Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

heſt la.

— HHH


Jahrg. 1896.

Der Fundö am Stranoͤe.

Roman

5 von
H. Roſenkhal Bonin.

Fortſetzung.)

Nachdruck verboten.)

egen Mitternacht ſchiffte der Aſſeſſor ſich
auf dem Dampfer „Bellerophon“ ein,
um nach dem unruhig und ſtürmiſch in
New⸗Dork verbrachten Tag die für ihn
ſo unglückliche und ſein Unternehmen
ſo wenig fördexnde Stadt zu verlaſſen.
Als das Schiff aus dem New⸗Dorker
Hafen fuhr, und die ſchimmernden Licht-
— ſtreifen der Quais immer kleiner und
kleinex wurden, hatte der Aſſeſſor das Gefühl, als ob
die Stadt ihm ein böſex Feind geweſen. „Nicht in der
Neuen Welt, ſondern in Europa wirſt Du Dein Ziel
erreichen,“ ſagte er ſich. „Laſſe nur nicht
nach in der Energie und halte Du das Ziel
unentwegt vor Augen. Nach Europa iſt Klaus
Gehren entwichen, dafür ſpricht Alles. Für
die Verwirklichung ſeiner Malerträume iſt auch
die Neue Welt nicht der geeignete Boden.
Wenn er nicht in London bleibt, wird er
ſich nach Berlin, München, Dresden oder Wien
wenden, und dort iſt es leichtex, ihn zu er-
kunden, und ich hahe mehr Hilfsmittel, ihn
mir gefügig zu machen. Allerdings weiß ich
nicht, unter welchem Namen der Menſch reist
— ob weiter als Peter Laarſen oder nicht —
jedoch er kommt nur einige Stunden früher
an als ich, mit einem mir bekannten Schiff,
das iſt ſehr werthvoll für mich. Ich kann die
Liſte der Paſſagiere nachſehen nach ihm fragen,
ihn beſchreiben! Die Möglichkeit, ihn zu fin-
den oder ſeine Spur zu entdecken, liegt ſogar
nahe, und ich will auf meinen guten Stern
vertrauen.“
Und während der Aſſeſſor Reinhard dieſen
Gedanken nachhing, eilte der mit vollem Dampf
nach Oſten durch die Meeresfluth ſich arbei-
tende Dampfer ſeinem fernen Ziele zu.

Klaus Gehren hatte eine ruhige Fahrt, die
„Mayflower” war ein vorzügliches Schiff,
welches ſeinen Kurs mit der Regelmäßigkeit
eines Uhrwerks zurücklegte, und die Raſſa-
giere beſtanden faſt nur aus engliſchen Kauf-
leuten. Klaus ſchloß ſich an Niemand an, als
an einen Londoner Baͤnkier, mit dem er vor-
ſichtig Geſpräche über engliſche Werthpapiere
anknüpfte und ſich hinſichtlich der Umwechs-
lung und vortheilhaften Anlage amerikaniſchen
Geldes zu unterrichten fuchte.

Acht * nachdem die „Mayflower“ den


Lew⸗Norker Hafen verlaſſen zeigten ſich eines Mittags die
Kreidefelſen der engliſchen Küſte, diè, Mayflower“ ging
nicht nach Southampton, wie die regelimäßigen Boftz und
Vaſſagierdampfer dies zu thun pflegen, fie war ein
Handelsdampfer und legte in Gravesend an. Dort
landete das Schiff ſeine Paſſagiere, weil dieſe von hier
aus mit der Eiſenbahn ſchneller nach London gelanglen,
als auf der Themſe.

Die Legitimationspapiere der Ankommenden wurden
kentrolirt, und Klaus Gehren, gemäß den Schriften der
Miß Johny, als New-Horker Bürger Joſug Elyde in
das Polizeiregiſter eingeſchrieben. Darauf fuhr er mit
den anderen Paſſagieren nach London.

Klaus gab im Bahnhofe Charing-Croß ſein Gepäck


Bank fahren. Hier in einem ungeheuren Saal, wo es
von hin und her gehenden Menſchen wimmelte, und ein
Summen wie in einem Bienenkorbe herrſchte, ward er
auf ſeine Anfrage an eine der hundert Vergitterungen
gewieſen, ſprach dem Beamten ſeinen Wunſch aus, neün-
undzwanzigtauſend Dollars gegen engliſche Staatspapiere
ausgetauſcht zu erhalten, und diefe Papiere auf der
Bank anlegen zu wollen.


Der Beamte nahm die amerikaniſchen Scheine, prüfte
dieſelben, nickte und frug Klaus naͤch ſeinem Namen
und Wohnort. „Joſua Clyde aus Neiw-Mork. Den
Wohngrt werde ich ſpäter melden,“ gab Klaus an, und
eine Viertelſtunde ſpäter hatte er feinen Depoiſchein
und verließ das Bankgebäude.

Er athmete erleichtert auf. Jetzt hatte er das Geld
ſicher und zinstragend angelegt! Dazu fühlte er fich
als Bewahrer der Summe, die ihm nicht gehörte, ver
pflichtet, und es hatte ihm ſchon lange ſchiber auf dem
Herzen gelegen, daß er dies nicht ausführen konnte.

Direkt von der Bank fuhr er zum Bahnhof zurück.
London war für Klaus ein gefährlicher Boden, denn
Spiekerooger Schiffer kamen mit ihren Küſtenfahrern
häufig genug dorthin, er ſah. zwar jetzt völlig anders
als früher aus, aber die Inſulaner haben ſcharfe
Augen, und wollte es ein böfer Zufall, daß er einein
von ihnen begegnete, ſo war er entdeckt. Er beſchloß
aus dieſem Grunde ſo ſchnell wie möglich dieſen heißen
Boden zu verlaſſen und nach einem Einſchiffungspunkt
ſich zu begeben, von dem er wußte, daß die Spieker-
ooger dort nie etwas zu thun haͤtten, das war Gra-
vesend, um mit dem erſten Schiffe, welches ſich da-

ſelbſt ihm darbot, an das Feſtland und von
dort nach München zu reiſen. Er fuhr des-
halb ſofort nach Graͤvesend zurück.

Es war vier Uhr Nachniittags geworden
und ſchon dunkel, als er daſelbſt ankam; um
ſechs Uhr ging das nächſte Schiff nach Calais.
Klaus begab ſich in eine kleine Reſtauration
am Landungsquai, beſtellte etwas zu eſſen und
wartete dann bei einem Glaſe Bier in einer
unruhigen Geſellſchaft von Matroſen, Klein-
händlern und Kofferträgern auf die Abfahrt
des Dampfers.

Er ſaß am Fenſter der Gaſtſtube und ſah
auf die Straße hinaus. Ein feiner Schnee
ſchwebte hernieder und ſchmolz auf dem ſchwärz-
lichen Straßenpflaſter.

Plötzlich fuhr Klaus heftig zurück. Er ſah
eine Geſtalt langſam am Hauſe vorüberwaͤn?
deln, deren Haltung, Hut und Mantel er ſchon
einmal geſehen haͤtte. Der großgewachſene,
ſtarke Mann wendete den Kopf der Gaſt-
hauslaterne zu, und Klaus fchaute in das Ge-
ſicht des Aſſeſſors Reinhard. Dieſer ſchien
jedoch Klaus nicht bemerkt zu haben denn er
ging weiter.

Klaus Gehren pochte das Herz, und es
ward ihm plötzlich ſo heiß, daß er den Maͤntel
abwarf.

Das iſt ohne Zweifel der Reinhard,“ ſagte
ſich der junge Mann. „Ich habe mich nicht
getäuſcht, meine Angſt hat mir hier nichts
vorgeſpiegelt. Er begegneie mir in New⸗Hork,
als ich abreiste, er iſt nun wieder hier und
jpionirt hier umher. Das iſt auffällig. Wie
fommt dex Mann aus ſeinem Amt weg nach
Lew⸗Dork? Der ſucht mich und hat meine
Spur entdeckt. Alſo ſcheint man in Spiekexoog
zu wiſſen, daß ich das Geld an mich genommen
habe. Können denn Todte reden, haͤt Jemand
von den Schiffern mich beobachtet? Ift durch
 
Annotationen