegnete Marie, „sie
fragte auch schon nach dem gnädigen Herrn, wollte
aber warten, bis Sie zu sprechen seien."
„Schön!" Egon schritt langsam die Treppe nach

Ehre und Uamen.
Roman
vott
Zabeltitz.
lFortschmig.)
(Nachdruck verboten.)
anda fand die ganze Geschichte, welche
ihr Gatte von dem Anffinden des frem-
den Mädchens erzählte, höchst roman-
tisch. Sie hatte vortrefflich geschlafen,
von Bällen, Soireen
glänzenden Triumphen geträumt
war deshalb sehr guter Laune.
schlechterer Stimmung hätte sic
Verfolg der Erzählung ihres
Gatten zweifellos die Empörte und
Eifersüchtige gespielt, obwohl in ihrem
liebesleeren, ganz von schalen äußeren
Interessen erfüllten Herzen sich in
Wahrheit kein Raum für eine eifer¬
süchtige Regung vorfand. So aber
amüsirte sie sich über das kleine Aben-
teuer Egon's und lachte darüber.
Plötzlich jedoch wurde sie ernster
und richtete sich im Bette ans.
„Ist denn das Mädchen hübsch?"
fragte sie.
„Hübsch nicht, aber von sympa¬
thischer Erscheinung."
„Und Du sagst, es sei eine Eng-
länderin."
„Oder eine Amerikanerin."
„Hör' einmal, Egon, wie wär's,
wenn ich sie mir als Gesellschafterin
engagirte? Nach Deiner Erzählung
muß sie bei jener amerikanischen Fa-
milie ja eine ganz ähnliche Stellung
gehabt haben — und mir wäre es
lieb, einmal wieder mein Englisch
aufznfrischen. Was meinst Du dazu?"
„Ich meiue zunächst, daß die junge
Dame vorläufig doch noch an ihre
Amerikaner gehnnden ist."
„Wir machen sie denen eben ab-
spenstig!"
Egon lachte. „Versuche es, mir
soll eS recht sein! Vielleicht spürst
Du in der Gesellschaft dcS Mädchens
die Langeweile von Neapel weniger."
„Vielleicht! Jedenfalls will ich
die Kleine sehen, ehe sie das Haus
verläßt. Laß' ihr durch Ma'"' sagen,
daß ich sie sprechen möchte, '
sofort ans, mich interessir
schichte — es ist einmal '
Wechslung, die eines gewissen pikanten
Reizes nicht entbehrt! Also schick" mir
das Mädchen — verstehst Du, Egon?"



DU
 
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