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Moderne Freibeuter.

Roman

Lothar Brenkrndorf.
(Fortsetzung.)

(Nachdruck verboten.)
!" entgegnete Hertha. „Ich will es
auf eine Probe ankonnnen lassen. Sehen
Tie her, Herr Meinardi! Ich habe da
eine Anzahl von Pretiosen, es ist Alles,
was ich an Schmuckstückei; besitze. Es
befindet: sich werthvolle stücke darun-
ter, zum Beispiel dies Perlenhalsband
aus dem Nachlaß meiner Mutter, und
diese Brosche aus Brillanten und Sma-
ragden, die mir mein Mann als Hochzeitsangebinde
geschenkt hat. Ich bin genöthigt, dies Alles zu
veräußern, und zwar noch heute — gleich auf der
Stelle. Aber es ist das eine sehr peinliche Auf-
gabe für eine Dame, und ich fürchte überdies,
daß man versuchen würde, mich zu betrügen.
Wollen Sie also den Verkauf für mich über-
nehmen?"
Wahrend sie sprach, hatte sie die Kassette und
einige der Etuis geöffnet, In rathlosem Erstannen
blickte Bruno Meinardi bald auf sie, bald auf
die funkelnden Kostbarkeiten, die sie da vor ihm
auSbreitete.


„Aber meine theuerste gnädige Fran,st stam-
melte er, „dies ist doch sicherlich nicht Ihr Ernst?"
„Gewiß, mein voller Ernst. Und Sie brau-
chen mich nicht zu bemitleiden, denn es kostet mich
durchaus kein Spfer, mich von diesem Dand zu
trennen."
„Sie wollen Ihren: Spott mit mir treiben, das
sehe ich klar. Sie, eine vom verschivenderischen
Ueberfluß umgebene Fran — Sie, die Gattin eines
reichen Mannes, die nur ein Wort zu sprechen
braucht, um jeden ihrer Wünsche erfüllt zu sehen
— Sie wollten Ihre Schmucksachen verkaufen!
Ah, wenn Sie sich über mich lustig machen wollten,
so hätteir Sie schon ein etwas weniger un-
mögliches Märchen erfinde,: müssen."
Er hatte es mit lachenden; Munde gesagt,
Herkha aber blieb unverändert ernst und ruhig.
„Sie sind im Irrthun;, Herr Meinardi, und
Ihre Vermuthungen, die vor wenigen Tagen viel-
leicht richtig gewesen wären, treffen heute nicht
mehr zu. Der Neichthum meines Mannes hat
für mich keinen Werth und keine Bedeutung mehr;
denn ich bin im Begriff, dies Haus für immer
zu verlassen."
Eine grenzenlose Betroffenheit inalte sich auf dein
Gesicht des Bildhauers. Ein paar Sekunden vergingen,
ehe er ein Wort der Erwiederung gefunden hatte.
„Ich muß Ihnen wohl glauben, daß Sie ernsthaft
reden; denn mit solchen Dingen treibt man an: Ende

keinen Scherz. Aber was, um Gottes willen, was be-
stimmt ^ie zu einen: solchen Schritt?"
„O, das ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen
lieber ein anderes Mal erzählen möchte — später, wenn
Ihre Freundschaft wirklich schon einige Proben bestanden
hat. Für jetzt müssen Sie sich mit der Erklärung be-
gnügen, daß es mein fester, unabänderlicher Wille ist.
Und Sie begreifen nun wohl, zu welchem Zweck ich
diese Juwelen zu veräußern wünsche?"
„'Nein, ich begreife es noch immer nicht. Denn daß
Sie es in der Absicht thun könnten, um sich die Mittel
zu einer — Flucht zu verschaffen, wäre doch eine gar
zu abenteuerliche Vermuthung."
„Und wenn sie nun doch die Wahrheit träfe, würden
Sie nur dann. Ihren Beistand verweigern?"
„Wie könnte ich Ihnen darauf antworten, so lange
ich über Ihre Pläne vollständig im Ungewissen bin?
Sie müssen doch einsehen, daß ich hier vor einem Räthsel,
vor etwas geradezu Unfaßbaren: stehe. Angenommen
selbst, daß eine zwingende Nothwendigkeit für Sie vor-
läge, sich von Ihren: Gatten zu trennen, weshalb kehren


Sie denn nicht einfach in das Haus Ihres Vaters zurück?
Er ist doch in solcher Situation Ihr natürlicher Be-
schützer, und er ist zum Glück in der Lage, Sie bei
sich anfzunehmen, auch wenn Sie mit leeren Händen
kommen."
„Aber ich kann nicht zu ihm. Er würde den Schritt

niemals gutheißen, den zu thun ich doch unwiderruflich
entschlossen bin. In dein Augenblick, wo ich meinen
Mairn verlasse, habe ich unfehlbar auch meinen Vater
verloren."
„Sie sind dessen ganz gewiß, gnädige Frau?"
„Wenige Minuten, bevor Sie hier eintraten, war
ich von meinem Vater zurückgekehrt. Zwischen ihm und
mir ist Alles aus."
„Und trotzdem beharren Sie auf Ihrem Vorhaben?
Wenn Sie nicht bei Herrn Löwengaard Schutz suchen
könnei:, wohin gedenken Sie sich denn zu wenden, und
was wollen Sie beginnen, um sich vor den peinlichsten
Verlegenheiten zu bewahren?"
„Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, denn ich
bin nicht in der Stimmung, Pläne zu entwerfen. Fin-
den Augenblick bin ich wohl noch vor eigentlicher Noth
gesichert, und dann kann ich ja arbeiten. Ich habe
mancherlei gelernt — malen, mufiziren — im äußersten
Fall kann ich sogar Komödie spielen —"
Bruno Meinardi unterbrach sie mit einer fast un-
willigen Bewegung. Es war durchaus nichts sehnsüchtig
Schmachtendes mehr in feinem Blick, und nicht
mehr wie leidenschaftliche Zärtlichkeit, sondern wie
strenge Mißbilligung klang es aus seinen Worten:
„Verzeihen Sie — aber von alledem können Sie
nichts! Sie haben eben keine Ahnung von den
Verhältnissen des praktischen Lebens und von der
unerbittliche): Grausamkeit des Daseinskampfes.
Mit all' Ihrer: Hübschei: Dilettantenkünsten könn-
ten Sie sich nicht eine Woche lang über Wasser
halte,:, glauben Sie das einem Manne, der an
sich selber die bitterste): Erfahrungen machen mußte,
obwohl er ein wirklicher Künstler ist."
„Und hat man nicht auch nur hundertmal ver-
sichert, daß ich echtes, großes Talent besitze? Haben
nicht Sie selbst nur noch am Abend des Künstler-
festes gesagt —"
„Aber, mein Gott, Sie werden doch einen
I Unterschied zu machen wissen zwischen den Ar-
tigkeiten, die man einer schönen und verwöhnten
jungen Frau sagt, und zwischen der Aufrichtigkeit,
die ich Ihnen jetzt in Ihrem eigensten Interesse
schuldig bin. Von all' den Hunderten, die Sie
auf dem Künstlerfeft wie toll beklatscht haben,
würde auch nicht ein Einziger die Hand rühren,
wenn Sie etwa dieselbe Leistung als berufs-
mäßige Schauspielerin auf einer wirklichen Bühne
zum Besten gäben. Aber Sie würden nicht einmal
Gelegenheit haben, die Probe auf die Wahrheit
meiner Versicherung zu machen; dem: auf alles
Andere könnten Sie eher rechnen, als darauf, daß
ein Theaterdirektor Sie engagirte."
„Es ist eine sehr grausame Enttäuschung, die
Sie mir da bereiten."
„Wenn ich Ihr Freund sei): soll, gnädige
Frau, muß ich vor Allein ganz offen gegen Sie
sein."
„Nun wohl, ich will Ihnen glauben, daß Sie nur
in der redlichsten Absicht so zu mir sprechen. Aber
weshalb soll ich mir über alle diese Dinge schon jetzt
den Kopf zerbreche,:? Ich werde unter keinen Umstünden
ganz verlassen fein, da ich ja in Ihnen einen hilfs-
bereiten, uneigennützigen Freund besitze, dem ich ohne
 
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