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Heft II.


— HDE

Fanri

Jahrg. 1896.


*

Die Erbſchaft oͤes Volkes.

Raman aus dem denkſchefranzöſiſchen Criege.

Fortſetzung und Schluß)

* Nachdruck verboten.)

ch ſagte Ihnen ja ſchon, ich habe es hier
j ſatt!“ wiedexholte die Frau Marquiſe guf-
gebracht. „Ich mag nicht mehr hier ſein.

wenn ich ſie nur finde.“

„Darf ich mir einen Vorſchlag erlau-
ben?“ fragte Müller.

S „Schlagen Sie vor, Herr Mullere.“

„Ich muß am
Donnerstag mit ei-


Welt Franzöſiſch verſtehe und ſie ſich ſeit mehr als zwanzig
Jahren in Deutſchland ſehr wohl befinde, wurde der
Vorſchlag zur Ausführung angenommen. Dabei mochte
wohl, wenn auch nichts davon geſagt wurde, die Ausſicht
maßgebend ſein, daß die Marquife, die wohl ſchon längſt
die Abſichten des jungen Deutſchen auf Bettine durch-
ſchaut hatte, dabei Gelegenheit fand, an Ort und Stelle
durch die Vexhältniſſe der Muller'ſchen Familie zu ſehen,
was zu ſolchen Abſichten geſagt werden mußte!
Müller dagegen fand an dieſem Tage keine Gelegen-


men, um die Hand ſeiner Geliehten anzuhalten. Es war
dazu Alles zu unruhig, zu unkomfortäbél, er ſelbſt zu
ſehr in Anſpruch genommen von allen möglichen Dingen,
als daß er eine ſo ernſte, weittragendẽ Entſcheidung
hätte provoziren ſollen. Nur als er Bettine zufaͤllig auf der
Treppe allein traf — ſie kam gerade aus der Küche, wo
ſie dem Bauer, den Müller mitgebracht, verſchiedenes
aufgetragen, nahm er Gelegenheit, ihr raſch nachzueilen.

nem Verwuͤndeten-
transport nach
Stuttgart fahren.
Fahren Sie mit mir.
Ich ſorge für Alles,
für Paß, bequeme
Reiſegelegenheit,
und Sie würden in
ruhige, friedliche Ver-
hältniſſe kommen,
wie Sie ſie in Frank-
reich jetzt doch wohl
noch nicht ſo bald fin-
den dürften; könn-
ten auch Ihren Sohn
Georges, der noch
immer bei meinen
Eltern am Bodenſee
iſt, beſuchen. Er
würden ſich gewiß
freuen, und meine
Eltern werden die

hohe Ehre zu ſchätzen
wiſſen.“

„Ach, Georges,
der arme Georges!“
lamentirte Bettine
nicht ohne Berech-
nung. „Wie wird
er ſich freuen, wenn
er uns wiederſieht.“

Zunächſt wollte
der Marquiſe eine
Reiſe nach Deutſch-
land nicht in den
Sinn. Sie ſprachkein
Wort Deutſch. Dann
aber, als ihr Müller
erzählte, daß ſeine
Mutter eine gebo-
rene Franzöſin ſei,
in ihrem Hauſe alle



„Fräulein Bettine!“ rief er.

Sie blieb oben auf dem Flur ſtehen.
ſie mit ihm langſam den Korridor entlang.

„Sie wollen mir alſo auch nach Deutſchland folgen?“
fragte er.

Sie ſagte nichts, aber ſie ſah ihn lächelnd an. Sie
war Weib genug, um auf der Stelle zu wiſſen, was
jetzt kam. Seine aufgeregt leuchtenden Augen, ſeine
etwas zitternde Stimme, das Gemiſch von Ernſt,
Unſicherheit und Verlegenheit in ſeinem Geſicht fagten
ihr mit unfehlbarer Sicherheit, was er wollte, noch ehe
er ein Wort ſprach. Sie wurde nicht verlegen und
ſuchte nicht nach Worten. Im Gegentheil war ſie faſt
übermüthig, jedenfalls neugierig, wie er ſich nun wohl
aus der Affaire ziehen würde, wenn ſie ihn etwas
zappeln ließe. *

„Sagen Sie ein Wort, Bettine. Wollen Sie mir fol-
gen?” fragte er wieder, „als mein Weib — für immer —“

Sie ſagte nichts, ſo ſehr er ſie auch durch Blicke

und Pauſen zum
Sprechen drängte.
Sie lächelte ihn in
ihrer wunderbaren
ſüßen Art an und
trällerte — auf ſein
letztes Wort ein-
gehend — den Re-
frain einer bekann-
ten Romanze: „A
toi toujours —
a to1 — toujours !“
Das konnte eine -
Antwort ſein, das
konnte aber auch ein
Scherz ſein, mit dem
ſie ihn neckte. Da-
bei war ſie in dem
Augenblick ſo hin-
reißend ſchön, ſo
ganz Weib, daß er
anfing zu zittern.
Das Auge groß und
leuchtend auf ihn
gerichtet, die feinen
Lippen halb geöff-
net, leiſe ſingend,
halb lachend und
doch lauter Gluth,
war ſie in dem Au-
genblick die echte,
wahre Franzöſin,
die ſich nie gibt,
die erobert ſein will,
genommen ohne
Weiteres, die jeden
Mann für einen
Simpel hält, der
nicht verſteht, was
ſie meint, auch ohne
daß ſie es Jagt. ,
„Bettine! Bet-
tine, ein Wort!“
rief er flehend.

Dann ging
 
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