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— —












bel.

Roman
von

LTotkhar Brenkendorf.
*

Fortſetzung)

— — ; Nachdruck verboten.)
Tein Gott, ſollten wir dennoch nicht früh
z genug Ihnen zu Hilfe gekommen ſein?“
4 rief der Reiter, als er Eliſabeth erreichte.
E „Wie blaß Sie ſind, mein Fräulein!
Und Sie halten ſich kaum noch im Sattel!

— Hatten dieſe wilden Beſtien Ihnen be-
>> reits ein Leid zugefügt?“

A Eliſabeth fchüttelte verneinend den
Kopf, aber ihre weitgeöffneten, ſchönen Augen hingen
noch immer mit ſtarrem Ausdruck an dem Geſicht des
Fraͤgenden, wie wenn ſie kein Weſen von Fkeiſch und
Blut, ſondern ein dem Grabe entſtiegenes Geſpenſt in
ihm zu ſehen vermeinte.

„Nichts — mir iſt nichts geſchehen!“ brachte
ſie mühſam, beinahe tonlos hervor. „Ihre Hilſe
kam zur rechten Zeit. Ich danke Ihnen, mein
Herr, aber ich bitte Sie, laſſen Sie mich vor
Allem erfahren, wem ich die Erhaltung meines
Lebens ſchulde.“

Unter dem Schnurrbart des Offiziers zuckte
es ſeltſam. Er wandte ſich im Sattel und
gab ſeinen Leuten einen Wink, weiter zurück
zu xeiten. Dann ſagte er, wiedex die Hand
an ſeine Kopfbedeckung legend: „Major Sir:
tus, mein gnädiges Träulein, Führer eines
ehedem in preußiſchen Dienſten ſtehenden Frei-
korps.“

„Sixtus!“ ſchrie Eliſabeth auf. „So iſt
es doch keine Täuſchung, keine zufällige Aehn-
lichkeit! — Herr v. Plothow — Sie ſind es?“

„Bis vor acht Jahren nannte man mich
allerdings ſo, Fräulein v. Marſchall! Da-
mals aber habe ich meinen ererbten Namen
für immer abgelegt. Ich bin der Major Sixtus
— ſonſt nichts, und ich bitte Sie, zu vergeſſen,
daß es jemals einen Herrn v. Plothow ge-
geben.“

Es war kein Zweifel, daß er vom erſten
Augenblick an gewußt hatte, wen er in der
Geretteten vor ſich ſah. Aber in ſeinem Be-
nehmen zeigte ſich nichts von beglückter Ueber-
aſchung und jubelnder Freude über dieſe
Wiederbegegnung, die ſo wunderbar war, daß
Eliſabeth ſich noch immer in einem Traum zu
befinden wähnte. Höflich und ritterlich, doch
mit unverkennbarer Zurückhaltung, hatte er
ihr Rede geſtanden, und namentlich feine letzten
Worte klangen ſo ernſt und dringend, daß
ſich das junge Mädchen davon im tiefſten Herzen
getroffen fühlte.

„Wenn Sie es ſo wünſchen, Herr Major,

werde ich Sie gewiß niemals bei Ihrem alten Namen
nennen. Aber daß ich die Vergangenheit vergeſſe, nein,
das werden Sie nicht im Ernſt von mir fordern. Sind
doch meine Gedanken ſeit acht Jahren unabläſſig bei
dieſer Vergangenheit geweſen, und habe ich doch nie-
mals aufgehört, mich als die Urheberin Ihres Un-
glücks anzuklagen. Wie dürfte ich hoffen, daß Sie mir
je verzeihen werden, wenn Sie es mir verbieten, von
meiner alten Schuld mit Ihnen zu ſprechen!“

Das Pferd des Majors begann plötzlich unruhig
zu werden, und die Nothwendigkeit, es zu beſanftigen,
erſparte ihm den Zwang einer fofortigen Antwort.
Als er es nach Verlauf einer Minute wieder an Eliſa-
beth's Seite gebracht hatte, ſagte er mit wohlabge-


gnädiges Fräulein, kann ſchon deshalb keine Rede ſein,
weil es nichts gibt, das ich Ihnen zu verzeihen hätte.
Bedarf es indeſſen noch weiterer Verſicherungen, um
Sie davon zu überzeugen, ſo bin ich mit Vergnügen
bereit, ſie Ihnen zu geben — nur nicht in diefem
Augenblick, wo Sie dringend der Erholung und viel-
leicht auch einex kleinen Stärkung bedürfen! Der Weg
bis Lasdehnen iſt weit. Sie können ihn unmöglich zu-
rücklegen, ohne ſich zuvor für den langen Ritt ge-
kräftigt zu haben. Die Gaſtfreundſchaft, die ich Ihnen



zu bieten vermag, iſt zwar nur von der allerbeſcheiden-
ſten Axt, doch ich hoffe, daß Sie ſie unter den ob-
waltenden Umſtaͤnden trotzdem nicht verſchmähen.“

Eliſabeth wäre am liebſten in Thränen ausge-
brochen, ſo weh that ihr die kühle Fremdheit in feinem
Weſen. Für ſie war ja dies Wiederſehen das größte,
das herrlichſte Ereigniß ihres Lebens — eine Befreiung
von jahrelanger Gewiſſensqual, ein Wunder, wie es
ſelhſt ihre usſchweifendſten Wünſche ſeit Langem nicht
mehr zu erhoffen gewagt. Sie würde laut aufgejubelt,
würde dem Wiedergefundenen, der ja in ihren Augen
ein vom Tode Erſtandener war, voll überſtrömender
Herzensfreude ihre beiden Hände dargereicht haben,
wenn in ſeinen Worten oder in ſeinen Miénen auch
nur das kleinſte Zeichen geweſen wäre, daß er. ihre
Empfindungen theile.. Statt deſſen aber hHatte er fie
begrüßt, wie irgend eine gleichgiltige Bekanntſchaft aus
vergangenen Tagen, ohne Groll und ohne Herzlichkeit,
in jenen tadellos höflichen Formen, die ihm durch feine
Erziehung vorgeſchrieben waren. Ihre Dankbarkeit
gegen das Geſchick, das ihn am Leben erhalten, und
ſie ſo vor der ſchwerſten Schuld bewahrt haͤtte! war
zwar dadurch nicht geringer geworden; die ſchmerzliche
Enktäuſchung jedoch träufelte kinen gar bitteren Tropfen
in den Bechex ihrer Freude. — ;

Mit einem leiſe geſprochenen Dankeswort
hatte ſie das Anerbieten des Majors ange-
nommen, und nun ritt er im vorſichtigſten
Schritt an ihrer Seite, immer darauf bedacht,
ihr ſofort Beiſtand leiſten zu können, falls ſie
unterwegs von einer Schwäche befallen würde-
Sein Geſicht, das in dieſen acht Jahren noch
edler und männlicher geworden waͤr, hatte
einen tief bekümmerten Ausdruck angenominen,
und als ſie einmal ſcheu zu ihm auffah, glaubte
ſie in ſeinen Augen eine beinahe düſtere Trau-
rigkeit zu lefen. Sie wagte nicht, eine Frage
an ihn zu richten, obwohl fie ſich vergebens den
Kopf darüber zerbrach, wie er mit ſeinen Sol-
daten gerade hierher gekommen ſein möge.
Denn hier gab es ihrer Anſicht nach für eine
Militärabtheilung nicht das Geringſte zu thun,
und ſie begriff nicht einmal, mo die vielen Leute
mit ihren Vferden Unterkunft gefunden haben
konnten. Da ihre von Minute zu Minute
wachſende Befangenheit ihr verbot, dem Blick
des ſchweigſamen Begleiters allzu oft zu begeg-
nen, wandte ſie ſich wiederholt nach den Huͤ—
ſaren zurück, die ihnen in geringer Entfernuͤng
folgten. Dabei machte ſie erſt jetzt die Wahr-
nehmung, daß die Uniformen der Leute Ab-
zeichen trugen, wie ſie ſolche nie zuvor geſehen
hatte, und daß ſie überdies abgettagen, geflickt
und verblichen waren. Nur der Umftand, daß
ſich die Pferde durchweg in vorzüglichſter Ver-
faſſung befanden, und daß die Reiter ausge-
zeichnet im Sattel faßen, konnte der kleinen
Truppe auf den erſten Blick ein leidliches
Anſehen geben; bei näherer Betrachtung er-
ſchien ſie verwahrlost und abgeriſſen, wie es
ſonſt nur in Kriegszeiten erklaͤrlich ift.

Der ſtumme Ritt führte eine kurze Strecke
durch den Wald, welcher der jungen Herrin
 
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