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Heft i. JUustvrrte Famrlien-Zeitung. Iahrg. 1894.


Im Hanne öer Camorra-

Roman


Woldemar Nrdau.
(Nachdruck verboten.)
Gust 6 s Kclpitek.
s mar heißes Wetter. Die Sonne brannte
mit einer drückenden, dumpfen Schwüle auf
die tiefblauen Wogen des Golfes von Neapel
herunter, an dessen Usern eine ungewohnte
müde Stille und Ruhe herrschte. Die Ein-
wohner, sonst so laut und unermüdlich lär-
mend, hatten sich vor den sengenden Strah-
len der

sonst bemüht war, den Fehler zu verbergen. „Checco!"
ries er laut und mehrere Male.
Aus einer Segelbarke erhob sich bei dem Rufe ein
junger Schisser von kerniger, gedrungener Gestalt.
Dunkle, funkelnde Augen, dicke, schwarzlockige Haare,
auf denen nachlässig verschoben die rothe Schisser-
mütze saß, starke, muskulöse Arme und Beine, von
denen die Kleider zurückgestreift waren, verliehen dem
jungen Burschen ein fast hedrohliches Ansehen. Aber
die ungebändigte Energie der strotzenden Jugendkraft,
die aus seinem ganzen Wesen sprach, hatte gleichwohl
etwas außerordentlich Sympathisches, was für ihn
einnahm. Ein Vergleich mit dem blassen, mageren,
hinkenden Herrchen, das ihn anrief, konnte nur zu
Gunsten des jungen Fischers ausfallen.
„Was gibt's, Don Luigi?" fragte er zurück.
„Wir müsse)) fort. Es Hilst Alles nichts. Richte
das Boot her."

„Wir werden Sturm haben, ehe wir drüben sind."
„Warum nicht gar. Wo soll denn der Sturm Her-
kommen? Du fürchtest Dich nur vor der Hitze. Aber
wenn es auch Schweiß kostet, Checco, nur vorwärts.
Es kommt mir aus zwanzig Soldi Trinkgeld nicht an."
„Das versteht sich, Don Luigi, daß man bei einer
solchen Gluth nicht für die gewöhnliche Taxe fährt.
Aber ich mache Sie nochmals darauf aufmerksam, daß
wir Sturm haben werden, ehe wir nach Positano
kommen, ja vielleicht sogar noch ehe wir die Küste von
Sorrent erreichen."
„Ei, so laß den Sturm meinetwegen kommen und
richte das Boot her! Ich muß heute Abend noch auf
dem Schloß sein und morgen früh in Neapel. Also
vorwärts!"
Checco richtete den Blick prüfend auf den Himmel,
wo aber zur Zeit nichts Besonderes zu sehen war.
Außer leichten, rauchigen Schleiern, die man kaum be-
merkte, blaute der

Julisonne in die
dunkeln Häuser zu-
rückgezogen und er-
warteten schmachtend
die Abendkühle. Das
Meer lag ruhig,
glänzte und glitzerte
aber in einer Weise
unter dein grellen
Sonnenschein, daß
Einem die Augen
schmerzten. Selbst
diequellendenRauch-
wolken des Vesuvs
zogen sich langsam
und trüge durch die
bleifarbene Luft.
An dem Hafen
der Insel Capri, der
die Aussicht auf
Neapel bietet, ging
ein junger Herr keu-
chend und leise vor
sich hin fluchend durch
den Sand. Exmochte
etwa vierundzwanzig
Jahre alt sein und
war mit der etwas
affektirten Eleganz
der jungen Neapoli-
taner gekleidet, aber
bei der herrschenden
Hitze vergaß er fein
nachlässig - elegantes
Spiel mit den: Mo-
li ocle, seine grell-
farbenen Handschuhe
und seine zierlichen
Lackstiefelchen. So-
gar seinem Gange,
der etwas hinkend
war, entzog er die
gewohnte Aufmerk-
samkeit, mit der er


Gin verdächtiger Geselle. Nach einem Gemälde von M. Lebling. (S. 7)

Himmel in seiner-
ganzen Unendlichkeit.
„Don Luigi, es
kostet sechs Lire,"
sagte er dann.
„Bist Du ein
Camorrist?" fragte
der Andere hitzig,
„haben wir nicht vier
Lire für die Fahrt
ausgemacht?"
„Aber nicht bei
diesen) Wetter."
„Ei was, das
Wetter ist heiß, aber
nicht gefährlich. Du
bist ein Spitzbube,
der mir mehr abver-
langt, weil ich eilig
bin."
„Das Wetter ist
allerdings gefährlich,
Don Luigi, und ich
fahre Sie nur auf
JhreVerantwortung
und nur für sechs
Lire. Soll inan seine
Knochen umsonst wa-
gen?"
Checcosprach ruhig
und bestimmt, wie
Jemand, der über-
zeugt davon ist, daß
er Recht hat. Dem
Anderen blieb weiter
nichts übrig, als sich
zu fügen. Er be-
zahlte den Schiffer,
und dieser setzte im
Schweiße seines An-
gesichts sein Boot zur
Abfahrt in Stand.
Das Segel blähte
sich nur ganz wenig.
 
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