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Geächtel.
Roman von Lothar Breukendork.
ortſetzung.)

MNachdruck verboten.)
ie erſte Verirrung, die nichts mehr ungeſchehen
machen kann, fuhr Major Sixtus fort, „drängt
mich erbarmungslos weiter und weiter, dem
ſelbſtverſchuldeten Ende zu. Deshalb kann ich

Sie nur noch um Eines bitten: über-

laſſen Sie mich jetzt meinem Ver-

hängniß und unternehmen Sie nichts,
das mein Gewiſſen zu allem Ande-
ren auch noch mit dem furchtbaren

Vorwurf belaſten könnte, Sie in mein

Unglück hineingezogen zu haben. Gott

möge Ihnen vergelten, was Sie bis-

her an uns gethan; ich armer Ge-
aͤchteter habe ja nichts als ohnmächtige

Worte des Dankes.“

Thränen wollten ſeine Stimme er-
ſticken; Da beugte ſich Eliſabeth zu ihm
nieder, legte ihre Arme um ſeinen Hals
und flüſterte ſo nahe an ſeinem Geſicht,
daß er ihren warmen Athem fühlte:
„Wenn Du ſtirbſt, Sixtus, ſo ſterbe
ich mit Dir! Ich könnte ja ohne Dich
nicht längerleben, Du geliebter Mann!“

„Eliſabeth!“ ſchrie er auf in ſelbſt-
vergeſſenem, ſchrankenloſem Jubel, und
aufſpringend umfaßte er ihre herrliche
Geſtalt, ſie wieder und wieder voll
ſtürmiſcher Leidenſchaft an ſich preſſend.
Ihre Lippen fanden ſich in einem end-
loſen, glühenden Kuſſe, und minuten-
lang ſchien all das Entſetzliche, das
ſie umdrohte, völlig getilgt und weg-
gewiſcht aus ihren Gedanken. Aber
der ſüße, glückſelige Rauſch, der won-
nige Taumel einer ſo lange mit ſchier
übermenſchlicher Selbſtüberwindung
niedergehaltenen und nun in hellen,
heißen Flammen emporlodernden Liebe
— aucd) er mußte endlich verfliegen.
Und der Major war es, deſſen ſtarker
Geiſt ſich zuerſt in die grauſame Wirk-
lichkeit zurückfand. Er gab die Ge-
liebte frei und preßte ſeine geballten
Fäuſte gegen die Schläfen.

„Zu ſpät!“ ſtieß er hervor. „O,“
allbarmherziger Gött, warum muß
es zu ſpät ſein — warum!“
Leber Eliſabeth aber war jetzt, da
ſie ihm ihr theures Geheimniß preis-
gegeben, jene ſonnige Zuverſicht ge-
kommen, der die wuͤnderſame Kraft
innewohnt, ſich auch auf Andere zu
übertragen, weil etwas von propheti-
ſcher Sehergabe in ihr iſt.

„Nein, noch iſt es nicht zu ſpät.


zuſammengeführt haben, um uns nach einem einzigen
Augenblick des Glückes grauſam für immer zu trennen.
Der Zufall, daß Du gerade hier in der Nähe von Las-


Doch Sixtus fiel ihr mit einem Kopfſchütteln in die
Rede: „Es war kein Zufall, Eliſabeth. Schande über
mich, wenn ich Dich jetzt noch belügen wollte. Die
Sehnſucht, Dich noch einmal zu ſehen, wäre es auch
nur von Ferne und ohne von Dir erkannt zu werden,
hielt mich in dieſen Wäldern feſt, obwohl wir vielleicht




habt hätten, uns zu verproviantiren. Ich wußte, daß
Du hierher kommen würdeſt, und ſeit ich erfahren, daß
Du wirklich auf Lasdehnen eingetroffen ſeieſt, ſchlich
ich mich oftmals auf jede Gefahr hin in einer Ver-
kleidung bis in die unmittelbare Nähe des Schloſſes,
um Dein geliebtes Antlitz oder wenigens den Schatten
Deiner Geſtalt am erleuchteten Fenſter zu erſpähen.“
„O, dieſe Tollkühnheit!“ rief ſie mit ſtrahlendem
Geſicht. „Und doch behandelteſt Du mich bei unſerer
erſten Begegnung ſo kalt und gemeſſen, daß ich ver-
zweifelnd ſürchtete, Du habeſt mir noch immer Deine
Verzeihung vorenthalten.“
„Durfte ich denn anders — ich,
der Ausgeſtoßene, Geächtete, Ver-
fehmte? Beging ich nicht eben eine
neue Ehrloſigkeit, da ich es wagte,
Deine reinen Lippen zu berühren?“
Doch ſie ſchmiegte ſich auf's Neue
voll hingebender Zaͤrtlichkeit an ſeine
Bruſt.

„Nein, Theuerſter, denn es kann
nimmermehr ehrlos ſein, ein anderes
Weſen zu beglücken. Aber wenn Du
mich in Wahrheit ſo innig liebſt, daß
Du Dein Leben auf's Spiel ſetzteſt,
nur um mich zu ſehen, kannſt Du
Dich dann noch länger weigern, mir
die erſte flehentliche Bitte zu erfüllen,
die ich an Dich richte? Sieh, mein
Gelieber, der Morgen iſt nicht mehr
fern, und wenn Du darauf beharrſt,
die Soldaten zu erwarten, ſo bedeu-
tet dieſer Morgen die Todesſtunde
unſerer Hoffnungen, gleichviel, ob Du
die Küraſſiere beſiegſt oder unter
ihren Säbeln fällſt. Darfſt Du mir
dieſen furchtbaren Schmerz anthun,
da es doch in Deine Macht gegeben
iſt, ihn mir zu erſparen? Ich ver-
lange ja nichts, als daß Du Dich
über die Grenze zurückziehſt und ſo
lange einer Begegnung mit Ddem
preußiſchen Militär ausweichſt, bis
ich die Antwort des Königs auf meine
Eingabe erhalten habe. Lautet ſie
bejahend, wie ich zuverſichtlich hoffe,
jo hat alle Noth und Drangſal für
Dich wie für die Deinen ein Ende.
Wird meine Bitte aber abſchlägig be-
ſchieden, nun, ſo iſt es für Dich noch
immer früh genug, Dich Deinen Fein-
den zu ſtellen und für mich, an Deiner
Seite den Tod zu fuchen. Denn ohne
Dich — das ſchwöre ich Dir noch
einmal, Sixtus — ohne Dich will
ich nicht mehr leben!“

Stumm hielt der Major das ſchöne,
opfermuthige Weib umſchlungen, ſeine
Augen ſenkten ſich tief in die ihren,
und ſie verſtanden auch ohne Worte
das heilige, feierliche Gelöbniß, das
Eines dem Anderen in dieſen weihe-
vollen Momenten ablegte.
 
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