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Heft io. IRustvrvte Faurikien-Dertung. I«hrg. im.




Die Generalstochter

Roman

Der Kampf mit dem Drachen. Nach einem Gemälde von C. Reichert. (S. 239)

Walzer war zu Ende. Gerd v. Glembach konnte nun
bequem seine Rundreise antreten. Hans v. Kaiserling
übernahm seufzend die Rolle des Einführers. Was
blieb ihm übrig?
Zweifellos erregte der Neuangekommene Aufmerksam-
keit. Zunächst wegen seiner Persönlichkeit allein, denn die
Enthüllungen der Frau Präsidentin betreffs des Erbonkels
in Cincinnati waren noch nicht in den Ballsaal gedrungen.
Freilich war Gerd v. Glembach ein schöner Mann.
Für einen jungen Premierlieutenant sah er vielleicht
etwas zu alt aus. Aber das lag mehr in seiner ernsten
Haltung und dem Ausdruck der Gesichtszüge, als in
dem Schnitt dieser Züge selbst. Sie waren nicht völlig
regelmäßig, aber außerordentlich charakteristisch.

Gewandt war er auch. Dre Gesellschaft war ihm
ja doch wildfremd. Er war sozusagen in dieselbe
hineingeschneit.
Ob er sein gelungenes Debüt bemerkte? Kaum.
Er war gekommen, um sich zu unterhalten, um Menschen
kennen zu lernen. Er studirte sie gern. Und da —
ja, eine Erscheinung fesselte seine Aufmerksamkeit, die
Tochter des Hauses.
So viel Selbstbewusstsein bei solcher Jugend! So
viel Kritik im Auge eines schönen Mädchens! Seltsam!
Er freute sich auf die Fran^aise. Doch indem er,
als dieselbe beginnen sollte, sich zu Ellinor begab, ge-
stand er sich lächelnd zu, große Lust zu haben, ihr zu
beweisen, daß er der Tochter des Divisionskommandeurs
nicht mehr Rechte und Ansprüche zu-
erkenne, als jedem anderen jungen
Mädchen, falls sie etwa herablassend
sein sollte und gnädig.
Der Kapellmeister schwang seinen
Taktstock. Gerd v. Glembach reichte
Ellinor die Hand, sie an ihren Platz
zu führen. Wie Beide nebeneinander
schritten, waren sie ein ausfallend schö-
nes Paar.
„Sind Sie gern hierher gekommen?"
fragte die „Eccellenza", artig das Ge-
spräch beginnend.
„Weshalb nicht? Der Soldat hat
keine Heimath. Und jeder Ort ist in-
teressant — für einen Junggesellen
wenigstens."
Sie nickte. „Wenn ich nur begrei-
fen könnte, wie man in einer kleinen
Stadt existiren kann!"
„Als Soldatentochter müßten Sie
das wohl eigentlich begreifen, gnädiges
Fräulein," sagte er nicht ohne Ironie.
„Doch nicht. Papa stand stets in
großen Garnisonen. Und wenn er ein
Korps erhält, so setzt er diese ange-
nehme Gewohnheit fort."
„Sehr richtig. Aber weshalb fürch-
ten Lie sich so vor einer kleinen Stadt?"
„Die engen Verhältnisse — ich
bitte Sie! Der Horizont verengt sich.
Es ist das Leben in einer Spielzeug-
schachtel. Man verliert seine Anschau-
ungen."
„Oder befestigt seine Grundsätze,"
fiel er ein, „weil man mehr auf sich
selbst angewiesen ist. Eine gewisse
Vertiefung muß nothwendig Platz grei-
fen. Und das halte ich immer und
unter allen Umständen für einen großen
Gewinn."
Sie sah ihn etwas von oben herab
an. „Dann bitten Sie doch Papa,
daß er Sie in ein solches Nest ver-
setzen läßt."
„Es thut mir leid, mein gnädigstes
Fräulein, aber ich unterstehe der
Division Ihres Herrn Vaters nicht.
Ich bin zur hiesigen Kriegsschule

Georg Hartwig.
(Fortsetzung.)
- (Nachdruck verboten.)
agen Sie 'mal," fiel Gretchen ihrem Tän-
zer schnell in die Rede, „warum necken
Sie mich eigentlich immer?
„Warum?" Hans v.
Kaiserling sah ihr lachend
in's Auge. „Weil Sie
ein so bildhübsches Mäd-
chen geworden sind."
Das gab ihr einen Freudenstich
durch's Herz. Der dumme Assessor
Merling sollte es nur noch einmal
wagen, sie wie ein Schulmädchen zu
behandeln! Solch' ein unausstehlicher
Mensch mit seinem bischen Geklimper!
„Spielen Sie auch Klavier?" fragte
sie, unwillkürlich diesem Gedankensluge
folgend.
Er lachte wieder. „Alles, was Sie
wünschen, Gretelein ohne Strauß.
Aber der wird schon noch kommen."
Aha! Damit meinte er den Ko-
tillon. Das war sonnenklar. — —
Inzwischen hatte Gerd v. Glembach
Ellinor's leichte Neigung des Kopfes
mit einer zweiten Verbeugung erwiedert.
„Ich hatte bereits den Vorzug,"
sagte er mit tiefer, wohlklingender
Stimme, „Seiner Excellenz meine be-
gründete Entschuldigung wegen meines
späten Kommens aussprechen zu dürfen,
und wiederhole sie jetzt, gnädigstes
Fräulein."
„Bitte, bitte, Herr Lieutenant!"
Ellinor sah ihm so ruhig in's Auge,
als wolle sie fortfahren: „Weshalb
machst Du Wvrte darüber? Es hat
Dich ja Niemand vermißt. Ich am
allerwenigsten."
Er schien diese stumme Sprache zu
verstehen. „Natürlich ist meine Hoff-
nung vergebens," erwiederte er, den
Gegenstand des Gesprächs fallen lassend,
mit einem bezeichnenden Blick auf die
kleine Tanzkarte, die an Elli's Fächer-
kette hing.
„Doch nicht! Ich hebe für solche
Fülle immer einen Tanz aus," sagte
sie gleichmüthig. „Bitte! Die zweite
Fran^aise gehört Ihnen, Lieutenant
v. Glembach."
„Meinen ergebensten Dank!"
Da schwiegen die Instrumente. Der
 
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