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Um

>i

Zwei Rivalen. Originalzeichnung von C. Partz. (S. 2IL)

In diesem Augenbticke trat Mabel, eine Tasse
heißer Milch für den Knaben in der Hand, in das
Gemach. Schweigend erhob sich Wanda und schickte
sich an, in ihr Zimmer zu gehen, ans ihren Augen
aber flog dabei ein Blick tiefsten Hasses zu dem jungen
Mädchen herüber.
Wauda fühlte sich auf das Acußcrste in ihrer
Frauenchre verletzt. Diese kleine Amerikanerin, die
kaum der Beachtung Werth war, wnrde ihr vvrgezogen,
das schmerzte sie. Es schmerzte sie, nicht etwa, weil
ihr das Pochende Herz znrief, daß der Platz am Bette

i Ehre und Namen.
Roman
von
F. v. Zobeltip.
lFortsch'Mg.) lNochdruik vcrbolcn.)
Sechzehntes Kaz'ltel.
H ch werc Stunde n.
der Villa Jllbnrg war es in der letzten Zeit
auffallend still zugegangen.
Der Engel des Todes, der so
dicht das Lager des kleinen
Bruno umkreist hatte, schien
noch immer nicht gewichen zu sein, und
in der That schritt die Rekonvalescenz
des Knaben nur langsam vor. Vereinzelte
Symptome von Rückfällen hatten sich in
den ersten Tagen nach der an sich glücklich
verlaufenen Operation häufiger gezeigt,
auch Fiebercrscheinungen waren ein-
getreten, aber die kräftige Natur des
Kindes hatte schließlich dennoch gesiegt.
Nach dem Urtheil des Arztes konnte
indessen die geringste Vernachlässigung
in der Pflege des Kleinen sich auf ge-
fahrdrohende Weise rächen, die weit-
gehendste Wachsamkeit war deshalb ge-
boten. In übertriebener, stark theatralisch
zur Schau getragener Reue hatte Wanda
beschlossen, die Pflege Bruuo's allein zn
übernehmen. Ein Bett wnrde für sie
im Kinderzimmer anfgcschlagen, dann
legte sie dunkles Negligö an, nahm statt
des Romans ein Andachtsbuch in die
Hand und ließ sich neben dem Bette
Bruuo's nieder, der die Mama mit weit
aufgerisfenen Augen anstarrte, als sei
sie ihm eine Wildfremde geworden.
Jllbnrg machte der Reuekomödie
schnell genug em Ende.
„Du scheinst vergessen zu haben,
welchen Wunsch ich mir gestern Abend
auszudrücken erlaubte," sagte er ernst
und mit starker Betonung. „Ich wieder-
hole Dir: ich will, daß Miß Mabel
die Pflege Bruuo's leitet, will, daß Du
so selten wie möglich das Krankenzimmer
betrittst. Laß jedweden kindischen Trotz
bei Seite, Wanda, er ist, bei Gott, nicht
angebracht! Unser Kind schwebt immer
noch in höchster Gefahr, leider hast Du
aber nie gelernt, Kranke zu behandeln
und mit Kranken umzugehcn. Deine
Nervosität, Dein unruhiges Wesen, Dein
ganzes lebhaftes Naturell, all' das macht
Dich ungeeignet zu sorgsamer Pflege.
Also sei vernünftig und füge Dich meinem
Willen, zeige Deine Mutterliebe darin,
daß Du meinem Wunsche uachkommst."

des kranken Kindes ihr, der eigenen Mutter, zu-
komme und gehöre, sondern weil sie in ihrer Eitel-
keit gekränkt war. Gewiß, sie liebte Bruno auf
ihre Weise, denn sie war kein rohes nud gefühl-
loses Weib, mir namenlos leichtsinnig, nnd doch Ivar
sie im Grunde genommen froh, daß sie die lang-
weilige Pflege nicht zn übernehmen brauchte, sondern
sie Mabel, die zur barmherzigen Schwester geboren
schien, überlassen konnte. Nur gezwungen sollte dies
nicht sein; Miß Lupo Ivar ein bezahlter Dienstbote
nnd erfüllte nicht mehr als ihre Pflicht, Egon aber
geberdctc sich, als sei sie ein Engel, den
der Himmel als Retterin in der Noth
gesandt habe. Und so vermeinte denn
Wanda, es nie im Leben verwinden zu
können, daß Jllbnrg eine Fremde an ihre
Statt gesetzt habe, trotzdem sie anderer-
seits es für äußerst bequem hielt, uicht
Wochen lang die Stille des Kranken-
gemachs theilen zn müssen.
Hätte die junge Fran in das Herz
ihres Gatten geschaut, dann wäre die
Frivolität ihrer Empfindnngsweise wahr-
scheinlich erheblich abgeschwächt worden.
Wenn Egon auch längst fühlen gelernt,
daß die seelischen Gegensätze, die zwischen
ihm und Wanda vorwalteten, sich im
Laufe der Zeit zu unerträglicher Schroff-
heit verstärkt hatten, zn einer Schroff-
heit, die ein geistiges Entgegenkommen
und Jneinauderaufgeheu beiderseits un-
möglich machte, so liebte er seine Fran
doch zn innig, um nicht schmerzlich die
Kluft zu empfinden, die ihn von ihr
trennte. Die empörende Leichtfertigkeit,
mit der sie bei der Erkrankung Bruuo's
vorgegangeu war, hatte eine blutende
Wunde in sein Herz gerissen, die sicher
nie oder schwer nur vernarbte.
Bei all' dem Kummer der letzten
Tage wünschte er sich noch Glück, daß
der Zufall ihm Ala bet in's Hans geführt
hatte. Mit einer Liebe, einer Hingebung
und Opferfrcudigkeit nahm sie sich des
kranken Kindes an, die wirklich etwas
Rührendes hatte. In Wahrheit, Wanda
hatte so Unrecht nicht: Mabel schien zur
barmherzigen Schwester geboren, und doch
schien es nur so. Ihrem ursprünglichen
Temperamente nach war sie heiter nnd
sorgenlos, empfänglich für alles Schöne
und Sonnige, zu Frohsinn nud Ueber-
muth immer geneigt. Aber die harte
Schule, in die sie das Schicksal genom-
men, hatte sie umgewandelt s aus dem
jauchzenden, lebensfreudigen Kinde war
schnell ein stilles, scheues Weib geworden.
Eine tiefe Schwermuth lag über ihren
hübschen Zügen, und aus dem keuschen
Auge sprach eine unnennbare Traurigkeit.
Mit bewuuderuswerthcr Sauftmuth
 
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