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— 1896.

Geachket.

Roman

von
Lothar Brenkendorf.
Fortſetzung.)

Nachdruck verboten.)

dunkel ahnen, daß Charlotte trotz aller
Verſprechungen ihren Spott mit ihm treibe,
aber als er dann mit ſcheuem Seitenblick
über ihr Geſicht hinwegſtreifte, wurde er
durch den ehrlichen Ausdruck deſſelben doch
wieder beruhigt.

ten möchte Denn das Eine wie das Andere
würde ſicherlich geſchehen, wenn ich Alles
ausplaudern wollte.“

Der Lieutenant dachte ein wenig nach,
aber das Ergebniß dieſes Nachdenkens befrie-
digte ihn nicht, denn mißvergnügt ſchüttelte
er den Kopf.

Das iſt mir zu dunkel. Seligkeit und
Verdammniß in einem Athem. Waͤhrhaftig,
Sie hätten in Delphi als Pythia auf dein
Dreifuß ſitzen können, Fräulein v. Menzelius!“

Ich kann nicht beurtheilen, ob das ein
Kompliment iſt, denn ich habe nicht die Ge-
lehrſamkeit des Herrn Lieutenants und weiß
nicht, was für ein Frauenzimmer dieſe Pythia
geweſen. Abex wenn ich ſo offenherzig ſein
Yoll, könnte ich zuvor doch wohl aͤuch einige
Offenheit verlangen. Ehrlich geſagt, Herr
v. Kapniſt: weshalb liegt Ihnen fo viel daran,
die Meinung Eliſabeth's über Sie zu erfahren?“

„Weil — weil — nun, Sie haben es ja
doch ſchon längſt errathen — weil ich im Be-
griff bin, dem gnädigen Fräulein mein Herz
und meine Hand anzutragen.“

Aus den braunen Schelmenaugen war mit
einem Male auch das letzte Spottteufelchen
herſchwunden. „Wirklich? Darauf haben Sie
ſich Hoffnung gemacht? Armer Herr Lieute-
nant, Sie thun mir von Herzen leid!“


Mit höchſt verblüffter Miene nahm er dieſen un-
verkennbar ganz ehrlich gemeinten Ausdruck des Be-
dauerns entgegen. „Ich thue Ihnen leid? Das heißt
alſo, Sie meinen, daß es eine Vermeſſenheit wäre, und
daß ich nicht würdig bin —“

Fräulein Chaxlotte proteſtirte durch eine verneinende
Kopfbewegung. „Nicht doch! Sie könnten noch hundertmal

beſſer tanzen und Sie könnten ein Fürſt oder gar ein


Denn ſie heirathet überhaupt nicht — niemals! Das
hat ſie der Mutter in meinem Beiſein feierlich erklärt?

„Nun, wenn es nur das iſt! Solche Gelöbniffe
einer jungen Dame muß man nicht gar zu ernſthaft
nehmen.“ *

Fräulein v. Menzelius ſtrafte ihn mit einem ſtreng
verweiſenden Blick. „Wenn dieſe junge Dame Eliſabeth
v. Marſchall heißt, Herr Lieutenant, dürfte es doch rathfam
Ein, eine Ausnahme zu machen. Ein Wort aus ihrem
Munde iſt genau ſo viel werth, wie das Wort irtzend
eines Kavaliers, Wäre es ihr nicht heiliger Ernſt damit,
ſie hätte wohl kaum auf Ihren ehrenvoͤllen Antrag zu
warten brauchen. Seitdem vor fünf Jahren der Generaͤl


geſtorben iſt, haben ſich bis zum heutigen Tage nicht


weniger als ſechs tadelloſe Edelleute um ihre Hand be-
worben. Sie ſind der ſiebente, Herrn v. Kapnift —
und wenn Sie auch vielleicht der ſchönſte und geiſt-
reichſte ſind —“
Zeßt wax es an dem jungen Offizier, ſie abwehrend
zu unterbrechen. „D, ich bitte gehorſamſt! das gnädige
Fräulein braucht die Pille nicht noch bitterer zu machen;
ſie will ohnedies ſchiver genug hinunter Sechs Be-
werber und ſechs Körbe! Alle Teufel! Pardon, es
fuhr mir nux ſo heraus Aber das muß doͤch irgend
eine Urfache haben. Vielleicht eine ungluͤckliche Liebe —“

Charlotte v. Menzelius zuckte die Achfeln. „Sie
ſpricht nicht darüber. Aber ich denke mir, daß fie eineni
Lfallenen Offizier auch über das Grab hinaus die
Treue bewahrt. Sie hat einen ſo {
und denkt ſo viel größer und edler als alle anderen
Menſchen, die ich kenne; mehr als einmal vermöchte
ſie gewiß nicht zu lieben.“ .

„Nein,“ ſtinimte der Lieutenant aus voller Ueber-
Lugung zu, „dazu wäre ſie ſicherlich nicht im Stande.
Aher es iſt ſchade, ſehr ſchade, ich hatte mich ſo darauf
gefreut.“

Cr ſah äußerft betrübt aus und ſchaute recht weh-
leidig vor ſich hin. Eine kleine Weile verharrten ſſte
Beide in bedrücktem Schweigen; dann rückte
Charlotte ein wenig näher zu ihm heran und
ſagte im Tone einer freundlichen Tröſterin:
„Sie müſſen es mannhaft überwinden, Herr
v. Kapniſt! Es thut mir herzlich leid, daß
ich Ihnen keine beſfere Auskunfk geben konnte!
aber am Ende — am Ende hätten Sie doch
gar nicht zu einander gepaßt.“

Er behielt zwar noch immer ſeine nieder-
geſchlagene Miene; aber der theilnehmende
Zuſpruch that ihm ſehr wohl. 2

„Weshalb meinen Sie das, Fräulein
Charlotte?“ fragte er kleinlaut. „Ctwa weil
ſie mir an Alter gleich iſt oder vielleicht
ſogar noch ein paar Monate alter iſt als ich?“

„Nein, nicht darum! Eliſabeth iſt jung
und ſchön mit ihren fünfundzwanzig Vahren,
wie ſie es noch mit fünfzig ſein wird! Aber —

ſagen ſoll, ohne Ihnen von Neuͤem wehe zu
thun, aber es iſt doch eine ſo große Verſchieden-
heit zwiſchen Ihnen. Sie nanuͤten ſie vorhin
ſelhſt eine königliche Erſcheinung! Und ich
meine, Herr v. Kapniſt, Sie müßten keinẽ
königliche Frau haben, ſondern eine luſtige,
die mit Ihnen lacht —-“

„Oder über mich, nicht wahr?“

„Oder auch über Sie, wenn es ſich gerade
ſo trifft; der es nichts verſchlägt, allerlei dum-
mes Zeug zu ſchwatzen, wenn eben weder
Ihyen noch ihr was Geſcheidtes einfallen
will, die mehr übermüthig als hoheitoͤvoll,
mehr kindlich als erhaben iſt — Kurzum
eine Frau, mit der Sie vergnügt ſein könüen,
ſtatt immerfort anbetend zu ihr aufzuſehen.“

Es war feltſam anzuſchauͤen, wie raſch
unter dem Einfluß dieſer eigenartigen Tröſtung
die Wolken des Kummers von des Lieute?
nants Antlitz verſchwanden. Er hob den
 
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