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Heft 15. MustrArte FamrUen-Zeitung. Jahr«. W4.


Die Generalstochter

„Dort kommt er!" rief die Komtesse heiter.
Sie eilte leichtfüßig zu ihm. Erst steckten sie die
Köpfe zusammen, dann haschte sie nach seiner Hand.
Es flimmerte Margarethe vor den Augen. Das
Geständnis;, welches er ihr machen wollte —
Tie Musik begann zur Duadrille zu spielen. O,
tanzen mit diesem Herzen voll Zorn und Leidenschaft!
Sie setzte sich nieder. Irrte sie sich, oder beobachtete
sie ihr Gatte ohne Unterlaß? Und Hans v. Kaiserling?
Er führte soeben Lilli Frohberg zum Tanze. Inter-
essirte er sich wirklich für die Erbin? Oder hatte er
Schulden und mußte deshalb heirathen?
„Ich muß Klarheit haben," murmelte die junge
Frau bei sich.
In der Mauerstraße wohnte eine Kartenlegerin, die

einen ausgezeichneten Ruf als Wahrsagerin genoß. Dort-
hin wollte Margarethe gehen.
Sie schlief nicht während dieser Nacht. Sie weinte
stundenlang. Dann stiegen wieder lockende Bilder vor
ihr auf, die einst Berechtigung Hatteil, als sie den Eid
der Treue noch nicht geleistet, die jetzt aber nur dazu
dienten, ihre Dual zu schürfen. Warum hatte er damals
nicht gesprochen? An seiner Seite wäre sie trotz aller
Entbehrungen glücklich geworden. Er allein trug die
Schuld ihres Elends! So dachte sie wenigstens jetzt.
Am Morgen überreichte der Briefträger der Jungfer
Lonny einen Brief an die Frau Präsidentin.
Die schlaue Person, welche längst gemerkt hatte,
ivie die Sachen standen, hielt das Schreiben zweifelnd
in der Hand. Das war die Handschrift
des Lieutenants v. Kaiserling. Sie kannte
dieselbe von verschiedenen Zetteln her, die er
in Betreff der lebenden Bilder geschrieben.
Das ivar nun eine Gelegenheit, der
schwebenden Frage ihrer Eheschließung
näher zu treten. Der Viktualienhändler
wollte sich noch immer nicht ohne die feh-
lenden fünfhundert Mark von seinem Eigen-
thum trennen.
Ob dem Präsidenten dieser Brief wohl
fünfhundert Mark werth war?
Sie überlegte noch, als der Präsident
den Gang hinunter kam, zum Ausgehen
gerüstet.
„An nwn?" fragte er gleichgiltig.
Das verschmitzte Lächeln mußte ihm
auffallen. So wollte es Jungfer Lonny.
„An die gnädige Frau! Stadtbrief!
Er wird jedenfalls nicht so eilig sein, die
gnädige Frau darum zu wecken. Herr
v. Kaiserling —"
Der Präsident nahm ihr den Brief
aus der Hand.
„Sind schon öfter solche Schreiben
angelangt?" fragte er scharf.
„O nein!" sagte die kecke Person viel-
bedeutend.
Er zögerte einen Moment. „Kommen
Sie in mein Zimmer! Wieviel wollen
Sie für Ihr Schweigen? Rasch!"
„Fünfhundert Mark brauche ich sehr
nothwendig. Heute noch wollte ich die
gnädige Frau um meine Entlassung bitten."
„Hier!" Der Präsident legte fünf Hun-
dertmarkscheine in Jungfer Lonny's freude-
zuckende Hand. „Kommen Sie in einer
Viertelstunde wieder."
Als er allein war, öffnete er vorsich-
tig den Brief, warf sich in einen Sessel
und las:
„Eine durchwachte Nacht hat meinen
Schmerz nicht lindern können. Sie leiden.
Ich vielleicht noch mehr. O Margarethe,
zu spät sehe ich ein, was ich an Ihnen,
was ich an mir verbrochen habe! Und
weshalb? Aus kleinlichen egoistischen Be-
denken. Verzeihen Sie mir! Ich darf

kW man
Georg Hariwig.
(Foryctzuug.)
- (Nachdruck Verbote».)
h der Vorstellung trafen MargaretheMnd
ans v. Kaiserling sich wieder.
„Was habe ich Ihnen gethan?" fragte
e Gattin des Präsidenten den Offizier
it leicht bebender Stimme,
e von ihrer sonstigen
prechweise völlig verschie-
m war. „Weshalb gehen
Sie mir aus dem Wege?"
Der junge Mann wagte nicht, sie an-
zusehen. Ihre verführerische Schönheit
beängstigte ihn unsäglich.
„Kein Wort mehr also?" fragte sie
bitter. „Aus und vorbei?"
„Wenn Sie in mein Herz sehen könn-
ten —" sagte er hastig, indem er den
weißen Mantel mit dem Purpursaum von
den Schultern warf.
„Sie wollen es ja nicht," flüsterte
Margarethe mit halblüchelndem Vorwurf.
„Sie wollen ja nichts davon sehen, wie
unglücklich ich bin — durch Ihre Schuld!"
setzte sie heftig hinzu.
„Alan kommt! Ich bitte Sie — lassen
Sie mich Ihnen ein Geständnis; machen!"
Sie hatte lauschend das Haupt ge-
wandt. „Wann?"
„Darf ich es niederschreiben?"
„Ja!"
Er verschwand im Nebenzimmer, ge-
rade als die fürsorgliche Frau v. Rönne
einige schritte vor dem Präsidenten über
die Schwelle trat.
„Unsre reizendeKleopatra! Ganzallein?"
Der Präsident sah die junge Frau
finster an. Ein häßlicher Schauer ging
durch ihren Körper. Sie nahm ihrer
Freundin Arm und rauschte in den Salon
zurück. Die blonde Lilli kam ihr tän-
zelnd entgegen.
„Wo ist wohl Mark Anton hinge-
rathen? Er hat mir meinen Fächer ge-
Hmbt und zwei frische Rosenknospen.
^ehen Me, wie das Sträußchen jetzt aus-
sieht, gnädige Frau!"
Die Schminke schützte Margarethe vor
einem auffälligen Farbenwechsel. Sie
brachte es über sich, flüchtig zu lächeln,
obwohl sie das harmlose Mädchen mit bren-
nender Eifersucht zu hassen begann.
„Fch kann es Ihnen wirklich nicht ver-
rathen, ciwiederte sie kurz. Vor dem Htalke. Nach einem Gemälde von Helene Mühlthaler. (S. 359)
 
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