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—SS S —

Z f

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Jahrg. 1896.

Der Fund am Strande.
Roman
H. — —

(Fortjegung und Schluß.)

Nachdluck verboten.)

shalb denn? Was für einen Zweck
verfolgten Sie dabei?“ fragte der
Unterſuchungsrichter den Aſſeſſor.
Dieſer ſaͤh ein, daß er verdächtig
ſei, verſucht zu haben, geſtohlenes
Gut ſich anzueignen.
Er begriff, daß ihm

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ſo viel beabſichtigte ich davon zu brauchen, um nothdürftig
einige Jahre leben und mein Malerſtudium beſtreiten
zu können. Später wollte ich das Fehlende wieder er-
ſetzen und dann die ganze Summe dem Vorſtande der
Inſel einſenden. Ich glaubte durch ein ſolches Ver-
fahren Niemand zu ſchädigen, ich hatte keine Ahnung,
daß die Verunglückte noch lebe, ſondern ſah das Geld
als Strandgut an.“

So ſprach Klaus ruhig und mit dem Ton über-
zeugender Wahrheit. Es entſtand Gemurmel auf den
dichtgedrängten Tribünen, und die Richter neigten die
Köpfe zu einander.

Der Staatsanwalt erklärte, daß Geld und Geldes-
werth, welches Angeſchwemmte am Leibe trügen oder
ſonſt irgendwie mit ſich führten, nie als Strandgut-
betrachtet werden könne.

Gegen Klaus wurde als Zeuge aufgeführt der Aſſeſſor



E nichts weiter übrigblieb,
als ſeine Heirathsſpekulation zu geſtehen.
Es war ihm dies höchſt peinlich, aber es
ging nicht anders. Der Unterſuchungs-
richter ließ kein dunkles Pünktchen in ſeinen
Ausſagen beſtehen, und Alles wurde zu
Protokoll genommen. Mit knapper Noth
entging Reinhard dem Schickſal, ſelbſt in
Unkerſuchung gezogen zu werden; völlig
entlaſtet verließ er das Gerichtsgebäude
nicht. Es wurde ihm auferlegt, während
der Dauer des Prozeſſes im Stadtgebiet
von Hannover zur Verfügung der Behörde
zu bleiben.
Der Tag der Verhandlung war her-
angekommen. Die Tribünen des großen
Gerichtsſaales konnten die Menge Der
Neugierigen kaum faſſen, welche die Ent-
wickelung dieſes ſonderbaren Falles mit an-
ſehen woͤllten. Die helle Septemberſonne
ſchien durch die Fenſter des Saales, deſſen
Leinwandjalouſien herabgelaſſen waren, und
es herrſchte ein freundlich gedämpft-helles
Licht in dem Raume.

Klaus ſaß auf der Anklagebank, hinter
ihm der Vertheidiger, auf dem Gerichts-
tiſch lag in einer Holzſchale das bare Geld,
welches Klaus noch beſeſſen, der Depot-
ſchein der Londoner Bank, daneben die
Brieftaſche und die am Strande gefundene
Taſche.

Der Staatsanwalt las die Anklage vor.
„Bekennen Sie ſich ſchuldig?“ frug der
Präſident, ſich an Klaus wendend.

„Ja,“ erwiederte dieſer. „Ich that
das, was die Anklage mir zuſchreibt, weil
mich das elende Leben, welches ich auf der
Inſel führen mußte, zur Verzweiflung ge-
trieben hatte, und ich die Kraft in mir
fühlte, etwas zu wirken und zu ſchaffen,
das mehr war und höher ſtand, als Körbe
zu flechten und Netze zu ſtricken. Ich wallte
das Geld auch keineswegs behalten. Nur


Reinhaxd, der jedoch nichts weiter ausſagen konnte,
als daß er Klaus in New-Dork abreiſen geſehen und
in Paris dann mit ihm eine ſtürmiſche Begegnung ge-
habt habe, als er die Herausgabe des Geldes von ihm
forderte.

Belaſtungszeugen gab es ſonſt nicht gegen Klaus,
und ſo kam jetzt der Vertheidiger zum Wort Er
ſchildexte Klaus als einen hochbegabten jungen Mann,
zum Beweis dafür las er Zeugniſſe des Profeſſors
Bonnier und einiger ſeiner Kollegen vor, eine phantaſie-
volle Künſtlernatur, die durch das Elend und die Enge
des Lebens auf dex Inſel zu dem verzweifelten Entſchluß
getrieben worden ſei, mit dem gefundenen Strandgute —
denn als ſolches ſehen die Schiffex auf der Inſel all-
gemein auch das Geld an, welches Todte mit ſich
führen — zu einer höheren, edleren Stufe des Daſeins
ſich aufzuſchwingen und ſeiner Begeiſterung für die
Kunſt Eenüge leiſten zu können. Daß
Klaus den feſten Willen hatte, das Geld
ſo wenig wie möglich anzutaſten, könne er
beweiſen durch eine einwandsfreie Zeugin.

Miß Johny, die gleich Maria auf den
Wunſch des Vertheidigers zu der Ver-
haͤndlung herbeigeeilt war, wurde in den
Saal geführt. Sie warf einen ſchmerz-
lichen Blick auf Klaus und ſagte aus:
„Ich lernte dieſen Herrn in der Penſion
Bovery in New-Dork kennen. Er fiel mir
auf durch ſeine Schweigſamkeit und Zurück-
gezogenheit. Er trank keinen Tropfen Alko-
hol, lebte eingezogen und im höchſten
Grade ſparſam und zeigte ſich ängſtlich bei
jedem Cent, den er ausgeben mußte. Herr
Gehren arbeitete den ganzen Tag. Ich war
ſeine Stubennachbarin und konnte das be-
obachten.“

Miß Johny erröthete etwas und ſchwieg.

Die Sache mit dem Schriftendiebſtahl
hatte man nach einer bereits vorher ſchrift-
lich gemachten Ausſage Miß Johnys fallen
laſſen. Sie kam jetzt nicht mehr zur Sprache.

Nun kam Maria an die Reihe. Sie
ſah vor ſich nieder und warf auf Klaus
keinen Blick. Ihr Geſicht war bleich, und
ſie athmete ſchwer.

Der Vertheidiger flüſterte Klaus einige
Worte zu. Dieſer richtete den Blick auf
Maria und war im Begriff aufzuſpringen.
Der Vertheidiger aber drückte ihn ſchnell-
auf ſeinen Sitz nieder.

Im Publikum entſtand eine große Be-
wegung, denn blitzſchnell hatte ſich das
Gerücht verbreitet, dies ſei die Gerettete
und Beſtohlene.

Maria wurde gefragt hinſichtlich deſſen,
was ſie in Paris an dem Angeklagten be-
obachtet. Sie ſagte aus, daß der Herr
fleißig kopirte und für nichts als für ſeine
Kunſt Sinn zu haben ſchien, denn er war
ſtets bei der Arbeit. Sie habe den Herrn
oft im Louvreſaal bei der Arbeit geſehen,
jedoch nur einmal einige Minuten ge-

ſprochen.
 
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